[Also weichen]

[210] Also weichen

Vnd verbleichen

Meine gutten Freunde mir,

Diese wandern

Nach den andern

Vnd verlassen mich alhier,

Auch Herr Blum eilt jhnen nach

In sein liebes Grab-Gemach.


Such' ich newe

Die in Trewe

Mir verpflichtet köntten seyn,

Eh ich finde,

Sie ergründe,

Zehnmal geh' ich drüber ein.

Freund' und alte Müntze sind

Sachen die man selten findt.


Nein ich werde

In die Erde

Auch nach wenig Zeit gethan,

Die Geschäffte

Meiner Kräffte

Sagen mir es stündlich an.

Liebste Schatten, frewet euch,

Ich komm' auch in ewer Reich.


Die im Leben

Mich umbgeben

Sind im Tod auch vngetrant.

Alle Seelen

In den Hölen

Sollen rühmen unser Bandt.

Vnterdessen macht mir dort

Raum an einem gutten Ort.


Was von Sachen

Köntte machen

Daß man gern lang leben woltt'?

Jede Kammer

Heget Jammer.

Güldner Trug und trieglich Goldt,

Vnmuth, Angst, betrübter Fall

Herschen hie nur überall.


Welcher siehet

Was geschiehet

Alles Schrecken, alle Noht,

Vnd nicht Schmertzen

Fühlt im Hertzen

Ist vor seinem Tode todt.

O der That die ich gesehn

Gestern unverhofft geschehn.


Kommt von Sinnen,

Kunst-Göttinnen,

Schlagt die Brüst' ohn untterlaß,

Ewer Orden

Hegt nun morden,

Ist von Blut für Tinten naß.

Sathan hat gewonnen Spiel,

Vbt jetzt mang Euch was er wil.


Gleich wie ein Reiß vom Baum gebrochen,

Ein Lamm, das frisch ist abgestochen

Vnd noch in seinem Blute liegt,

So war der junge Mensch zu schawen,

Sein Haupt und Brust war Blut und Grawen,

Sein' Augen durch die Nacht besiegt.


Es hat der reiche Strom die Mümmel

Ihn wol zu balgen und Getümmel

Nicht her nach Königsberg geschickt,

Er soltt' hie Zucht vnd Weißheit fassen,

Vnd mus sein junges Leben lassen,

Ein Stein ist wer hierüber nicht erschrickt.
[211]

Dieß alles vnd dergleichen

Davor man möcht erbleichen,

Kränckt euch, jhr Schatten, nicht,

Ihr schwebt in Fried und Wonne,

Scheint Euch nicht unsre Sonne,

So kennt jhr ander liecht.


Ihr liebt die alten Flammen

Die Euch alhie zusammen

In Freundschafft kuntten ziehn,

Vnd singet Gott zu ehren,

Für allen sind zu hören

Stobeus, Roberthin.


Auch Blum ist nicht der letzte

Der hie uns offt ergetzte

Durch seiner Stimmen Klangk.

Der Schlosplatz must' erschellen

Wenn er in der Capellen

So hell vnd lieblich sangk.


Er hat nun alles wieder,

Kein Schlag lähmt jhm die Glieder,

Ihn rewet nicht der Noht

Die durch der Kranckheit Kette

Zwey Jahr jhn auff dem Bette

Gehalten wie für todt.


Wol Ihm, wol allen denen

Die sich nach Christo sehnen

Aus dieser Qual und Pein.

Wol mir auch, wenn ich werde

Bald Asche, Staub vnd Erde

Dorthin versamlet seyn.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 3, Halle a.d.S. 1937, S. 210-212.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Pascal, Blaise

Gedanken über die Religion

Gedanken über die Religion

Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.

246 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon