[»Chuenaten,« spricht Ti, dessen Mutter: Chuenaten]

[170] »Chuenaten,« spricht Ti, dessen Mutter: »Chuenaten,

Der Kampf war gewaltig, der Sieg ist errungen,[170]

Die Feinde, die Amon und Theben vertraten,

Sind alle zerspalten, beinahe bezwungen.

Chuenaten, doch laß Dich trotz allem berathen,

Du hast viele Fremde als Söldner gedungen,

Erhalt sie und laß Deinen Bauern den Spaten,

Der Friede beweist, was im Kriege gelungen.

Chuenaten, auch ich habe große Gedanken,

Ich wage es einen Dir, flüsternd, zu sagen:

Die Fremden, Chuenaten, zerbrachen die Schranken,

Die ewig im Nilthal dem Staat unterlagen;

Ich glaube sie alle sind wuchernde Ranken,

Die schwer nur die Stämme Ägyptens ertragen:

Nie darf unser Land wegen jener erkranken,

Doch sollst Du sie plagen, nicht wahllos verjagen!

Chuenaten, Dich haben die Fremden betrogen,

Sie haben gestohlen, geschachert, erbeutet,

Sie haben Ägypten die Nährmilch entsogen

Und wo Ihr Euch hadernd im Nilthale bläutet,

Dort haben sie ihre Erfolge erwogen.

Und wenn Ihr Euch herrlicher Siege erfreutet,

Ward immer von Fremden der Kampfplatz bezogen:

Die nahmen, was Ihr zu erringen Euch scheutet,

Mein Sohn, und Du bist solchen Leuten gewogen!

Erfülle, Chuenaten, die einzige Bitte,

Behalte die Fremden als Sklaven im Lande

Und tödte die Reichen, nach üblicher Sitte:

So bringst Du gewaltige Feste zu Stande

Und jedermann richtet dann lieber die Schritte

Nach Städten des Ra und erneuert die Bande

Mit Dir, großer König, und löst so die Kitte

Der Gaue mit Theben, dem Amon zur Schande:

Denn sieh, Dein Chutaten liegt gut in der Mitte[171]

Des Landes und prächtig am Weg zu den Meeren.

Dort kannst Du die Straßen nach Theben verlegen,

Den Zulauf zu Festen des Amon verwehren

Und leichter Ägypten zum RaKult bewegen.

Doch Ra, der Dir half, sollst Du einzig verehren

Und Haß gegen Fremde und Günstlinge hegen.

Auch sollst Du den Erben nicht länger entbehren,

Was ist Dir an Weib und an Töchtern gelegen,

Ein anderes könnte Dir Knaben bescheeren!«

Worauf jetzt der König entschlossen erwidert:

»Die Fremden besitzen ein gutes Gedächtniß,

Sie sahen erstaunt, was ich rastark gegliedert,

Wer weiß, übernahm man dabei mein Vermächtniß?!«

»Mein Kind,« wimmert Ti jetzt verletzt und erschrocken:

»Nicht wurden die widrigen Hyksos vertrieben,

Um ärgere Feinde ins Nilthal zu locken:

Noch ist uns die Macht zum Regieren geblieben,

Mein Sohn, und Du lockerst den Staat, um die Brocken

Ägyptens dem gierigen Feind zuzuschieben,

Zum Schluß wird das elende Kusch noch frohlocken

Und Du die Kuschitinnen hätscheln und lieben,

Mein Kind, dies erwog ich und sag es nun trocken.«

»Ach Muter, Du sprichst nur, Du weißt nicht zu sagen,

Du willst nichts erfragen, Du hast nichts verloren;

Das Weib bleibt das Übel, dem Thäter entragen,

Und sieh, Männer sagen, als wissende Thoren!«

Kaum hat jetzt die Mutter die Worte vernommen,

So giebt sie zur Antwort: »Du sollst mich belehren,

Mein Sohn, alles Große stets soll es Dir frommen,

Du konntest Ägypten zum RaKult bekehren,

Dein Heer hat die Mauern von Theben erklommen,

Drum soll Dich das Vaterland lieben und ehren;[172]

