Lied Ralfs vom Rhein

[521] Kalt ist die Märznacht, schwarz und still: –

Das Eis der Nogat kracht: –

Der Sumpfwolf heult – der Nord pfeift schrill –

Ich steh' auf böser Wacht!


Zehn Knappen sind mein ganzes Heer, –

Mein schmales Reich ein Turm –

Auf Tage weit kein Freundes Speer –

Rings Frost und Haß und Sturm!


Fremd sind und feindlich Meer und Strand –

Kein herzvertrauter Stern: – – –

O Rheingau, du mein Heimatland,

Wie fern bist du – wie fern!
[521]

Jetzt zieht der Lenz in lauer Nacht

Leis durch dein Rebland all',

Der Weißdorn blüht und bald mit Macht

Schlägt dort die Nachtigall.


O Kaiserpfalz im Efeugrün! – –

Welch' falsch Gemerk man trug! – –

Die Minne war wohl allzu kühn,

Die mich so weit verschlug! –


Das schwarze Kreuz, ich nahm es still

Auf weißem Sturmgewand: –

Wer fern, wer einsam sterben will –

Der zieht gen Preußenland! –


Dein Los, o Herrin, tausendfalt

Sei Leben, Glanz und Heil:

Mein Los wird doch im Föhrenwald

Zuletzt ein Polenpfeil. – –

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 521-522.
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