|
Einmal, in der Sommerfrische,
Stand auf einem Gasthaustische
Schön poliert ein Grammophon,
Dieses hatte Menschenton.
Prächtig schrie sein Blechzylinder.
Solches lockt zuerst die Kinder,
Doch auch Damen ist Geschrei
Nicht so gänzlich Einerlei.
Manche stand mit langem Halse
An dem Trichter und der Walze.
Denn nicht Jeder sieht gleich, wie
Vor sich geht die Melodie.
Keiner glaubt von diesem Dinge,
Daß es Stimmen fertig bringe.
Niemand gar vermutet hätt',
In dem Dinge ein Quartett.
Ist 'ne Nummer abgelaufen,
Darf man sich 'ne andere kaufen.
Und weil es die Walze kann,
Kommt auch ein Tenor daran.
Der Tenor brüllt aus dem Trichter,
Und verzückt sind die Gesichter.
Manche Dam' hätt's gern heraus,
Wie sieht der Tenor wohl aus!
[129]
Und mein Gott, wer hätt's erwartet!
Schicksale sind abgekartet!
Eine Dame – das kommt vor –
Wird besessen vom Tenor.
Ach, er singt so unverfroren
Sich ins Herz ihr und die Ohren.
Aus der Walze, die sich schiebt,
Singt ein Mann, den's nicht mehr gibt.
Ihn, der einst hineingeschrieen,
Möcht' die Dame an sich ziehen;
Und die Dam', mit einem Wort,
Geht nicht mehr vom Trichter fort.
Ach, total tut sie erwarmen,
Möcht' den Trichter fest umarmen.
Endlich kauft sies Grammophon.
Hätt' sie nur was mehr davon!
Aber ich darf's nicht verhehlen,
Sie tat nur die Nachbarn quälen.
Kaum kam der Tenor ins Haus,
Stirbt ein jedes Stockwerk aus.
Und auch sie wär' dran gestorben,
Wärs Gehör nicht erst verdorben.
Jetzt ihr's nicht mehr schaden kann,
Denn sie wurde taub daran.
[130]
Doch weil sie nicht blind, die Tauben,
Schraubt sie weiter an der Schrauben,
Schont auch gar nicht den Tenor,
Bis er seine Stimm' verlor.
Wenn sich auch die Walzen drehen,
Kein Tenor tut mehr entstehen;
Denn das Grammophon, das hat
Endlich mal die Sache satt.
Nur die Dam' ist noch vorhanden.
Und nach Jahren noch, da fanden
Wir sie an dem Grammophon
Horchend und verzückt davon.
Keiner könnt' es ihr beibringen,
Daß die Walzen nicht mehr singen.
Trotz sie taub auf jedem Ohr,
Hört sie heut' noch den Tenor.
Buchempfehlung
Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.
246 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro