Deine Nähe

[71] Zitternd bin ich aufgesprungen,

glühend, mit dem Tageslichte,

dir zu singen die Gedichte,

die im Traum ich dir gesungen:


nie ertönte Zauberklänge,

wunderzarte, weiche, milde, –

nie erbrauste, heiße, wilde,

heilig rauschende Gesänge;


mußten alle alle preisen

Deinen, immer Deinen Namen,

bis der Erde Völker kamen,

fromm zu lauschen meinen Weisen;


kamen aus den fernsten Landen,

sprachen wohl in allen Lauten,

aber wie sie Dich nur schauten,

haben Alle mich verstanden.


Eines nur der tausend Lieder,

Eines nur noch Einmal singen!

ewig würd' es weiterklingen!

Ach, ich finde keines wieder:


tief im Herzen welch ein Bangen,

welch ein zagendes Beginnen,

welch ein bebendes Besinnen,

seit du von mir bist gegangen!

Quelle:
Richard Dehmel: Erlösungen, Stuttgart 1891, S. 71-72.
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