Hieronymus von Weinbeer und Catharina Pantzer

[102] 9. Sept. 1641.


Kan ich meinen Sinn auch lencken,

Daß er nicht sol danckbar seyn?

Sol der Wolthat nicht gedencken,

Die mich euch verpflichtet? nein!

Nein, Herr Pantzer, ewre Güte

Steigt zu sehr mir zu Gemüte.


O wie wol hab' ich genossen

Ewrer schönen Officin!

Herr, auß jhr ist Krafft geflossen

Vber meinen Leib vnd Sinn,

Als die Aertzte mir zu leben

Schlechte Hoffnung wolten geben,


Als ich gutte Nacht zu sagen

Mond' vnd Sonnen nur vermeint',

Als man anhub mich zu klagen

Vnd Apollo mich beweint',

Als der Todt mit wildem Schmertzen

Feindlich eingrieff meinem Hertzen.


Das, wodurch ich bin genesen,

Hat mir ewre Kunst gewehrt,

Die so gütig doch gewesen

Daß sie nichts dafür begehrt,

Ohn daß ich, dafern ich wolte,

Dieses Braut-Lied schreiben solte.


Nun ich nehm' auch schon den Bogen,

Meine Seiten klingen rein,

Sind in solchen Thon gezogen,

Der nicht kan, als lieblich, seyn.

Erato für allen Dingen

Suchet mit mir einzusingen.


Herr, Ihr solt von mir erwarten,

Weil ich lebe, Danck vnd Preiß,

Der ich denen, die Gelarten

Hold sind, wol zu lohnen weiß,

Nicht mit Golde, sondern Sachen,

Die der Schätz' vnd Güter lachen.


Verße können auch was gelten,

Sind sie geist-reich nur gesetzt,

Wil man hie gleich auff sie schelten,

Sie nicht sonders gültig schätzt

Vnd gedencket, der Poeten

Sey jetzt nicht so sehr vonnöthen.


Jener Keyser hatt' erlesen

Ihm den Venusiner-Schwan,

Der sich durch kein ander Wesen

Als durch Verße kunt gethan,

Daß auch Er durch jhn auff Erden

Nur berühmet möchte werden.
[102]

Zwar für Durst vnd Hunger dienen

Die berühmten Lieder nicht,

Nicht für Hitz vnd Kältt', ob jhnen

Darumb aller Nutz gebricht?

Kan an jhren schönen Weisen

Sich nicht Hertz vnd Seele speisen?


Nicht zusagen, daß sie kriegen

Wieder die Gewalt der Zeit,

Alle Todes Macht besiegen,

Daß sie der Vergessenheit,

Vnser Thun mit Nacht vnd Schatten

Zu bedecken, nicht gestatten.


Sie verweisen aus der Seelen

Die verfluchte Sorgen-Rott',

Heben, noch in diesen Hölen,

Gott in vns vnd vns in Gott,

Daß wir dort der Himmels-Gaben

Hie schon einen Vorschmack haben.


Was kan mehr das Hertz erquicken?

Bringen grössern Trost vns bey?

Mehr den Geist hinauff verschicken,

Da er stets wie Bürger sey?

Mehr durchgehn des Hertzens Pforte

Als ein Klang gereimter Worte?


Keiner starcken Schleusen Fälle

Können so gewaltsam seyn,

Vnd kein Sturm bricht so durch Wälle,

So durch Thör' vnd Mawren ein,

Als vns weise Lieder zähmen,

Vnd den Sinn gefangen nehmen.


Ihr mein Freund, Herr Pantzer, habet,

Wie ich merck', es wol erkandt,

Darumb hat mich auch begabet

Ewre dießfals-freye Handt,

Der dieß Lied vielleicht gedencket,

Sind wir längst schon eingesencket.


Herr, ich kan versichert bleiben,

Vnd mein Hertz sagt mir es zu,

Vnser wird noch was bekleiben,

Gehn wir zehnmahl gleich zur Rhue,

Ja das beste, so wir haben,

Bleibt nach vns wol vnbegraben.


Drumb wol auff! mit dem Bescheide

Lasst vns trutzen Haß vnd Neidt,

Lasset vns in Lieb' vnd Leide

Recht gebrauchen aller Zeit,

Die auff stetem Wechsel stehet,

Frölich kömpt, betrübt vergehet.


Weil ich bin im Trawer-Stande,

Komm ich auff die Hochzeit nicht,

Da in süssem Liebes-Bande

Ewre Tochter sich verspricht

Herren Weinbeer, dessen Sitten

Längst schon ihren Sinn bestritten.


Mein Gebeht sol aber kommen,

Sol sich dringen mitten ein,

Daß da, wo es Platz genommen,

Gott auch sol zugegen seyn,

Sol mit Glück vnd reichem Segen

Braut vnd Bräutigam belegen.


Was nun weiter aller massen

Frewd vnd Lust erwecken kan,

Sey euch sämptlich frey gelassen;

Greifft euch aber selbst auch an,

Lasst in feinen schmahlen Zügen

Was der Nüchtern Gräntz-Mahl liegen.


Zürnt, da einen möchte dürsten,

Seyt der Mässigheit Gefähr,

Die Gesundheit vnsers Fürsten

Gehe sonderlich vmbher,

Vnsers Haupts, daß dieser Zeiten

Wir auff Warßaw hin begleiten.
[103]

Zwar mit Wunsch vnd trewen Sinnen,

Weil der Leib nicht mit kan ziehn,

Gott brech auff mit Ihm von hinnen,

Sein Geleits-Volck sey vmb jhn,

Daß wir kürtzlich aus Verlangen,

Vnsern Hertzog, Ihn empfangen!


Aber Ihr nun, welcher Hertzen

In sich fest veranckert stehn,

Braut vnd Bräutgam, seht die Kertzen

Sampt den Kindern vor euch gehn!

Folgt, Ihr solt in Liebes Sachen

Jetzt den letzten Anfang machen.


Ihr Herr Bräutgam, seyt verwegen!

Zieht zum Harnisch Künheit an,

Wolt jhr nicht? mit blossem Degen

Wehrt jhr hie nicht ewren Mann,

Seht jhr nicht Penthesileen

Gantz gepantzert vor euch stehen?


Außgeübte Zucht vnd Tugend,

Ist der Pantzer, den sie führt:

Nehmt jhn jhr durch kühne Jugend,

Sonst verwett' ich, Ihr verliert.

Vnd Ihr, Jungfraw, wollt jhr streiten,

Werfft den Pantzer auff die Seiten.


Furcht, Schamhafftigheit vnd Grawen

Sind im Liebes-Streit nicht gut,

Ihr könnt ewren Kräfften trawen,

Fasset euch nur frischen Muth,

Amor siehet selbst zum rechten,

Daß jhr sieghafft werdet fechten.

Quelle:
Simon Dach: Gedichte, Band 1, Halle a.d.S. 1936, S. 102-104.
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