Fünften Aufzug.

[85] Personen.


Sämtliche bisher vorgekommenen.


Melak.


Franzosen.


Scene. Ein Teil der Befestigung.

5. Akt

Der Auftritt auf die Mauer geht durch den Turm. Der Platz ist gepflastert. Mauer und Turm hart kleingesteint. Die beiden Häuser rechts und links kontrastieren durch ihre geweißten Wände. Braunes Ziegeldach. Der Zugang zur Bühne ist zwischen Turm, bezw. Mauer und Häusern. Der Auftritt der Franzosen geschieht bis zu den Hüften auf von außen angelegten Leitern, deren Holme über den Mauerkranz hinausstehen. Zuerst ist's noch Dämmerlicht. Bei Beginn des Sturm's wird es hell.


[86] Frau Künkelün steht allein oben auf der Mauer, regungslos, so daß sie von den auf den Platz dringenden Weibern nicht wahrgenommen wird.


WEIBER dringen ungerüstet herein. Uns krabbelt's alle!

EIN WEIB. Ich hatt geglaubt, 's sei Täuschung oder Einbildung von mir.

ANDERES WEIB. Nix da, mir war's, als spräng ein Iltis auf meinem Bauche herum, ich wollt ihn allfort fangen. Nachher hab ich Licht gemach, da springt's ruhig weiter, aber sehen tu ich nix, auf einmal rasselt 's ab und durch die Tür hinaus.

DRITTES WEIB. So ziemlich war's bei mir.

VIERTES WEIB. Mich hat's ständig auf den Fußfohlen gekitzelt. Ich bin darnach hinuntergefahren, aber gesehen hab ich nix.

ERSTES WEIB. Was mag das aber sein?

ANDERES WEIB. Ein unverschämter Narrenscherz von einem Menschen, der nix zu tun hat.

DRITTES WEIB. 's sind aber alle Männer eingesperrt.

VIERTES WEIB. Vielleicht war's das Alleingefühl.

ERSTES. Ich habe aber sonst auch schon die Nacht allein verbracht, aber so gekrabbelt hat mich's nie.

ANDERES WEIB. Schon oft allein verbracht hab ich, aber diesmal war mir's, als wollte mir einer die Gedärme austrommeln.

DRITTES WEIB. Was trommeln! Mich hat's gedroschen wie von sieben Dreschern.

VIERTES WEIB. Du hättest Prügel gekriegt? Wißt ihr, da ist etwas umgegangen.

ERSTES WEIB. Aber so bei allen?

ANDERES WEIB. Und nicht bloß zwischen zwölf und eins. Die ganze Nacht.

DRITTES WEIB. Ob's wohl die Künkelün auch gespürt hat?!

VIERTES WEIB. Das müßten wir noch wissen. Auf! Wir müssen zu ihr.


Wie sie abgehen wollen, stürzt ein Weib herbei, einen Rock auf den Armen.


NEUES WEIB. Helft mir! Ich habe die ganze Nacht Maschine genäht. Da den Hosenrock. Zeigt ihn hoch. Beim letzten Stich surrt auf einmal etwas ins Rad, es knackt und 's bricht die Nadel ab und mir wischt 's eins über die Backen, zweimal rechts und einmal links und dann noch küßt's mich. Ich hab aufgeschrieen und stürz, wie ich da ankomm' hinaus, da[87] hängt mir's noch am Rock wie Bleigewicht im Traum an den Beinen, daß man nicht springen kann.

ERSTES WEIB. Das könnt' auch übernächtig sein.

NEUES WEIB. Nein, nein, ich hab' mir den Kopf ins Wasser gesteckt, daß ich klar werde, da hat mich's von hinten noch tiefer hineingetunkt.

ZWEITES WEB. Der gleiche Schabernack.

NEUES WEIB. Gott sei Dank, hab ich ihn doch fertig gekriegt! Das ist mein einz'ger Trost dabei. Meinen Hosenrock, wie die Mode in Paris ist, seht ihn blos an!

DRITTES WEIB. 's hat keine Zelt, wir müssen zur Künkelün.

VIERTES WEIB. Ich will es wissen, was es ist.

NEUES WEIB. O ja, zur Künkelün!


Wie sie wieder abgehen wollen, stürzt Marie herbei.


MARIE. Meine Frau! Meine Frau! Wo ist meine Frau?

ALLE. Was, sie ist nicht daheim?

