[Theben ist eben dem Leben ergeben!]

[129] Theben ist eben dem Leben ergeben!

Wohl hör ich sein Brausen, doch fehlt mir das Auge,

Mich vollauf mit all seinem Rausch zu verweben.


Ein Traum, der mich würgt, dem ich Sphynxmilch entsauge,

Verscheucht sich in Wirbeln und bannt mich doch mächtig:

Da fühle ich Ekel vor dampfender Lauge.


Doch die brodelt weiter, dickqualmig, albträchtig:

Dann weckt mich mein Erdhang beim Schlafen urplötzlich,

Der Traum setzt mich selbst nun ans Land, zartbedächtig.
[129]

Und was nun geschah schien mir leibhaft ergötzlich:

Das Wasser durchwateten schwankende Massen,

Der Könige hörige Völker, die göttlich, gesetzlich


Der Herrscher Ägyptens berief, um jetzt vielfach zu prassen.

Sie kamen durchs Wasser, sich vorerst zu waschen,

Dann hallte ihr Schritt durch gepflasterte Gassen.


Es sollte der Nahenden Zahl durch das Rascheln bereits überraschen.

Der lüsterne Fürst aber harrte allein im Terrassenpalaste

Und suchte des Anblicks Gewalt, voll Wollustgeschmack, zu erhaschen.


Es staute sich Anzahl auf Anzahl, daß nimmer der Volksanprall raste.

Wie glitzernden Gürteln entschmiegt, entwimmelten viele dem Nile,

Doch andere torkelten nach, im mondblau besprengten Moraste.


Noch weitere kamen von fern, herwandernd zum heiligem Ziele,

Zu Amon, dem machtvollen Gott! Sie brachten ihm allerhand Gaben,

Daß keiner die göttliche Gunst, die Huld seines Herrschers, verspiele!


Es hatten die Wandrer im Nile fast alle ein ernstes Gehaben,

Sie schwammen und wateten leicht, als hatten sie flimmernde Flossen:

Dann kamen sie nackt und ganz naß an das Land aus dem marschigen Graben.


Da wurden auch Wasser und Schaum zu Schemen von Menschen und Rossen,

Auch diese erstiegen den Strand, mit silbernen Rümpfen und Greifern.

Doch kaum kam das Schauspiel zu Stande, war rasch auch sein Zauber zerflossen.


Doch folgten sich Troß über Troß, für Amon die Gottheit zu eifern.

Dann hatte der König den Tod der pilgernden Schaaren beschlossen.

Drum zerrten ihn Löwen herbei, umgeben von Huren und Pfeifern.
[130]

Es stürzten die Bestien sich wild, voll Grimm, auf die frommen Genossen,

Sie sprengten dem Herrscher ein Gleis, zerrissen die Menschen am Wege,

Und haben das Blut und das Fleisch, der König den Anblick genossen!


Und immer noch walzte der Nil die Massen gewaltig und träge

Ans Land, wo zu Kurzweil und Spiel, die Katzen den Haufen durchrannten;

Doch starr blieb des Königs Profil, als ob er sich gar nicht errege.


Dann plötzlich enttauchten der Nacht, dem Dunkel, die Staatselephanten.

Die stampften die Büßer zu Tod, erwürgten sie rasch mit dem Rüssel

Und schleuderten wild aus der Nahe des Fürsten die niedern Passanten.


Dann reichte der König voll Huld dem Kanzler des Festraumes Schlüssel.


Wohl freit ich ein Kind,

Urjung wie die Nacht,

Bevor sie erwacht

Und des Tags sich besinnt.


»Sei heut meine Braut!«

So flüstert ich kaum:

Da hat sie im Traum

Mein Wesen durchschaut.


Sie blickte mich an,

So düster und süß,

Dann sprach sie: »Ich grüß

Dich minniger Mann.«


Sie folgte mir treu,

Mit traurigem Blick:

Es war ihr Geschick,

Daß ihr Leib mich erfreu.
[131]

Es sangen Gespielinnen lieblich beim Reigen:

»Ergieb Dich Du herrlichste Freundin und Schwester,

Bezaubre den Fremdling und sei ihm zu eigen,

Daß nie seine Zunge Niltöchter verläßter.


