Deutscher Sang

[601] Dem deutschen Volk hat Gott gegeben

Ein Harfenspiel von reichstem Klang,

Daß Ruh'n und Ringen, Tod und Leben

Uns weihend schmücke der Gesang.


So singe denn, du deutsche Jugend,

Von allem, was das Herz dir schwellt:

Von Frauenschöne, Mannestugend,

Von freud'ger Herrlichkeit der Welt:


Von wahrer Liebe ew'ger Dauer,

Von echter Freundschaft Gold und Erz,

Von frommer Ahnung heil'gem Schauer,

Von ew'gen Sehnens Glück und Schmerz:


Von Frühlingsglanz, von Waldeswonne,

Von Wanderlust Land aus, Land ein,

Und von dem Lieblingssohn der Sonne,

– Vergeßt ihn nicht! – vom goldnen Wein.


Ja, singt von allem Hohen, Schönen! –

Doch Eines Sanges pflegt zumeist,

Begeisternd, brausend soll er tönen:

Der Sang vom deutschen Heldengeist!


Das Lied von Mannespflicht und Ehre,

Von Treue, die kein Schrecken zwingt,

Die jauchzend in der Feinde Speere,

Im Tod den Sieg erkämpfend, springt!
[601]

Nur wer da sterben will wie leben

Für dieses Lied, dem keines gleich, –

Nur der ist wert es anzuheben,

Das Lied vom Kaiser und vom Reich!

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 601-602.
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