MARIE. Oh, der ist etwas passiert! Ich habe sie heute Nacht verlassen und da war einer bei ihr. Ich kann's nicht sagen, wer. Es ist ein Unglück mit ihr passiert, sie ist verschwunden! Es krabbelt mich wie ein Maikäfer am unverschämtesten Ort, das ist's Zeichen. Wo ist meine Frau? Will fortstürzen.

ERSTES WEIB. So halt doch!

ANDERES WEIB. Was, dich krabbelt's auch?

DRITTES WEIB. Uns alle krabbelt's.

VIERTES WEIB. Ganz auf's selbe!

NEUES WEIB. Ist deine Frau nicht daheim? Ich weiß, sie war's.

MARIE. Wüstes Mensch du, tät mich meine Frau so krabbeln?! Etwas passiert ist mit ihr.

NEUES WEIB. Wer war denn bei ihr?

MARIE. – Wer wird es sein?!

ALLE erschreckend. Oh der! Der war der Spuk.

MARIE. Der Krabbler? Wie soll er's blos? Ich habe Licht gehabt und eine ganze Stunde hab ich's ausgehalten und nix gesehen.

ALLE. Was aber dann? Wir müssen doch zur Künkelün.

MARIE. Erst finden müssen wir's.


Wie sie abgehen wollen, hält sie eine Stimme auf.
[88]

STIMME. Die ihr sucht, sie ist da.


Alle ste erschreckt und sehen in eine Richtung. Die Richtung der Stimme.


MARIE. Ja, schwätz noch mal Gespenst! Vielleicht können wir dir eins für's Krabbeln abgeben. Wird von den andern vorn hingeschupst.

STIMME. Hat's alle gekrabbelt in ganz Schorndorf?

MARIE. Ja, 's ganze Schorndorf.

STIMME. Soll ich euch sagen, was euch krabbelte?

MARIE. Ja was? Darum fragen wir eben.

STIMME. Euch krabbelte der Mut, heut nacht. Nichts anderes, holt nur gleich Spieß und Flint, es geht gleich los.

MARIE hebt die Hand vor's Gesicht, sieht scharf. Wer schwätzt denn das?

FRAU KÜNKELÜN. Ich, deine Frau.

MARIE aufgeregt. Meine Frau! Wo sind Sie? Schon auf der Mauer? Ab in den Turm.

NEUES WEIB. Frau Künkelün, ich hab' ihn fertig.

FRAU KÜNKELÜN. Hab' es schon gehört.

NEUES WEIB. Auch wie mich's plagte am letzten Stich?

FRAU KÜNKELÜN. Jawohl. Da war der Mut bei dir. Der Mut, den ihr alle braucht, daß ihr heute mit mir sieget.

ALLE VIER untereinander. Ouatsch, wir habend doch fischch gespürt.

FRAU KÜNKELÜN. Nur fort, besinnt euch über's Wunder nicht zu lang, folgt lieber dessen Trieb aus den faulen Federn. Und laßt's euch weiter krabbeln, dann siegen wir.


Die Weiber alle ab. Marie tritt aus dem Turm oben auf die Mauer.


MARIE. Da seid Ihr, Gott sei's Dank! Hatt' ich 'ne Angst um Euch! Ich hatt' gefürcht't, Ihr wär't ihm heimgefallen. Habt Ihr schon gehört, wie's bei mir zuging?

FRAU KÜNKELÜN. Ja, du bringst mich schön in Mißkredit, bei den Weibern. Sie meinen wieder wunder was mit Roland. Und es war gar nichts. Er ist als rechter Trottel fortgegangen.

MARIE. Hat sich nichts gewagt?!

FRAU KÜNKELÜN. Daß er so nötig geliebt sein will, ich glaube, 's ist Getue von ihm, damit man ihn nicht auch noch darin auslacht.


Wenn die Weiber weg sind, tritt Roland auf dem Platze auf, er erscheint, wie gezaubert. Er war schon da und nimmt jetzt nur die Mütze ab.
[89]

MARIE. Ich hatt' geglaubt, das gäb' so einen festen Bund mit ihm für heut'. Deutet hinaus gegen den Feind. Melak ist doch ein großer Schlingwurm. Hackt man ihm einen Kopf ab, heißt es, wachsen ihm sieben andere nach. So, so ist's Ihnen gegangen Frau Künkelün? Wie erklär' ich mir's dann aber, ich hatt' bei heller Ampel gern eine Stunde 's Gefühl als wär's etwas.

FRAU KÜNKELÜN. So lang' bei dir?

MARIE. Und so eindringlich und deutlich wie wirklich.

FRAU KÜNKELÜN räuspert sich. Du hast gewiß im Traum gelegen.

MARIE. Dann möcht' ich bloß immer träumen.

FRAU KÜNKELÜN. Ach so, dir hat's gefallen. Du bist gar nicht erregt.

MARIE. Ach, warum soll ich's Ihnen nicht gestehen. Mit Tränen. Ich war so sterbensglücklich, ich glaub, Frau Künkelün, mir ahnt's. Schluchzt. Ich sterb.

FRAU KÜNKELÜN streicht ihr die Stirn. Er war bei dir.

MARIE außer sich. Wer?!

FRAU KÜNKELÜN. Roland.

MARIE. Nie und nimmer war er's! Ich lüge nicht, 's war bloß Gefühl.

FRAU KÜNKELÜN. Schweig still! Er war es doch.


Marie senkt den Kopf und erblickt unten auf dem Platz Roland, sie erschrick und taumelt, deutet.


FRAU KÜNKELÜN rasch. Ich wünsche dich noch nicht. Schleich mir nicht auf jedem Wege nach. Ich hab es schon vernommen, was du angestellt hast, damit.

ROLAND heiser. Rache war das, Rache für die lange Verachtung. Jetzt gehör ich allen. Bloß du, bloß du, vor dir schlag ich aus. Du bist mir nicht erreichlich, 'z heilig, 'z heilig bis zuletzt.

FRAU KÜNKELÜN. Marie ist furchtbar d'ran.

ROLAND. Meine Marie, die hat das Siegel.

FRAU KÜNKELÜN. Was willst du damit sagen?


Statt einer Antwort geht Roland ab. Pause.


MARIE. Mich holt 'r in die Kammer, bei seinen Aepfeln.

FRAU KÜNKELÜN. Ach nein, sei nicht so todestraurig.

MARIE. Ich bin nicht traurig, 's ist mir schon als ob's[90] Blut in mir rinnte, als hört ich's hintropfen wie's Gesicker in räsem Boden.

FRAU KÜNKELÜN. Da schickt ich dich am besten heim, wenn ich nachher keine Marie mehr haben soll.

MARIE. Darum sag ich lieber adieu, jetzt schon. Ich bin drüben am Remstor.

FRAU KÜNKELÜN. Du hilfst nicht mir?

MARIE. 's fällt Ihnen sonst bloß 's Herz hinab.

FRAU KÜNKELÜN. Ist dir's denn so gewiß? Marie entfernt sich schon. Laß nur dir nicht 's Herz hin abfallen.

MARIE. 's tät den Franzosen ungesotten nicht schmecken. Ich behalt's schon in mir. Marie ab.

FRAU KÜNKELÜN. Dann blas »an die Gewehre«! Wir fordern Melak, von uns aus, heraus, wenn er noch nicht d'ran denkt.


Marie bläst entfernt Signal: »An die Gewehre!« das beim Heer eingeführte Signal dafür. Sogleich zappelt es aus allen Winkeln, aus den Häusern. Die Weiber stürmen und besetzen die Mauer.


WEIB im Hosenrock. Hierher auf mich gehalten, ihr Pariser!

FRAU KÜNKELÜN ruft entgegen. Der Feind ist reg. 's ist unser Tag.

ALLE WEIBER. Hurrah!


Unter Trommelwirbel und Kanonendonner naht der Feind. Die Weiber werden ganz still, stehen regungslos, sowohl die auf der Mauer, als die, welche noch soeben über den Platz eilten.


EIN WEIB. Wie sich das aufrollt!

ANDERES WEIB. Uh, die Masse rote Hosen.

DRITTES WEIB. Und hinter Weiler noch kommen sie jetzt herfür.

VIERTES WEIB. Das hat man gar nicht gewußt.

FRAU KÜNKELÜN ruhig. Setzt die Gewehre! Befehl weiter geben! Es kommt Regung in alles. Der Platz leert sich. Der Befehl läuft durch. Nach einer Weile. Feuer! Es prasselt wie an einer Kette.

WEIB im Hosenrock. Ich hab getroffen.

FRAU KÜNKELÜN. Das kann auch eine andere gewesen sein.

WEIB im Hosenrock. Ich habe darauf gezielt. Alle stopfen die Gewehre.[91]

FRAU KÜNKELÜN. Dann macht so weiter, ihr seht, 's heißt flinke Arbeit, das Zucken der roten Masse auf uns zu geht ruhig weiter.

ERSTES WEIB. Tät nur das Stoppen nicht so lange dauern!

ANDERES WEIB. Wir können kaum den zehnten Teil abbüchsen.

DRITTES WEIB. Wenn ich die Flinte nehm, ich glaub, es sei 'ne Gans, die ich zu mästen hätt.

VIERTES WEIB. Nur immerzu, stopf tüchtig, daß der Treff auch voll wird. Sonst rappeln sie sich hoch.

FRAU KÜNKELÜN. Sind alle fertig? Wie vorhin. Setzt die Gewehre! – Feuer! Es geht eine freudige Bewegung über die Mauer.

ALLE. Das hat gezunden!

FRAU KÜNKELÜN erregter. Stopft, diesmal war's besser. Bis an die Mauer dürften sie gar nicht herankommen.

ERSTES WEIB wieder beim Stopfen. Uebung macht den Meister.

ANDERES WEIB. Den Ladstock zwirbelt man wie den Spinnfaden.

DRITTES WEIB. Die Gans stinkt schon aus dem Schlunde.

VIERTES WEIB. 's muß ihr speiübel werden, aber alles über die Rothosen!

FRAU KÜNKELÜN. Hussah! Dort sprenkelt ein Schimmel, seht ihr ihn? Hinter den Bäumen wie ein Schulreiter. Im hellen Uebermut. Das ist Melak! Alle auf ihn gehalten. – Feuer! Blickt gespannt. Die Salve kracht. Wer hat getroffen?

ALLE zugleich. Ich hab' getroffen.

FRAU KÜNKELÜN unter den Jubel hineinrufend. Er wälzt sich am Boden. Dort kommt der Feind zum Stillstand. Schüttet das Feuer hinaus wie die Frühsaat!


Neue Weiber kommen. Die Bewegung auf der Mauer wird aufgeregt.


WEIB im Hosenrock. Zunder Zünder Beutelschwamm! Er schwingt sich auf den Rappen!

FRAU KÜNKELÜN bebend. Und jetzt geht es im Sturm! Man hört den Laufschritt der Musik: »Dim dum darum ...«.

FRAU KÜNKELÜN schreit mächtig. Weiber, zittert nicht beim Zielen! Ein jeder Schuß ist wertvoll wie eine Goldunze.


Ein Weib kommt auf den Platz und ruft hinauf.
[92]

WEIB. Künkelün, auf dem Remstor liegt schon die erste Leiter.

FRAU KÜNKELÜN wendet sich herum. Dort führt Marie. Deutet nach rechts. Hole von dort zehn Musketen. Wir können noch warten. Die Leiter muß geworfen werden. Weib ab. Wendet sich wieder um. Kinder, wie steht es hier?

WEIB im Hosenrock. Sie kommen ran! Sie kommen ran! Drohend. Gebt acht, kommt nur herauf!


Die Weiber wischen sich den Schweiß von den Stirnen, daß sie ihn von den Händen abspritzen können.


FRAU KÜNKELÜN. Holla, Gewehre weg, die Leitern fallen über. Aexte heraus, die Holme hacken.


Es geschieht. Zwei Leitern fallen an. Es gelingt den Weibern nicht; sie zurückzuwerfen. Beim Feind wird's still.


ERSTES WEIB. Was ist das?

ANDERES WEIB deutet. Die weiße Fahne!

DRITTES WEIB blickt über den Mauerkranz. 's kommt einer die Leiter herauf mit einem Fazinettchen.

VIERTES WEIB über die Mauer gebückt. Er bedeutet, daß er was ausrichten will.

FRAU KÜNKELÜN winkt. Stillstand! Der Befehl geht weiter. Es wird ganz still.

FRANZOSE kommt oben an und ist ganz verblüfft. Je suis très étonné. Des femmes?! Da gönnen wir nicht schießen weiter. Lacht mit Zähnen. Müssen uns schieße lassen alle tot von so schöne Frauen. Ist ein süßer Tod, durch schöne Frau sterben. Wo sind ihr Männer?

ALLE. Wir haben keine Männer.

