Die letzten Ritter von Marienburg

[354] Sie sahen, sie waren verloren, verlassen in Jammer und Not:

Da brachen sie aus den Toren und suchten freudigen Tod.

Ein Greis, ein Mann und ein Knabe, das waren die letzten drei:

Viel Heiden sanken zu Grabe mit gellendem Todesschrei.

»Hie Christus!« in blonden Locken mit dem Banner der Knabe rief,

Bis er spürte den Herzschlag stocken – der Litauerpfeil traf tief.

»Hie Deutschland!« rief der Alte mit dem wallenden Silberhaar,

Bis ihm mit blut'ger Spalte der Helm zerschroten war.

Doch stumm, mit schrecklichem Schweigen, der dritte schreitet durchs Feld:

Das war ein grimmer Reigen: wen er erreicht, der fällt.

Es splittern Pfeil' und Speere an seiner schwarzen Brust:

Er trägt nicht Wappenehre, er zeigt nicht Farbenlust:

Ein schwarzes Schwert er wieget, ihn deckt nicht Helm, nicht Schild,

Um bleiche Wangen flieget sein schwarz Gelock so wild,

Sein dunkles Auge leuchtet, sein Mund bleibt schrecklich stumm,

Die schwarze Brünne feuchtet von Blute sich ringsum. –

Ein Heer hat er erschlagen, das schwarze Schwert ward rot,

Die Heiden fliehen und jagen und kreischen: »Das ist der Tod.«

Und als er geblieben alleine, aufseuzt' er tief und laut:

Dann glitt er am moosigen Steine ins duftende Heidekraut,

Und als verschollen die Hufen, da hat er in Todespein

Noch einen Namen gerufen: – den hörte nur Gott allein.

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 354.
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