Weltgeist

[38] Unter Tag und Tagen,

Tief, tief im Erdefleisch, wo kein Sonnlicht gleißt,

Tief in eingebohrten Schächten, vorgetriebenen Stollen,

Wo die Lämpchen wandern, Glocken schrillen, Hacken schlagen:

Da lebt die Kraft, die Männermüh und Kohlenschollen,

Minenschüsse, Hämmern, Kohlenwagenrollen

Zu Einem dunklen, unruhvollen Rhythmus schweißt:

Der Weltgeist!


Und oben, wo im Hafen Lärm und Handel branden,

Wo der Handel Menschen, Geld und Güter durcheinander schmeißt,

Wo Docks und Hellinge Schiffsbauten umkrampfen,

Wo die Auslanddampfer Riesenfrachten landen, –

Oben, wo um die Großstadt tausend Schlote dampfen,

Wo Eisenzüge qualmend von Stadt zu Städten stampfen:

Da rast die Kraft, die Alles in Einen Arbeitswirbel reißt:

Der Weltgeist!


Wo auf dem Flugplatz steigbereit die Äroplane liegen:

Angespannte Drähte sirren, der Propeller kreist[39]

Immer schneller, plötzlich treibt das Schraubensurren

Den Lärmvogel schrägauf – fernhoch ist er schon im Fliegen – –

Wo die Luftschiffe, die Riesenluft-Torpedos knurren,

Sieghaft sicher näherkommend stärker, dumpfer schnurren,

Da steigt, da fliegt, da siegt über Erdenschwere der Unruh-Geist:

Der neue Schönheit, neue Tatenwege weist:

Der Weltgeist!


Quelle:
Gerrit Engelke: Rhythmus des neuen Europa, Jena 1921, S. 38-40.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Rhythmus des neuen Europa
Rhythmus des neuen Europa: Gedichte (German Edition)