FRANZOSE. Schorndorf, Weiberrepublik? Wo kriegt ihr die Kinder?

FRAU KÜNKELÜN. Sollen wir das Geschwätz anhören? Warum stürmt Melak nicht weiter?

FRANZOSE. Aben gesehen mit eine gute Fernglas, daß es müssen seien lauter Weiber, aben sofort eingestellt das Feuer und Zieht die Mütze. Melak läßt bitten um pardon.


Einige Franzosen erscheinen auf den Leiterköpfen.


DIE FRANZOSEN rufen aus. Ah, comme cette ville est très jolie![93]

FRAU KÜNKELÜN eifrig. Darum verduftet!

DIE FRANZOSEN lachen. Cette femme bilieuse.


Die Weiber sehen sich an, schämen sich ein bißchen.


FRANZOSE. Des femmes sans hommes, connaissez – vous cela en France?

DIE FRANZOSEN. Heiraten? Sprich eiradän.

DIE WEIBER werden falsch. Frau Künkelün, die treiben Narretei mit uns.

FRAU KÜNKELÜN. Es sind dieselben wie unsere Männer. Was wünscht Melak?

FRANZOSE. Was ...!? aben doch Männer! und die lassen kämpfen ihre Weiber?

FRAU KÜNKELÜN. Die haben wir eingesperrt, richten Sie das mit einem Gruß an Ihren General aus, wenn er nicht Schande erleben wolle, soll er seinen Gegner ernst nehmen.


Die Franzosen erholen sich aus dem Staunen.


FRANZOSE. Mais, mais.

DIE WEIBER lachen. Jetzt meckert 'r.

FRANZOSE. Mais, mes femmes! Voulez – vous être tuées? Mes belles femmes. Par Dieu! Mon général est très fou de votre beauté. Sehr im Eifer. Mein General schlägt mich, wenn ich komme ohne den Frieden mit solchen schöne Frauen, die voll Rücksicht auf uns schon aben die Männer eingesperrt.


Wirst eine Kußhand, seinem Beispiel folgen die

andern. Die Weiber außer Frau Künkelün machen's ästhetisch und zeigen dagegen die Hintern.


DIE FRANZOSEN verletzt, entsetzt. Schocking!

FRANZOSE. Sage Melak, Weiber wollen nicht. Mais, mais.

DIE WEIBER. Mäh, mäh.

DIE FRANZOSEN. Mes belles femmes!

FRANZOSE. Sind sehr gottlose Weiber, wollen verderben wie Sodom und Gomorra.


Zieht sich zurück, mit ihm die andern.


DIE WEIBER. Mach' daß du fortkommst, Malefizspitzbube du! Wir brennen dir eins in die Rothosen!

FRAU KÜNKELÜN. Beschimpft ihn nicht auch noch, Melak wird furchtbar wütend werden.[94]

WEIB im Hosenrock. Soll ich ihm keins auf den Schädel schmeißen? Er hat nicht einmal von meinem Kleid Notiz genommen. Das wird gerochen. Will werfen.

FRAU KÜNKELÜN. Laß' das, es ist wider 's Völkerrecht. Erst wenn die Flagge gestrichen ist, geht's wieder los.

WEIB schmeißt. Die Flagge ist gestrichen. Schade, 's hat nicht mehr getroffen.


Der Marsch im Laufschritt wieder neu und heftiger

Kanonendonner. Man hört ein krachendes Zischen. Die Weiber drehen wild die Köpfe her und hin, kaum Zeit, stehen schon die Leitern voll Franzosen.


FRAU KÜNKELÜN. Das Rathaus! Eile schnell, hier Schlüssel, los! Die Männer abgeführt in Klemens Keller! Weib ab. Die Leitern werfen! Sie stößt und hilft. Beide Leitern stürzen um. Noch währenddessen stehen schon wieder neue. Flink! Flink! Von überallher Krachen, Stürzen und Brechen. Du Hosenrock, so los! Wieder stürzt eine Leiter. Haß, Haß, Haß! Geschrei: »Hurra!« über die Mauern. Die Unsern sind schon im Sieg. Hier stehe ich, hier wird der Drang am größten.


Während sie zum Kampf treibt, stürzen bewaffnete Weiber über den Platz zur Hülfe, unter dem Ruf: »Das Remstor ist frei, dort gehen sie zurück! Frau Künkelün wendet sich kurz um, da sieht sie Roland, Marie auf die Schulter geworfen, quer über den Platz schreiten und verschwinden.