Dein Wesen umschmiege den Stolz seiner Seele,

Er gleiche der Palme, umrankt von Lianen,

Ihr mögt Euch umklammern, durchschauern, vermählen,

Bis goldene Stunden zum Aufbruche mahnen.


Wir Mädchen zerknicken, vom Manne gebrochen,

Sobald wir das Übel des Glückes genossen:

Wir gleichen dem Lothos, der endlose Wochen

Geduldig erkeimt, ohne Knospen und Sprossen.


Wir ähneln Agaven, die wuchern und wuchten,

Die knorpliche Blätter entknollen, entrollen,

Beinah brunstentwurzelt, ihr Fleisch zu entfruchten:

Und Pollen der Schollen dem Sonngolde zollen.


Der Aloë gleicht unser traumhaftes Wesen:

Der Pflanze, der einmal Lichtfieber erblühen,

Um kurz nur, des Nachts, ihrer Brunst zu genesen,

Der rauschrasch und brausstark Blühlüste entbrühen.


Es gleicht unsere Liebe der Luftlust am Dufte,

Der Urlust des Duftes, mit Winden zu spielen,

Es ist, als ob rasch jedes Blühglück zerpuffte,

Als ob Jungfraureize, erfreit, gleich zerfielen.«


»Wie die Blume nach der Blüthe,

Sehnt die Jungfrau sich nach Liebe;[132]

Wacht, daß sie ein Glück behüte,

Das dann rasch als Lust zerstiebe.


Jüngling, hör, ich bin die Blume,

Die in einer Nacht verschmachtet,

Die, vom tiefsten Eigenthume,

Alles zu verschenken trachtet.


Jüngling, glaubs, ich bin Dein eigen,

Geist und Leib will ich Dir geben,

Will mich freun, erbeben, schweigen,

Lust und Seelenglück verweben.


Komm, oh komm, mit raschen Schritten,

Nur aus Liebe bangt der Seele:

Laß sie nimmer zaghaft bitten,

Daß der Leib sich traut vermähle.


Trag mich, über Marmorstufen,

Zu des Brautgemaches Thore!«

Also hat die Maid gerufen

Und dann sang sie mit dem Chore:


»Mondlicht weckt die Zauberstille, Priesterin im Heiligthume,

Das ein frommer Weltenwille bildet ohne Thun und Lärmen:

Schweigsam, schuldlos, jungverwundert blüht am Nil die Lothosblume

Und sie fühlt ihr zartes Träumen sacht zur Sternennacht entschwärmen.


Jungfrau, laß, wenn Freudenschäume perlend Deinen Leib erwärmen,

Nur behutsam, lustversunken, seinen Mund am Busen zittern.

Hast Du Nacktheit ihm gegeben, laß ihn tiefstes Fieber wittern,

Niemals mag nach Unerwühltem er sich ruhelüstern härmen.
[133]

Jungfrau, hell wie eine Woge, wie der Thon der schlanken Vasen,

Hefte Lothos in die Flechten, in die dunklen Lockenhaare:

Wieg ihn, voller Leibeswollust, durch die kühnsten Glückekstasen,

Daß sich wild, in Schauernächten, alle Schönheit offenbare.


Streu die Perlen, streu sie schimmerend auf das Lager, auf die Kissen,

Laß die Stille in den Räumen, tief im dunklen Brautgemache,

Ihre Zauber schwer verträumen: ach, vergiß, um nichts zu missen!

Sink, versink in Schmerzbegehren, fühl des Lustempfundenen Brache.«


Brust an Brust in Lust versunken,

Halt ich Dich mit warmem Arm:

Meiner Glücksgefühle trunken,

Schenk mir Deinen Fieberschwarm.


Denn der Seele Wollustfunken,

Übersprühn als Irrlichttanz

Der Pupillen dunkles Prunken,

Grüner als ein Iriskranz.


Deine Träume mag ich haben.

Deine Nacht! Dein Sternenreich!

Schätze will ich wild ergraben,

Sinken in den tiefsten Teich.


Schrecklich muß ich mich beglücken.

Weib, Du meine schönste Nacht!

Schmerzen, Lüste, die entzücken,

Alle, alle sind erwacht.


Sternennächte, groß im Raume,

Hab ich oft in mir verträumt:[134]

Himmel doch im Zeitenzaume,

Die kein Weltenende säumt,


Kannst nur Du, mein Weib, mir schenken!

Sterne funkeln würdig auf,

Rhythmen, die Geschicke lenken,

Kreuzen sich im Feuerlauf.


Dichte Augenzwinkerhaufen,

Bilder träum ich wüst und leer,

Schnuppen fühl ich niedertraufen,

Ewig glüht das Flammenmeer.


Sterne, Sterne sprüht die Seele.

Jetzt ists ein Brillantenschweif!

Plötzlich bleiche Mondjuwele,

Dann ein rother Flackerreif.


Ziellos ziehn die Sternenwelten,

Strahlend wie ein Glücksgefühl,

Friedlich unter Zeitenzelten,

Als verknüpftes Lustgewühl.


Sterne, Sterne, will ich haben.

Ewig daure das Gesicht!

Reich, oh Nacht, bist Du an Gaben.

Weib, versagst Du? willst Du nicht?


Nein Du spendest unermüdlich,

Nur ich selbst bin satt und müd,

Unerschöpflich, übersüdlich,

Bist Du, Jungfrau, lustdurchglüht.
[135]

Wüthe nicht, ich kanns nicht fasten!

Ewigkeit hab ich gewollt:

Großes laß ich Dich verprassen,

Sternengold das todt verrollt!


Was ich kann, muß ich entpressen,

Riesenweib, Du unterliegst:

Gelbe Schmerzenssternenessen

Spenden Lust, bis Du versiegst.


Dies sind meine Schicksalleuchten,

Dies der tiefste Unheilsblitz,

Angstschweiß, Sphynx, soll Dich befeuchten,

Sieh, schon klafft ein rother Ritz.


Hah, nun hab ich mein Geheimniß!

Bluthkorallen tropft im Takt!

Nichts bereu ich, als Versäumnis,

Ich bin Ich, Barbar und nackt.


Es schweigt der Silbersichelsee.

Drin blitzt das Licht der Himmelsbilder.

Nur Krieger flüstern in der Näh:

Im Mondlicht blinken ihre Schilder.


Sie spielen wohl die ganze Nacht.

Du hörst sie oftmals hellauf lachen.

Wohl keiner denkt an eine Schlacht,

Und einsam wandeln bloß die Wachen.


Die Erde, die zum Himmel gähnt,

Verlangt jetzt Lusterreger:[136]

Die Kriegerschaar, die sie ersehnt,

Verstümmelt die gefangenen Neger.


Sie peitscht die Opfer rings herbei:

Wer bockt, wird gleich zu Tod gesäbelt.

Es liebt der Mensch den Marterschrei,

Drum wird, was leiden soll, entknebelt!


Als Werkzeug dient ein Riesenpflug,

Der kann auch Fleisch zerreiben:

Der schneidet jetzt, auf einen Zug,

Zehn Leiber durch, mit scharfen Scheiben.


Der Pharao, im Festsaal, läßt

Die liebsten Sklavinnen erwürgen;

Des Schergen Finger, der sie preßt,

Muß für die nächste Marter bürgen.


Die ganze Hand wird abgehackt,

Dem Henker bleiben blutige Stummeln.

Drob lachen Weiber, jung und nackt,

Die schäckernd ihn, im Takt, umtummeln.


Im Saale wird nun aufgetischt,

Wo lüstern leckre Paare zechen!

Doch Gift ward ins Gericht gemischt,

Und einige siehst Du schon erbrechen.


Erschrocken fahren andere auf

Und fangen an hinauszurasen,

Doch packen Krämpfe sie im Laus

Und Blut entsickert ihren Nasen.


Und rings, im Festraum hingestreckt,

Verröcheln jetzt die Königsgäste,[137]

Dann kommen Söldner, blutbefleckt,

Und bringen johlend Menschenreste.


Geschultert werden Bein und Arm,

Rumpftrümmer, die noch immer triefen,

Dann folgt ein dichter Fliegenschwarm,

Und finster wirds in Schwindeltiefen.

Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 2, München; Leipzig 1910, S. 129-138.
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