Gegen Rom

[599] Bezwungen lag die Welt: in eh'rnen Banden

Vom Piktenwall bis an des Indus Strand:

Des Imperators Siegesadler fanden

Für neue Flüge fast nicht Luft noch Land:


Da, aus den dunklen Wäldern unsrer Ahnen,

Kraftbrausend, brach hervor der Völker Strom:

»Die Freiheit gilt's! auf, freudige Germanen,

Schart Stamm zu Stamm, und vorwärts: gegen Rom!« –


Und Rom erlag: – frei ward die Welt, gerettet

Durch deutsche Kraft. – – Doch bald, mit Lug und Trug,

Mit neuen Banden, fester noch gekettet,

Ein neues Rom den Geist in Fesseln schlug:


Da zündete der Mann aus Sachsenstamme

Das Feuer vor dem Wittenberger Dom

Und warf des Papstes Bannbrief in die Flamme

Und laut durch Deutschland scholl's: »Auf, wider Rom!« –


Und Rom erlag. – – Und nun, da wir vollbrachten,

Was nie an Heldenschaft geschaut die Welt,

Da jauchzend wir in zwanzig Siegesschlachten

Das stolze Frankreich in den Staub gefällt:


Da endlich wir der Stämme langes Hadern,

Der Fürsten Neid in Jubelruf erstickt,

Da unser Reich, gefügt auf blut'ge Quadern,

Mit freud'gen Zinnen nach den Sternen blickt: – –
[599]

Nun will der Pfaff im neuen Bau uns meistern,

Schickt Fluch und Zwietracht uns vom Tiberstrom?

Wohl, laßt den alten Schlachtruf euch begeistern:

»Zum Kampf, zum letzten Kampf, auf! gegen Rom!«

Quelle:
Felix Dahn: Gesammelte Werke. Band 5: Gedichte und Balladen, Leipzig 1912, S. 599-600.
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