FRAU KÜNKELÜN wirst den Säbel weg, krampft die Fäuste und schreit. Melak heraus!


Indem sie brüllt, erscheint Melaks schöne Perrücke, in diese krallt sie gleich mit allen Fingern ein. Sein Kopf schiebt sich aber nach. Es erscheint ein schönes Mannsgesicht, geschützt und gedeckt. Das

Schießen hört auf.


MELAK. Da bist du schöne Frau. Dich will ich gewinnen.

FRAU KÜNKELÜN verblüfft, zitternd. Bist du der Melak?


Einen Augenblick stockt der Kampf. Nur Frau Künkelün krallt fest.


MELAK. Schöne Frau, es geschieht dir nichts, wenn du dich jetzt noch ergibst.

FRAU KÜNKELÜN. Wenn keine Frau von euch verletzt wird.

MELAK. Ich will es dir versprechen. Nur eure Männer gebt mir, ich lasse sie in meine Kanonen laden. Und zum Hohn vor euren Augen an die Mauern schießen. Zu Beider Freude.

FRAU KÜNKELÜN. Zu meiner Freude nicht, Melak, es ist keine Fahne gehißt um Unterhandeln, ich stürze dich hinab.


[95] Das Drängen und Ringen nimmt seinen Fortgang. Nach jedem heftigen Einhauen steht Melak höher.


MELAK lacht. Du stürzst mich hinab? Ich steige immer höher. Schon bin ich mit dem ganzen Kopf über der Mauer.

FRAU KÜNKELÜN. Weiber dränget! Drücket! Sein Auge stiert mir riesenhaft entgegen.

MELAK schiebt. Ist es mein schönes Haupt nicht wert, daß du dich bezähmst?

FRAU KÜNKELÜN. Dein Lockenkopf ist herrlich, aber es soll mich der Tod treffen, wenn er mir gefällt.

MELAK schiebt. Wir gehören zusammen.

FRAU KÜNKELÜN zitternd. Ich werde doch mit ihm fertig werden!

MELAK. Du hast ein unschönes Ungestüm. Du kannst viel schöner sein.

FRAU KÜNKELÜN faßt hastig mit der einen Hand anders. Ob du nicht erstickst!

MELAK mit rotgepreßtem Kopf. Mein Hals ist Gänserich.

FRAU KÜNKELÜN. Schützt meinen Arm besser, ich spüre einen Stich!

DIE WEIBER. Um Himmelswillen! Wir werden doch unserer Frau helfen können!


Das Fechten und Stechen über Melaks Kopf geht eine Fallen der Franzosen. Eine stumme Wut.


FRAU KÜNKELÜN. Drück nicht noch weiter! Melak bleibe stehen!

MELAK steht höher. Du spürst es, wie ich steige.

DIE WEIBER rufen. Kommet, kommet alle daher! Da ist der Melak!

FRAU KÜNKELÜN wie an ihm hängend, so hoch steht er schon. Helfet! Meine Kräfte! Er reißt die Klammer aus, mit der er festgeschlagen ist.

DIE WEIBER angstvoll, wütend. Gottes! Er steht schon oben bis zur Brust. Zu ankommenden Weibern. Herbei!


Die Mauer ist allmählich so angefüllt, daß überhaupt nicht mehr gefochten werden kann, sondern Frau Künkelün nur ganz allein an Melak hängt und so das Ringen zwischen beiden auf's äußerste gespannt erscheint.


FRAU KÜNKELÜN leise. Schwinden mir die Sinne, wer kann mir helfen?[96]

MELAK unheimlich, ächzt. Weib, noch jetzt gebe ich Gnade. Stehe ich aber oben, weh dir!

EIN WEIB. Frau Künkelün! Ihr haltet ihn nicht mehr. Besinnt Euch noch!

FRAU KÜNKELÜN. Wir hätten an den Männern durch unsern Ungehorsam schändlich gefrevelt! Er schießt sie nicht an Schorndorfs Mauern!

MELAK. Schönes Weib! Die Männer stift ich Euch!

FRAU KÜNKELÜN. Du steigst schon nicht mehr höher. Du sprengst die Klammern nicht!

MELAK. Mach auf, ich schenk Euch Eure Männer!

FRAU KÜNKELÜN. Nein!

