Zweiter Auftritt.

[152] Vorige. Hr. v. Kiel erscheint in der Mittelthür.


LANDRATH giebt ihn ihr. Von Ihrem Bräutigam, er kam gestern mit anderen Papieren von meinem Gute. Wollen Sie nicht lesen?

ERNESTINE. Wenn Sie erlauben, nur einen Blick hinein! Sie erbricht den Brief.[152]

HERR VON KIEL. Guten Morgen, Herr Landrath! guten Morgen, schönes Kind! Er nimmt das Kuchenkörbchen vom Tische, geht damit wieder ab; im Abgehn. Gut geschlafen? Er pfeift dem Hunde.

ERNESTINE faltet den Brief wieder zu. Ich danke Ihnen, Herr Landrath!

LANDRATH. Wollen Sie den Brief nicht ganz lesen? Ich störe nicht.

ERNESTINE. Nein, nein, ich habe ihn überflogen, er ist wohl – das Andere lese ich doch lieber still für mich.

LANDRATH. Wissen Sie denn, daß Willnow's Angelegenheiten sich nach seinen Wünschen fügen? Er wird das Vorwerk, dazu meine ganze Rechnungsführung übernehmen und ich kann ihm so einen eignen, wenn auch bescheidnen Heerd bauen, an den er dann wohl bald die hübsche Hausfrau führen wird.

ERNESTINE. Wie soll ich Ihnen danken, Sie edler Mann? Ich weiß, daß Sie unser Glück durch manche Opfer erbauen.

LANDRATH. Nicht doch, Willnow ist ein tüchtiger und treuer Mensch, es ist ja mein Vortheil, ihn an mich zu fesseln.

ERNESTINE. O wehren Sie doch dem Ausdrucke meiner Dankbarkeit nicht, vergönnen Sie mir vielmehr, auch etwas für Ihr Glück zu wirken.

LANDRATH. Für mein Glück?[153]

ERNESTINE. Ich muß mich in die Geheimnisse Ihres Herzens drängen, verzeihen Sie es mir, aber ich kann Ihre Pein, die Spannung des ganzen Hauses nicht mehr müßig mit ansehen, ich muß mich darein mischen. – Erklären Sie sich doch endlich gegen mein Fräulein.

LANDRATH. Was sagen Sie?

ERNESTINE. Glauben Sie mir, Sie wagen nichts dabei.

LANDRATH. Liebes Kind, Sie setzen da etwas voraus, das –

ERNESTINE. Herr Landrath Sie wollen mir doch Ihre Liebe zu Elise nicht ableugnen?

LANDRATH. O mein Gott, wer liebte sie nicht?

ERNESTINE. Und wer mehr als Sie? – Nur auf zehn Minuten lassen Sie die scheue Zurückhaltung fahren und wir sind alle glücklich, ich unaussprechlich, denn ich werde dann von meinen Wohlthätern nicht getrennt.

LANDRATH. Ihre Dankbarkeit und Anhänglichkeit täuscht Sie, Sie prophezeien, was Sie wünschen und vergessen alles, was der Erfüllung entgegensteht.

ERNESTINE. Fürchten Sie Ihren Nebenbuhler? O fassen Sie doch nur ein wenig Vertrauen zu Ihrem Werthe.

LANDRATH. Zu meinem Werthe? – Du lieber Gott! Da sehn Sie, auf wie schwachen Füßen Ihre Hoffnungen stehen.

ERNESTINE. Sie zweifeln wirklich –?[154]

LANDRATH. Man kommt.

ERNESTINE. Ich muß weiter mit Ihnen reden.

HERR VON KIEL kommt zurück, setzt das halb geleerte Körbchen auf den Tisch.

ERNESTINE. Haben Sie im Garten gefrühstückt, Herr von Kiel?

HERR VON KIEL. Nicht ich, der Phylax. Er sprang so freundlich an mich heran, sah aber so flau und nüchtern aus, daß ich ihn nothwendig etwas restauriren mußte.

ERNESTINE. Das ist nicht übel!

HERR VON KIEL. Ah sieh da, Fräulein Elise.


Quelle:
Eduard Devrient: Dramatische und dramaturgische Schriften, Leipzig 1846, S. 152-155.
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