[Mein Weib, mein Weib, wie Du Dich tapfer sträubtest!]

[6] Mein Weib, mein Weib, wie Du Dich tapfer sträubtest!

Du bist so schwer, so bitter schwer, dahin gegangen.

Du Schmerz, als Du das liebste, holde Sein betäubtest,

Da konnte es der Tod noch lange nicht erlangen!


Als wahre Riesin ist mein Weib, zum Schluß, gefallen!

Mein Weib, Du warst mir da so plötzlich fortgenommen,

Du hast das ganze grause Leid vom Erdenwallen

In Deiner allerletzten Stunde voll vernommen.
[6]

Einmal, des Nachts, umschlangen wir uns plötzlich fester!

Als unsere Herzen immer wild und wilder pochten,

Verliebten wir uns mehr als je, stets stärker und gepreßter

Umhalsten wir uns da, wie wir es nur vermochten.


Doch plötzlich, überraschend plötzlich, wars zu Ende.

Zur Ohnmacht, ach, war Deine Stummheit rasch geworden,

Und nutzlos nur, betasteten Dich meine Hände,

Ganz machtlos sah ich Fieberwüthen Dich ermorden!


– – – Vermutheten wir gar, daß wir uns trennen müßten,

Wie wir im Glücke niemals den Verlust bedachten!

Es war, als wir uns damals scheidungsinnig küßten,

Als ob auf einmal lauter Ahnungsschauer jäh erwachten!


Du trampftest Dich an mich und Du begannst zu weinen.

Gar wilde Bitterniß war unserer Lust entfahren!

Was mochte da in Deiner Seele wohl erscheinen!

Denn nichts, was Dich erschreckte, konnten wir gewahren!


Doch Trauer träufelte so schwer auf unsere Freude,

Und nie umschlangst Du meinen Hals so lang und bange,

Und Du erträumtest wohl viel düstre Spukgebäude,

Dann lachtest Du gar kindlich bang und lange.


Und endlich doch, als wir das Glück zurückgewannen

Und uns vertraulich wieder hin zum Schlummer neigten,

Begannen die getrauten Träume Flügel aufzuspannen:

Ihr Bruderflug begann, indem sie nimmer sich verzweigten.


In Seelenfernen, die in uns kein Ende kennen,

Möcht ich Euch nach, ihr seeligen Stunden eilen,

Sie waren beider Glück und können sich nicht trennen,

Doch nein, ich blieb allein und werde nirgends weilen!
[7]

Ich seh in mich, ich blick Euch nach zum Himmelszelte!

Mein Glück ist fort, ganz unerreichbar meinem Wesen:

Denn sie ist weg, die unsere Wesen heimwärts schnellte,

Und unser Kind, auch unser Kind, muß mitverwesen!


Der Mondschein ist der Leichenschleier bleicher Kindersterne.

Die Silbersichel mäht zuerst die Allerschwächsten nieder,

Und stündlich ists, als ob ein Größerer sich von uns entferne

Und endlich schließen auch die Nachtbrillanten ihre Lider.


Und überstrahlt die Todtenbleiche ringsumher den Sternenacker,

So sprühn die Ewiggroßen, die selbst kleine Kinder kennen,

Im Vollmondscheine weiter; mit urmächtigem Geflacker

Bestehn sie fort und nichts kann sie von ihren Thronen trennen.


Und wird das Mondlicht später täglich wieder schwach und schwächer,

So siehst Du Sternlein, wie der Mächtigen Kinder, jung erscheinen,

Und es erglühen Bären, Löwen, goldene Palmenfächer,

Die ewige, weiße Schlange wühlt sich vor im Sternenhaine.


Und wie es war, so wird es dort auf Gottes Himmel wieder!

Doch auf der Erde, ach, erstehn wir nimmer aus dem Grabe,

Du Heißgeliebte mein, so öffne wieder Deine Lider,

So komm zurück, Du Lust, Du mein Geschick und meine einzige Habe!


Du Ruhenacht, wie herrlich bist Du doch im schwülen Süden.

Kein schwacher Lufthauch wagt es, Deine Schöpferpracht zu stören.

Es ist, als ob sich Liebesstimmlein fernher zu sich lüden.

Und ohne zu ermüden, müssen sich die Kleinsten hören.
[8]

Aus Blüthen und aus Seelen, ja aus der Stille selbst im Haine,

Weht stets ein Duft empor, regt sich ein Traumesschimmer:

Oh Nacht, oh bitterfinstre Nacht, nur mich läßt Du alleine,

Die Stimme, die mich rief, ach nur die meine, hör ich nimmer!


Du leuchtest, klare Sternennacht, in ewiger Schöpferstille:

So spiegle Dich im leiderregten Meere meiner Seele

Und senk Dein schweres Gold hinab! das ist mein Friedenswille:

Nur Du tauchst bis zur Tiefe, wo ich mich um Stummheit quäle.


Nur Du machst alles Leid zum Lied und doch bewunderungsstummer!

Du giebst den Frieden, der befreit: der Schlaf beschwert die Glieder.

Zum Traum verspinnt die Trauer sich: was hilft ein dumpfer Schlummer?

Die Wehmuth hält er weiter wach, beschwert er auch die Lider ........

Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 2, München; Leipzig 1910, S. 6-9.
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