[Unfaßbar viel Volk ist nach Theben gekommen]

[163] Unfaßbar viel Volk ist nach Theben gekommen,

Und immer noch folgen sich Schiffe auf Schiffe:

Da kommen schon wieder Nilflotten geschwommen!

Gar viele umschifften gefährliche Riffe:

Zumal die den Weg durch die Schnellen genommen,

Sind fix und verstehn sich auf Nilschifffahrtskniffe!

Verankerte, heimische Barken entladen

Die nächtlich erbeuteten Austern und Fische:

Gar sorgsam entklaubt man von jäglichem Faden

Des Netzes die Thiere, daß keines entwische;

Und nah, am Gestade, lustwandeln und baden

Thebaner, erquickt durch die silberne Frische.

Jetzt nähern sich ringsum die Segler dem Strande,

Verschiedene bringen aus Punt Spezereien.

Die Händler erscheinen im besten Gewande,

Um sich und der Waare den Glanz zu verleihen:

Das hebt ganz natürlich die Freude am Tande,

Und gleich fängt man an, Werth und Preis auszuschreien.

Die Mannschaften klettern und reffen und raffen,

Mit Hast, doch im Takt, daß die Kraft nicht erlahme.

Fast würdevoll sitzen hingegen die Affen

Mit vagen Besitzerbegriffen im Krame

Und lassen sich gerne vom Haufen begaffen,

Und einer begrinst eine alternde Dame.


Die Frauen aus Punt sind rundputzig und tragen

Nur kurze, durchsichtige Kleider wie Glocken,

Begehrliche Männer, mit schlechtem Betragen,

Beginnen sie drum, halb zum Spaß, zu umhocken;

Behindert, beleidigt, vertheidigen, schlagen

Sich manche und andere entkommen erschrocken!

Die Krämer aus Charu, auf hohen Kameelen,[164]

Belustigt das Schätzen und bloße Betrachten

Der Menschen und Sachen zum kaufen und stehlen;

Und manche, die lange nach Sinneslust schmachten,

Spazieren bereits ihre lüsternen Seelen,

Wo Gaukler und Weiber berauscht übernachten.


Vertheilt und versprengt, fast verloren, gerathen

Doch schließlich die meisten zum Platze des Festes,

Zur Feier der eben geweihten Kastraten.

Ganz Theben strebt hin und kein einziger verläßt es,

Denn dort sieht man Narren und Tanzakrobaten,

Und stets giebt ein Fest, wo auch Blut fließt, sein Bestes!

Chuenaten begrüßt nun sein Volk vom Balkone

Des Schlosses und spendet sein Gold den Getreuen

Des Ra; er zeigt sich den Städtern zum Lohne,

Weil diese nicht länger die Götzenmacht scheuen.

Selbst Hörige, Sklaven befreit er von Frohne,

Wenn diese sein Herz, durch den RaKult, erfreuen.

Der König, vom Weib und den Töchtern umgeben,

Denn sieben hat jene Chuenaten geboren,

Hat Ai und sein Weib, für ihr Günstlingsbestreben,

Statt Priestern des Amon, zur Huldigung erkoren:

Und diese versprechen stets eifrig zu leben

Und haben Chuenaten RaTreue geschworen.


Des RaTempels Diener umtanzen, umspringen,

Mit Trommeln und Flöten, den König zum Danke

Für alles was Ai und sein Weib schon empfingen;

Chuenaten hat fast die gebräuchliche Schranke

Und Ferne, die Königsgesetze bedingen,

Verwunden, denn einzig gilt jetzt der Gedanke!

Des Ai beste Schreiber und Zeichner erscheinen,

Bereit, das Ereigniß sofort zu vermerken;[165]

Gemalt und gemeißelt, auf Rollen und Steinen,

Bewahr es die Nachricht von heilsamen Werken,

Von Tugenden, die sich im König vereinen,

Von Strahlen des Ra, die ihn anstachelnd stärken!


»Nun seht,« spricht Chuenaten: »ich fühle die Hände,

Die tief aus dem RaAll mein Inneres ergreifen;

Empfangt drum beherzt jede fürstliche Spende,

Denn ewig läßt Ra seine Tagessaat reifen:

Sein Reichthum ist alles, was anfängt sein Ende,

Drum spür ich sein Wollen zu Gold sich versteifen!

Nehmt hin: ich verschenke das Gut meiner Väter,

Empfangt auch das Geld jener feindlichen Lenker

Des Staates, der schamlosen Amonanbeter!

