[827] Meisters Gemach in Marienburg. Plauen sitzt in Gedanken versunken.
HANNS VON BAYSEN draußen.
Laßt mich hindurch! ich muß zu ihm!
PLAUEN aufspringend.
Kommt er?
Baysen tritt ein.
Du bist es, wackrer Bursch was bringst du mir?
BAYSEN.
O Herr! versammelt längst ist das Kapitel
PLAUEN.
Ich weiß.
BAYSEN.
Der finstre Küchenmeister grollt,
Mit kühnem Wort den schwanken Rat regierend.
Man sagt, einstimmig hätten sie verworfen
Den Krieg mit Polen. Oh, ich bitt dich, Herr,
Gib ihnen heut nur nach! Sie sinnen Böses.
PLAUEN.
Nun just deshalb.
Durch das Fenster sehend.
Noch immer nichts zu sehen!
BAYSEN.
Glaub mir, es ist was vor und gegen dich![827]
Ich weiß nicht, was sie sinnen, doch zu dreien
Und mehr beisammen stehn sie in den Winkeln
Und flüstern leis, und schweigen wenn ich nahe.
Ein heimlich Wesen, unsichtbar, wie Zugwind
Streicht durch das Schloß, und alles ist verfinstert,
Als ging' ein dunkles Wetter übers Haus.
PLAUEN.
Hast recht, es wird bald wetterleuchten. Komm,
Hilf unterdes mir meine Rüstung antun.
BAYSEN.
Jetzt, Herr wozu denn?
PLAUEN.
Dort die helle reich mir,
Die trug ich einst an meinem Ehrentag,
Als wir Marienburg vom Feind befreiten.
Die Rüstung anlegend, wobei ihm Baysen behülflich ist.
's war auch im Herbste. Sieh, wie damals glüht
Das farb'ge Land, die Wandervögel ziehen,
Und alles mahnt mich an die schöne Zeit,
Wo wir zu Lust und Not im Felde lagen,
Ich noch ein Bruder unter treuen Brüdern.
Die heitre Nacht erscholl von frommen Liedern,
Im stillen Tale riefen fern die Wachen,
Derweil die Sterne ihre Runde machten,
Die Zukunft lag noch wunderbar verborgen,
Da wittern schnaubend schon die Roß den Morgen,
Es schauert das Heer und die Trompeten werben
Da ist's 'ne Lust, zu leben und zu sterben!
BAYSEN.
Wär ich der Meister nur, ich säß heut auf,
Und ließ sie ruhig raten!
PLAUEN.
Sieh doch wirbelt
Nicht Staub dort in der Ferne auf? Nein nichts.
Du bist ein braver Junge werde nicht
Auch wie die andern einst, glaub's ihnen nicht,
Die niemals jung gewesen, 's ist nicht wahr,
Daß rechte Jugend alt wird mit den Jahren.
Und wenn sie's alle meinten nun ich setze
Zum letzten Male meinen frischen Glauben
Heut an des letzten Bruders kühnes Herz!
Was ist das? Dort mein Kompan kommt zurück,
Allein! Siehst du nicht Waffen fernher blitzen?
Gott, Gott! es ist die höchste Not wo weilt er?
Schwarzburg, ich rufe dich im Namen Gottes
Und aller künftigen Geschlechter! Schwarzburg!
[828] Jost von Hohenkirch tritt ein.
PLAUEN.
Was bringst du, Unglücksel'ger?
HOHENKIRCH.
Hoher Herr
PLAUEN.
Der Schwarzburg, sprich! wo ist der Graf von Schwarzburg?
HOHENKIRCH.
Herr, er entbietet dir nur wen'ge Worte:
Nicht hier daheim, an Jagjels Königshofe
Steh lauernd dein und unser aller Todfeind,
Und darum führt' er ungesäumt gen Polen
Dein Söldnerheer.
PLAUEN in den Sessel sinkend.
Verloren ist der Orden!
HOHENKIRCH zu Baysen.
Was ist dem Herrn?
BAYSEN.
Wie wenn ein Wetterstrahl
Die Eiche traf. Horch, draußen naht es rasselnd,
Laßt niemand jetzt herein!
HOHENKIRCH.
Seht die Gebiet'ger!
Küchmeister, Hermann Gans, Graf Sayn, und mehrere Ordensritter treten ein.
KÜCHMEISTER.
Wo ist der Plau'n?
BAYSEN.
Der Meister wollt Ihr sagen.
KÜCHMEISTER.
Heinrich von Plau'n in der Gebiet'ger Namen
Steh ich vor dir, vernimm des Ordens Schluß:
Erwägend deines Regiments Gewalt,
Die alle Satzung schrankenlos durchbrochen,
Der Ritter Jammer und des Lands Empörung,
Hat das Kapitel, seiner Pflicht gedenk
Und auf das Flehen aller Ordensbrüder,
Entsetzt dich deines Amts als hoher Meister.
BAYSEN.
Wer wagt das!
HERMANN GANS.
Und den Ältsten uns befohlen,
Der Zeichen deiner Macht dich zu entkleiden.
GRAF SAYN.
Reich uns den Mantel, Siegel und das Schwert.
BAYSEN zu Plauen.
Erhebe dich! O brich dein furchtbar Schweigen!
Noch denken viele hier, wie ich, und setzen
Ihr Leben an dein Recht!
KÜCHMEISTER.
Greift den Wahnsinnigen!
PLAUEN sich aufrichtend.
Zurück! Noch bin ich hier der Meister.
Zu Baysen.
Ruhig![829]
Meint Ihr, ich tat das alles für mein Recht?
Sein Schwert an Küchmeister reichend.
Da nimm wofür sollt ich's fortan noch ziehn!
Indem er den Mantel dem Hermann Gans überreicht.
Dies dir. Und reichte er von einem Ende
Der Welt zum andern, er verhüllte nimmer
Die Schande seit auch Günther mich verließ!
Oh, das ist eine Welt!
KÜCHMEISTER.
Was wünschst du noch?
PLAUEN.
Nichts mehr.
Im Kreise umherblickend, nach einer kurzen Pause.
Frohlocket nicht ihr armen Brüder,
Wenn lang entwöhnte Tränen übermächtig
Vielleicht aus diesen müden Augen brechen.
Glaubt nimmermehr, daß es der Hoheit gilt,
Von der ich scheide nun. Daß es nicht lohnt
Zu leben mehr, das ist's, was mir das Herz bricht!
Noch einmal tat es einen langen Blitz
In wüster Nacht weit über diese Zinnen
Und schauernd in dem wunderbaren Licht
Erkannte ich des Ordens Heldengeist
Und reicht die Hand ihm da verschlang auf einmal
Das Dunkel wieder Schloß und Land. Es war
Ein schöner kurzer Traum. Der Alte aber,
Nun merk ich's wohl, meint's gut mit mir, er läßt
Die Hand nicht los und zieht mich mit hinab.
Er geht ab, die andern weichen ihm scheu und ehrerbietig aus.
Allgemeines Stillschweigen.
GRAF SAYN zu Küchmeister.
Heil, dir, Hochmeister nun!
KÜCHMEISTER der in tiefen Gedanken gestanden, finster.
Schweig! Eilt ihm nach,
Gebt fürstliches Geleit ihm! Fort da, sag ich!
Er bedeckt sein Gesicht mit beiden Händen und geht schnell ab. Die übrigen folgen schweigend.
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