Auf den Bardenführer der Brennenheere[181] 1

Ohne Lustempfindung

Sieht ein Krieger niemal

Auf sein hangend Schwert,

Das mit ihm am ersten

Seiner Ehrentage

Sieg und hohen Heldenruhm erfocht.


Ohne Lustempfindung

Seh' ich Barde niemal

Auf mein hangend Spiel.

Ossians erhab'ne

Lieder nachzustimmen

Rang es, und errang mir einen Gleim2.


Fürstengold umstralet

In geschmückten Hallen

Seinen Scheitel nicht.[182]

Weder Krieg, noch Frieden,

Geht von seinen Lippen

Ueber untergeb'ne Völker aus.


Keine Siegestrümmer

Ragt in Blutgefilden

Seinem Namen auf.

Kein Bedrückter eilet

Unter hochgebornen

Reichen Herrschergünstlingen ihm zu.


Aber seinen Scheitel

Laubt ein unentweihter

Eichensprößling auf;

Aber Lob und Ehre

Geht von seinen Lippen

Ueber Thäter ed'ler Thaten aus.


Aber seinen Namen

Ziert in seinen Liedern

Ewigheller Ruhm;

Aber Bardenfreunde

Jauchzen unter hohen

Deutschen Harfenkönigen ihm zu.
[183]

Wie der Quelle Lispel

Mit der Weste Säuseln

Sich im Lenze paart;

Also, wenn den Barden

Holder Scherz erheitert,

Rieselt in die Saiten sein Gesang3.


Wie der Donner Krachen

Mit des Nordes Brausen

Sich in Wetter paart;

Also, wenn den Barden

Hedenernst verdüstert,

Stürmet in die Saiten sein Gesang4.


Als in Todeseb'nen

Friedrich's Heere standen,

War der Barde mit.

Wie die Griffe rauschten,[184]

Schwoll der Muth im Busen,

Schlug der Waffenhagel weit umher.


Aber lieber, lieber

Weilet er an Bächen,

Wo kein Eisen klirrt;

In der Espe Schatten

Sitzet er, und singet

Brüdern menschenfreundliches Gefühl.


Denn sein Herz ist heiter,

Wie die dünstelose,

Stille Sommernacht,

Heiter und gefällig,

Und der Freundschaft offen,

Und so mild, so mild, wie reifer Herbst5.


Allen Harfensöhnen

Gönnet er den Beifall,

Den ihr Lied ersingt.[185]

Jauchzen ihnen Völker,

Jauchzt auch er in ihnen

Deinem Ruhme, deutsches Vaterland!


Und so wird er selber

Dir zum größten Ruhme,

Deutsches Vaterland!

Brüste dich, und ehre

Deinen Züchtling wieder,

Dessen Harfenspiel und Herz dich ehrt!


Aber du, Gespielinn

Meiner Lieder, Harfe!

Theurer bist du mir,

Seit du mir mit Morvens6

Neugeweckten Klängen

Dieses Mannes Herz gewonnen hast.


Jährlich an dem Tage,

Der zu mir mit seinem[186]

Ersten Gruße kam,

Zier' ich dich mit Kränzen,

Trag' ich dich in Feier

Unter meinem Heldenvolk' herum.

Fußnoten

1 An Gleim.


2 So gut nahm dieser vortreffliche Dichter die Uebersetzung Ossians auf.


3 Siehe seine Anakreontischen Lieder und Romanzen.


4 Die preußischen Kriegslieder.


5 Dieß zeigt sein Briefwechsel mit Jakobi.


6 Ossians Vaterland.


Quelle:
Michael Denis: Auserlesene Gedichte, Passau 1824, S. 181-187.
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