Ich selbst bin der eifrige RaStaatseinrenker

Und wüthe bewußt gegen alle Verräther:

Ja, wer nicht gehorcht, der verfällt meinem Henker!

So seht doch den Himmel und seht jene Streifen

Von Nebeln, die weit ihn und stillernst bedecken;

Um milde den heutigen Tag zu durchschweifen,

Gebar sie das Licht, und nun will sichs verstecken;

Doch bald wird es wieder durchs Schleierbrett greifen,

Als wollte es stündlich sein Dasein erwecken:

Doch dann sollt Ihr betend zum RaBall Euch wenden,

Damit er Euch, perlend und funkelnd wie Sterne,

Aus Wolken erblühend, erschaun kann und blenden.

Ihr Männer Ägyptens, Ihr Söhne der Ferne,

Dann beugt Eure Kniee und steht mit den Händen,

Und liebt Licht und Wärme, verehrt sie auch gerne!«

Es hat kaum Chuenaten die Worte gesprochen,

So strahlt schon der RaBall hervor aus den Schleiern,

Und stolz fühlt der König sein hohes Herz pochen,[166]

Dann jetzt wird auch Theben die RaAllmacht feiern.

Schon kommt auf den Knieen die Menge gekrochen

Und schrill schallt der Schrei aller RaProphezeiher,

Die überekstatisch das RaReich verheißen.

Der König erscheint nun, von Gold übergossen,

Am hohen Balkone; denn Lichtbündel gleißen,

Hernieder auf ihn, auf sein Weib, auf die Sprossen

Des Hauses, die lieblich und zart sich befleißen,

Zu schenken, was scheinbar vom Himmel geflossen.

Es schreit nun die Menge: »Du, großer Chuenaten,

Unendlich wie Ra sind fürwahr Deine Thaten,

Du bautest die prachtvolle RaStadt Chutaten

Und schütztest die Tempel mit tapfern Soldaten,

Du sandtest dann Fürsten, mit Friedensmandaten

Nach Theben, zur Warnung der Stadtpotentaten,

Und siehe, sie kehrten mit Rathreferaten

Von Amon bekehrt und als Ras Renegaten

Zurück in die Stadt, die sie schamlos verrathen.

Du straftest sogleich alle KaApostaten

Und nahtest dann selbst Deinen Aufrührerstaaten.

Rasch schlugst Du die Heere von Amons Prälaten

Und bist, laut Beschlüssen und Friedenstraktaten,

Nun Herr und nun hier in der Stadt der rabiaten

Beherrscher des Usgau, in Amons Ornaten.

Wir sehn Deine Kraft an den Kriegsresultaten,

Wir preisen Dein Wesen in Tempelkantaten

Und trachten gehorsamst Dir gleich zu gerathen!«

Die Menschen die solche Gesinnung vertraten

Und jammernd den König um Gunstgaben baten,

Begannen in Ras Krampfgewalt zu gerathen

Und heulten orgiastisch: »Chuenaten, Chuenaten,

Nun laß uns dem Sumpf der Eunuchen entwaten![167]

Chuenaten, Chuenaten, ersetz die Kastraten

Durch Mönche mit Lustobgewaltsurrogaten;

Verriegle die Weiber allein in Kemnaten

Und schaff einen Orden mit Razölibaten

Und wahr uns vor fremden Geschlechtsattentaten.

Oh bilde die Sekte! Und Uraggegraten

Sind alle Ägypter, oh König Chuenaten!«


Nun bringen auf einmal fanatische Frauen

Die Kindlein herbei, sie dem Könige zu zeigen,

Und lassen Chuenaten, erfüllt von Vertrauen,

Indem sie sich tief vor dem Throne verneigen,

Die Säuglinge, die sie geboren, beschauen:

Und Graun packt den König, und nun folgt ein Schweigen!

Mit Riemen verschnürt sind die kindlichen Leiber,

Die Köpfe beschwert, um sie ganz abzuflachen,

Denn längst schon begannen die Zeichner und Schreiber,

Beim Bilden, ganz schroff, jede Stirn abzudachen:

Denn so ist der König und, sieh, auch die Weiber

Versuchen es Schreibern, in Fleisch, nachzumachen!

Der Priester des Amon benützt nun das Schweigen

Und ruft, von geharnischten Kriegern umgeben:

»Dein Aarprofil, König, ist garstig und eigen

Und sagt nur, Chuenaten ist überverwegen:

Er wird sich zu maßloser Dreistheit versteigen,

Ganz schonungslos handeln und nichts überlegen.

