Bei der Kriegserklärung Frankreichs

[572] 1.

Und ob zerklüftet und zergliedert

Des deutschen Volkes Herrlichkeit,

So tief ist's, Welscher, nicht erniedert,

Daß es dem Schlag die Wange leiht.

Wohl ging uns Unglück und Betörung,

Ein böser Schatte, lange nach,

Doch nun genug der Selbstzerstörung,

Genug des Zwistes und der Schmach!


Wohl fiel dein kaiserlich Geschmeide,

Germania, dir von Brust und Haupt,

Wohl hat von deinem reichen Kleide

Manch' edel Stück der Feind geraubt,

Wohl hadern rings noch deine Söhne,

Stark ist das Unrecht, schwach das Recht,

Fern von des Friedens heil'ger Schöne,

Schwer ringend schafft noch dies Geschlecht: –


Doch hebt der Erbfeind frech die Hände

Nach unsrer Brüder Wappenschild,

Dann ist der Hader all' zu Ende,

Der Streit im Elternhaus gestillt,[572]

Und Nord und Süd im heil'gen Grimme

Vereint der Ruf der Ehre sie,

Und donnernd tönt's aus Einer Stimme:

»Hie deutsches Schwert und Deutschland hie.«


2.

Das ist kein Krieg um die Chimäre

Von Thronenglanz und Fürstenruhm:

Das ist der Kampf um Deutschlands Ehre

Und jedes deutsche Heiligtum.


Es tritt vor seines Hauses Pforte,

Das frecher Übermut bedroht,

Das deutsche Volk mit zorn'gem Worte

Zum Kampf auf Leben und auf Tod.


Er zwingt das Schwert uns in die Hände:

Wohlan, so sei's nicht mehr gesenkt,

Bis sich das Schicksal ganz vollende,

Dem sich der Feind entgegen drängt.


Auf! Werft den Friedebrecher nieder,

Daß er uns nie mehr schaden kann,

Die edeln Marken nehmt ihm wieder,

Die er in böser Zeit gewann.


Laßt seh'n, ob nicht zum Vaterlande

Das Herz des Elsaß wieder neigt,

Wenn ihr ihm, statt der alten Schande,

Den Spiegel deutscher Ehre zeigt.


Mit Einem Zeichen nur gewinnen

Das alte Reichsland werdet ihr:

Pflanzt auf des freien Straßburg Zinnen

Des neuen deutschen Reichs Panier!

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 572-573.
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