Es seien die Fremden im RaStaat willkommen,

Dein Schutz sei vollkommen, Du magst ihn gewähren,

Doch hält Deine Rachsucht mein Herz arg beklommen!«

»Der Mann ist der Sünder, das Weib seine Sünde,

Es würgen und sän doch die nämlichen Hände:

Verrucht ist der Staat, den ich eben begründe,

Doch laß, daß ich schrecklos mein Werk jetzt vollende!«

»Du zitterst, mein Sohn, laß, mein Kind, Dich begreifen,«

Hat Ti jetzt, als Antwort, aus Antwort, gegeben:

»Du fieberst,« so spricht sie: »Visionen umschweifen

Dich jetzt und verdrängen Dein ernstes Bestreben.

Du solltest Dich besser auf RaWerthe steifen

Und andere aus göttlichem Ansehn entheben,

Du magst Dich an Götzen wie Amon vergreifen,

Doch nimmer so tief in Dir selber erbeben,

Ach, ruh jetzt und laß Deine RaSaat erst reifen!«

»Nein Mutter, es stehen die Tempel von Theben,

Die werden noch heute, zum Fest der Kastraten,

Entstammende Arme zum Himmel erheben

Und beten und flehen, daß alle drin braten.«

Es hat kaum der König die Worte gesprochen,

So schreit seine Mutter: Ȇb Gnade, Chuenaten,

Schon hab ich die Flammen seit Wochen gerochen,

Ich sah Dich, aus Wahnwitz, in Blutlachen waten;

Das Feuer ist rasch in der Stadt ausgebrochen,

Drob bist Du in arge Bedrängniß gerathen;

Es waren um Dich alle Wachen bestochen

Und stießen Dich nieder, als Feinde Dir nahten:

Selbst jetzt läßt der Anblick mein Herz rascher pochen.«

»So werde ich alle Ägypter entlassen

Und Fremde zu Wachen und Anstiftern wählen,

So mag denn die Gluth gleich ganz Theben erfassen,[173]

Und niemand sich feig aus der Feuersbrunst stehlen.«

Den Worten des Königs wirft Ti sich entgegen

Und schreit: »Warum willst Du die Hauptstadt verbrennen?

Wie kannst Du so ruchlose Lauerwuth hegen,

Wie wagst Dus, den grausamen Plan zu bekennen?

Wozu blindlings dreinhaun und Feuer anlegen,

Warum nicht den Freund erst vom Erbfeinde trennen?

Du dürftest mich nimmermehr, Mutter mein, nennen,

Vermöchtest Dus nochmals den Brand zu erwägen!«

»Ein großes Bewußtsein ersetzt tausend Theben,

Denn Ra wirkt im Hirne, gewaltsam und herrisch,

Er muß sich aus Kampf und Krampf ewig ergeben,

Drum ist solch ein Wahnwitzbrand fürwahr nicht närrisch.«

Kaum sagt das der König, so spricht Ti entschlossen:

»Ich kann Deinen Worten wahrhaftig nicht trauen,

Ins Schloß, wo Du einst meinem Schooße entsprossen,

Begeb ich mich jetzt, ohne Zaudern und Grauen,

Inmitten von Theben, vom Feind eingeschlossen,

Erwart ich mein Schicksal, umgeben von Frauen.

Ich hoffe, Ihr habt Eure Pfeile verschossen,

Ich will, daß die Bauern den Usgau bebauen,

Von Bränden, von Possen, erzähl Zechgenossen!«

Allein zu sich selbst sagt nun grimmig Chuenaten:

Gott selbst ist der Sünder, die Schöpfung die Sünde,

Drum darf ich das Weib, nicht sie mich verrathen,

So brenne denn Mutter: ich wüthe, entzünde!

Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 2, München; Leipzig 1910, S. 170-174.
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