Gar schlaff ist Dein Fleisch, schlanker König Chuenaten,

Gar zart bist Du wahrlich, Du Mann Du, gerathen!

Doch sag, warum schreist Du in Mannschaftstraktaten,

Daß Du Mann, nur Mann bist, mit Ras Mannmandaten:

Fürwahr Du bewährst Deine Kraft durch Soldaten,

Die alles zerstampfen, so Städte wie Saaten![168]

Für Dich sind die Menschen umsonst und zuwider,

Drum schlachtest Du alles im RaÜbermuthe,

Und liegen auch Städte und Strecken darnieder,

Was thut es, zum Schluß liebst Du nur Deine Stute.

Nichts freut Dich als Reiten und Stärken der Glieder;

Ja, sicherlich steckt Dir der Hyksos im Blute!

Du plünderst die Grüfte, verweigerst die Gräber!

Du bringst selbst Amenti in Angst und Erregung!

Du bist nicht Osiris, Du schändlicher Streber!

Du giebst keiner Mumie die erste Bewegung!

Du bist nur ein diebischer Würdenvergeber

Und sorgst, statt für Todten für Pferdeverpflegung!

Du glaubst an ein urfreies leibloses Leben

Und willst Ku von Nivu und Ba gar entlösen,

Doch Blut ist die Seele und eitel Dein Streben,

Drum schone das Blut, mit bewußtreligiösen

Gefühlen der Achtung, dem Ewigen ergeben:

Nichts Tieferes giebt es in Leichengekrösen!

Doch laß alle Buße, Dir hilft kein Spruchsprudeln,

Zu spät ist es heute, Dein Blut ist verloren,

Es mag Dick Dein RaTroß, die Aischaar lobhulden!

Von Amon verdammt, wirst Du nimmer geboren;

Nun zähl Deine Freunde: in Ras Aufruhrrudeln

Hat mancher RaSchwärmer sich treulos verschworen!«

Jetzt naht von gewaltigen Massen umgeben,

Fast athemlos, Amons Gesandter Chuenaten

Und ruft: »Du Verwegener, nun sollst Du erbeben,

Verzucke, gefällt durch die eigenen Thaten

Und ohne, daß andere den Leib Dir verkleben,

Zum Nichtsein verflucht, von Soldaten verrathen,

Verdirb auf dem Felde, den Geiern zur Beute!

Nichts bleibe mehr aufrecht von Ras Machtdiktaten,[169]

Aufflamme das Gold aller habsüchtigen Leute,

Die Gaben und Almosen schalkhaft erbaten:

Die Gluth ihres Gutes verzehre noch heute

Die RaSchaar im Nilthal, samt allen Piraten.«

Nun stürmen sich wüthend zwei Haufen entgegen:

Der König entreißt einem Bauern die Hacke

Und bricht sich gewaltsam, ganz tollkühn, verwegen

Ein Gleis, – trotz des Anpralls vom schwankenden Packe,–

Jetzt vor, bis zu Amon und stürzt ihn mit Schlagen

Der Axt und schreit: »Alpklotz zerstückle, zerknacke!«

Nun sieht er sich strahlend der Menge entragen

Und spottet, zum Priester des Amon gewendet:

»Nun kannst Du, vermagst Dus, den RaBall zerschlagen,

Denn Amon liegt da, von Chuenaten geschändet;

Ich mußte fürwahr nicht aus Zartheit verzagen,

Du rufe Dein Amen, mein Werk ist vollendet!«

Es dringt jetzt ein schreckliches Fremdengezeter,

Vermischt mit Gewimmer erstickender Kinder,

Hervor aus den Reihen lautschreiender Beter:

Auch kreischen die Weiber und Priester nicht minder,

Doch plötzlich schweigt alles, nun heißt es: »Dort geht er!«

Und bleich weicht das Volk vor dem Gottüberwinder.

Nun ruft man fanatisch; »Chuenaten, Chuenaten,

Wir sind es, die stets Deine RaRraft bejahten,

Du gabst uns Beweise, mit wahrhaft probaten

Gewaltakten, die ja Ras Allmacht verrathen!«

Und Männer aus Charu und andern Fremdstaaten

Bewundern besonders die That von Chuenaten.

Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 2, München; Leipzig 1910, S. 163-170.
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