Der welt lon geben.

[39] Wer einen vom galgen erlößt / der henckt jn zu lon gern dran.

Der welt lohn ist / vmb gůts vbels thůn / Also hat sie Christo jrem galgenlöser vnd heyland thon / warumb? darumb / daß er sie liebet / erlöset / der welt heyland / jr bestes sůcht. Lise alle Historien / so hat die welt / der groß hauff / Herr omnes / Adams kinder / nie kein gůthat / liecht / leben fromme Fürsten / Propheten / trewe leut vnd vätter des vatterlands / die tag vnd nacht jr bestes gesücht / vnnd jr leben drangespannen / mögen leiden / als in Mose / Josue / Samuel / Propheten / Christo / vnd den Aposten wol schein ist / den sie allen der welt lon gebē. Tyrannen aber / finsterniß / falsch Propheten / die sie vmb leib / gůt vnn seel betriegen / vnn die sie auß schelmiger forcht / als die Frösch den Sorcken / habē müssen förchtē / dise hat die liechtfeind / lugen hafftig eitel welt allweg vff den henden tragen. Vnn erfindet sich leyder dise vnser Vorfaren Sprichwörter das heilig Euāgeliū sein: Mūdus uult decipi, Die welt wil betrogē sein. Mundus regitur opinionib. Herr Jederman regiert der wohn. Vnn bleibt der welt lon / wie jr alte art / arges vmb gůts thůn / Vnd wer einn vom galgen erlöset /daß er bald seinn erlöser an die stat hencke / wie Christo geschehen ist / vnnd mann bei den siben Weisen ein exempel lißt / daß einer einn vom[39] galgen erlöset / hernach der erlöser vō eim Tyrannen desselbigen lands / gefangen vnd verurteylt / ward keiner funden /der das vnschuldig blůt an stat des henckers / wolt nachrichten / da erbot sich der vom galgen erlößte /gelt zunemen / vnnd seinen erlöser ann galgen hencken / dauon er jn kürtzlich zuuor erlößt hett.

Mann lißt ein schöne Fabel auff den schlag. Ein baur halff einer Nater auß eim felsen (darinn sie besteckt / beinahe verdorben war) die verhieß dem bauren der welt lohn zugeben. Als er jr nun herauß halff /wolt sie jn erwürgen / sprechende: Das ist der welt lohn / daß ich den erwürg / der mir das leben geben hat. Der baur / so sich des lons nit versehen / appelliert für das nechste thier so jn bekeme / die schlang ließ jrs gefallen / Da begegnet jn ein magerer hund /der vormatte vnd alter vff allen vieren lamm / vnnd jn hinden die flöhe aufffressen hetten (wie es dann geht /wann einem ein sůß entschlupfft / so wil iederman an jhme geritten werden) Sie legten jhm den handel für /der hund gab der schlangen gewunnen / gab des ein exempel bei jhm selbs / Er het seinem herren so lang gedient / nachts des hauß gehüt / am tag auff seinn herrn gewartet / mit auff die beut gelauffen / wachteln gefangen / wilpret vnd vögel auß den wassern geholet / Jetz hab jm sein herrd' welt lon geben / vnn für alle die gůtt hat / auß dem hauß gschlahē / dem schinder auff sein weyd. Der baur appelliert weiter für das nächst thier. Da begegnet jhn ein alter graman auff ein dürre weyd gespannen / der etwan ein reysiger gaul gewesen / jn sein herr in ein müle verkaufft hette / der gab auch der schlangen gewunnen / mit erzelung / wie jhme dergleichen weltlon geben worden were / dann er hett seinen herrn vmb sein weib geholffen / im thurnieren / rennen vnd stechen / vil ehr eingelegt /seinn herren tugentlich getragen / vnd zu aller seiner herrlicheyt geholffen / für das alles geb man jm der welt lon / vnnd hab jn / all seck vnd bürde zutragen vnnd ziehen / in die mül verkaufft / für dise sein saur arbeyt vnd trewen dienst / geb mann jhm nit der sprewer gnüg. der Baur appelliert zum dritten vnd letzsten mal / noch für das nächst thier / Da begegnet jm ein fuchs / der sprach: Warlich baur du hast ein böse sach / die schlang ist recht dran / aber was wiltu mir geben / ich wil sehen daß ich dir von der sach helff / Der baur verhieß dem Fuchs all seine hennen / Der Fuchs sagt zur Schlangen: Weil die letzst Appellation an mir steht / vnd es dem Baurn sein leben gilt / were dannocht not / du fürtest mich auff die walstat / da sich die sach verlauffen / daß ich den augenschein sehe. Das war der Schlangen lieb / sie zohen dahin /vnderwegen sagt der juristisch fuchs: Baur / wann ich mit der schlangen / die stat wo sie gelegen / zubesichtigen / in das loch schlieffe / so wil ich alsbald zuruck wider heraus springen / so[40] stoß du behend den steyn wider für / so trifft vntrew jren herrn / vnd bleibt die vndanckbar schlang in jrem alten loch. Das alles geschahe der anschlag geriet. Der Jurist begeret seinen lon / Der baur fürt den Fuchs heym / sagt seinem weib / wie es jm ergangen / vnnd jn der Fuchs bei seinem leben behalten / derhalb er jm all seine hennen zulohn verheyssen het. Die beurin sagt: Hastu vil hennen / so big sie jm / die hennen so ich hab / seind mein.

