Winter

[78] Aus Schneegestäub' und Nebelqualm

Bricht endlich doch ein klarer Tag;

Da fliegen alle Fenster auf,

Ein jeder späht, was er vermag.


Ob jene Blöcke Häuser sind?

Ein Weiher jener ebne Raum?

Fürwahr, in dieser Uniform

Den Glockenturm erkennt man kaum;


Und alles Leben liegt zerdrückt,

Wie unterm Leichentuch erstickt.

Doch schau! an Horizontes Rand

Begegnet mir lebend'ges Land.


Du starrer Wächter, laß ihn los

Den Föhn aus deiner Kerker Schoß!

Wo schwärzlich jene Riffe spalten,

Da muß er Quarantäne halten,

Der Fremdling aus der Lombardei;

O Säntis, gib den Tauwind frei!


Quelle:
Annette von Droste-Hülshoff: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1973, S. 78.
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