Am ersten Sonntage nach Pfingsten

(Dreifaltigkeit)

[638] »Drum gehet hin und lehret alle Völker, und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, und lehret sie alles halten was ich euch gesagt habe, und sehet, ich bin bei euch bis ans Ende der Welt.«


Bin ich getauft in deinem Zeichen,

Du heilige Dreifaltigkeit,

Nun bleibt es mir und kann nicht weichen

In dieser nicht und jener Zeit.

Ich fühle durch Verstandes Frost,

Durch Menschenwortes Nebelrennen

Es wie ein klares Funkeln brennen

Und zehren an verjährtem Rost.


In deinem Tempel will sich's regen,

Wo ich als deine Magd erschien,

Und unter deines Priesters Segen

Fühl' ich es leise Nahrung ziehn.

Wenn eine teure Mutterhand

Das Kreuz mir zeichnet auf die Stirne,

Dann zuckt's lebendig im Gehirne

Und meine Sinne stehn in Brand.


Ja selbst zu Nacht, wenn alle schlafen

Und über mich die Angst sich legt,

In der Gedanken öden Hafen

Der Zweifel seine Flagge trägt:

Wie eine Phosphorpflanze noch

Fühl' ich es warm und leuchtend schwellen,

Und über die verstörten Wellen

Legt sich ein leiser Schimmer doch.


Und muß mir zum Gericht gereichen

Die Lebenspflanze mir gesellt,

Die ich versäumte sondergleichen,

Und dürrem Holze gleichgestellt:[638]

So ist sie in der Sünden Bann,

Des Geistes schwindelnden Getrieben,

Mein heimlich Kleinod doch geblieben

Und angstvoll hangt mein Herz daran.


Ob ich vor deiner Geißel zage,

Nichts kömmt doch dem Bewußtsein gleich,

Daß dennoch ich dein Zeichen trage

Und blute unter deinem Streich.

Fluch allem, was von dir mich stößt!

Dein will ich sein, von dir nur stammen;

Viel lieber sollst du mich verdammen,

Als daß ein andrer mich erlöst.


Quelle:
Annette von Droste-Hülshoff: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1973, S. 638-639.
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