Der Fuchs sprach: Es were offt einer fromm / wenn mann jn fromm ließ. Mann leret offt einen stelen / vnd macht vnderweilen dieb / fieng an die jniuri mit stelen vnd rauben an der beurin zurechen / vnd stal jr nahend all jr hennen. Die beurin / das hinderlistig geschleyert thier / gedacht ist mit list zuuertreiben / vnd über kam hund / die dem Fuchs die hennen nicht liessen zulieb werden / sonder steubten jn so offt darb /biß er zuletzst den todt an den hennen fraß / vnd drob gefangen / vnnd vonn hunden zerrissen ward. Da ward jhm auch endtlich der welt lohn.

Die Griechen habenn ein Exempel vom Acteone geben / wie die welt lohnet / Diser / da er reich war /gab vnnd halff er jederman / Da jm aber zerran / da frassen jn dieselbigen / den er gedient hatte / gar auff /vnd hulffen jn von land vnd leuten verlagen.

Hierauß ist kommen / das Homerus schreibet Odyss. 5. Niemand sol forrhin gütig / milt / vnnd den freunden freundtlich sein / dann es hilfft nicht / sonder wůst / ernst / vnd streng / vnd daß mann die straff frisch gehn lasse / dann die natur wirt vmb solches vndancks willen zu zorn vnd vngedult bewegt.

Es sein auch vil Sprüch der alten Weisen / die solche vnart der menschen / vnnd der welt / fein abmalen / also / daß es ein sonderlicher rhůme vnd wunderwerck ist / wann iemandt für wolthat danckbar ist /wie mann schreibt / daß niemād hab einn Ochsen geschlacht / geopffert / vnnd ein reich mal zůgericht /dem der es vmb jn wol verdient hatte / außgenommen Pyrrhias. Plutarchus schreibt / es hab sich also begeben / Ein Raubschiff ist an der Inseln Ithaca ankommen / auff welchem vngfehrlich nur ein alter man gewesen ist / sampt vil gesessen / die von holtz warn /vnnd voller bechs / Da aber Pyrrhias / ein Burger zů Ithaca / vnd ein Kauffman / sihet des frommen alten mans elend / gibt er den Räubern gelt für den alten man / vnnd macht jn loß / Nicht daß er seiner sonderlich bedörfft hette / seitemal er alt / vnnd vnuermüglich / sonder daß jn der alt man so hertzlich vnd trewlich darumb bat / vnnd daß jn seins elends jamerte. Nun kaufft Pyrrhias auch das Bech / das in dem schiff war / auß rath vnd eingeben des alten mans / dann sie můsten das schiff leichtern / solten sie es fort bringen.

Da aber die Pyraten hinweg waren / vnd[41] der alte arme man sahe / daß ihn Pyrrhias nicht hette vmb gewinns willen erlediget / sonder auß freundtlichem gůten willen / Auff das er danckbar für solche wolthat erscheine / zeyget er dem Pyrrhiæ an / wie in dem Bech vil vnnd mercklich groß gelt verborgen lige /Pyrrhias süchet vnnd findet es also / vnnd vber das /daß er dem Alten höchlich dancket für seine danckbarkeyt / dann er ist nun fast reich worden / so schlegt er auch einen feyßten Ochsen / vnnd opffert im den /zur belohnunge / Daher das Sprichwort erwachsen ist / Niemandt opffert einen Ochsen / dem / der es wol vmb in verdienet hat / dann alleyn Pyrrhias.

Der König Agamemnon / hat grosse müh vnnd arbeyt gehabt / daß er der Griechen schand vnd schaden rechete / an den von Troia / aber da er heymkompt /wirt er von seinem weib Clytemnestra / vnd von dem Ehebrecher Aegysto erschlagen / in dem / daß im sein weib ein kleyd gemacht hatte / das oben zů war / vnn im anziehen des kleydes / bestrickt in die fraw / vnd wirt also erwürgt schendtlich. Also lohnt die welt für wolthat.

Mann saget auch / die welt lohnet wie der Schafbock / denn wenn mann in erzogen hat / so stoßt er seinen Herren mit seinen hörnern / eben so wol als den frembden / Zů dem / so stosset er mit den hörnern die speise vmb / damit mit er sich selbs neeren vnd speisen sol.

Diß beweisen alle Historien / von anfang der welt die hie zulang zuerzelen. Von Mose vnder den Judē /Themistocle bei den Griechen. Scipione / Coriolano /vnnd Cicerone bei den Römern. Joseph in Eegypten /Daniel in Babylonien / Dauid in Sauls hofe / Loth zu Sodomen. So beweiset es warlich auch stattlich Gott selbs / durch alle Propheten.

Aber hie zuentgegen sollen alle vernünfftige leute /vnd sonderlich die Christen / wissen / die andern helffen vnnd rathen können / vnnd vermügen / daß sies vmb solichs grewlichen vndancks willen / gleichwol nit vnderlassen sollen / Denn vernunfft leret es / vnd die weisen Heyden sagen es / daß mann sol iederman gůts / vnnd der Tugent für sich selbs gnůg thůn / Quia uircus propter seipsam est expetenda Vnd mann sol übelthat fliehen alleyn darumb / daß es böß ist / wenn schon kein Got were / der es straffte.

Zu dem / so ist das ein rechter frommer Weltman /der auch im finstern / wenn es niemandt sehe / dir nicht vnrecht thete. Es ist auch ein gemeine sag: Nulla re propius accedimus ad Deum, quām benefactis. Durch kein ding kommen wir so nah zu Got / als durch andern wolthůn / Dann Gott ist der geber alles gůts / wer im nun das nachthůt / hilfft / räth / gibt /leihet vnd fürdert iederman / der ist Gott am aller nächsten.

H. eher gehört / das mann von dem grossen[42] Alexander schreibt / der zum Sprichwort gehabt hat / Regium est benefacere, & male audire, Eines Königs recht ampt ist / iederman gnad vnd wolthat erzeygen /vnd daß mann im darfür alles böses nachsage.

Christus vnser Herr / wil daß wir dem Exempel vnsers vatters im himel sollen nachuolgen / vnnd es nicht besser haben denn er / Seit barmhertzig wie ewer himlischer vater barm hertzig ist / der sein Sonn leßt scheinen über böse vnd gůte. Vnd zun Römern sagt S. Paul / daß Gott sein liebe am höchsten damit beweiset daß er für seine feind seinen Sonsterben leßt. Denn ob dir wol die welt übel lohnet / so far du doch fort mit wolthůn / vnd laß dich der welt vndanck daran nicht hinderen / so wirdt Gott dein / deines weibs / vnnd deiner kinder fürmunde sein / vnd sie reichlicher wenn du / auffs beste versorgen / Aber es fehlet an dem leydigen stuck / daß wirs nicht glauben / weiter denn wirs sehen.

Quelle:
Egenolff, Christian: Sprichwörter / Schöne / Weise Klugredenn. Darinnen Teutscher vnd anderer Spraach-en Höfflichkeit [...] In Etliche Tausent zusamen bracht, Frankfurt/Main 1552. [Nachdruck Berlin 1968], S. 39-43.
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