MELAK. Dein Eigensinn ist närrisch.

DIE WEIBER. Frau Künkelün!


Melak hat sich losgerissen und hebt sich hoch über alle hinaus. Frau Künkelün kniet zwischen den Weibern ermattet, daß sie kaum unter den Röcken zu sehen ist.


MELAK rauh, frohlockend. Es ist des Hohnes wert!

FRAU KÜNKELÜN emporschießend, hängt ihm im Wams. Hilfe schrei ich! Hilfe! Der Platz bleibt unbegangen.

MELAK. Es sind deine letzten Weiber.

FRAU KÜNKELÜN. Hilfe! Hilfe!

DIE WEIBER. Frau Künkelün! Wir sind alle!

MELAK tönend. Du bist von Sinnen, ich gebe jetzt noch Gnade.

FRAU KÜNKELÜN. Nein, du mußt hinunter. Ich, ich hab's übernommen, Sckorndorf.

MELAK. Dann nicht, ich setz den Fuß hinauf.

FRAU KÜNKELÜN. Wer hilft mir! Heißt er –?


Die Franzosen brechen von draußen in lauten Jubel aus.


DIE WEIBER. Frau Künkelün, er steht mit einem Fuß!

FRAU KÜNKELÜN. Mut, heißt er, Roland!


Wie der Name fällt, wird die Tür aus dem Turm aufgerissen. Es ist, als pfiffe Melak ein Wind ins Gesicht. Man sieht ihn sinken und stürzen.


DIE WEIBER. Hurrah! Sieg!


Das Geschrei geht über die ganze Mauer. Sie dringen, verrückt vor Erregung, auf Frau Künkelün ein, und küssen sie, wo's hintrifft. Der Knäuel löst sich zugleich.
[97]

FRAU KÜNKELÜN setzt sich auf den Mauerkranz, ermattet. Ist Roland zur Hilfe noch recht gekommen?

DIE WEIBER. Nicht nötig war er mehr.

FRAU KÜNKELÜN. Wir sind ohne ihn fertig geworden.


Roland steht jetzt unten auf dem Platz, die Kappe unter dem Arm.


DIE WEIBER höhnen. Geh heim, alter Affe! Du kommst zu spät.

ROLAND höhnt zurück. Ihr seid zum Teil nicht viel schöner als ich. Ihr habt mich für den Affen gut bezahlt.

FRAU KÜNKELÜN. Halt! Im neuen Schorndorf gebe ich das Bürgerrecht. Roland ist Ehrenbürger, von mir ernannt.

DIE WEIBER. Weshalb auch das?

ROLAND. Weshalb denn nicht?

FRAU KÜNKELÜN. Wo er auf der Straße begegnet wird, sei mit ihm Gruß und Gegengruß. Das Vorurteil, das gegen uns Weiber geherrscht hat, das hoffentlich gefallen ist, es soll auch gegen den Verachteten fallen.

ROLAND weint in den Ellbogen. Ich dank auch schön.

DIE WEIBER erstaunt. Was, der kann weinen? Ihr, mit ihm sollten wir uns doch einmal ansehen.


Die Weiber steigen von der Mauer und andere drängen sich um ihn.


ROLAND verwehrt sich. O jerum, jerum, lasset mich in Fried!

FRAU KÜNKELÜN. Nicht so, Roland, besieh dich auch mit ihnen, unter gleichen Augen.

ROLAND. Ich bin das ungewohnt.

FRAU KÜNKELÜN. Nun, Weiber, holt die Männer noch herbei. Denen müssen wir doch die Leviten lesen.

DIE WEIBER jauchzen. Die Männer, die leben ja auch noch.


Alle ab. Frau Künkelün und Roland sind allein.


FRAU KÜNKELÜN. Nun willst du deinen Lohn?

ROLAND. Ich weiß nicht, ob ich ihn krieg.

FRAU KÜNKELÜN. Zuerst gib mir die Kappe zurück, dann –

ROLAND. Die Kakappe behalt ich nicht?

FRAU KÜNKELÜN. Sie war doch nur für den Kampf von mir dir gegeben.

ROLAND staunt. Ist das gesagt worden?

FRAU KÜNKELÜN. Du stellst zu großen Unfug an damit.[98] Es könnt ja kein Ehebett mehr in Schorndorf sein, behieltest du die Kappe.

ROLAND wirst sie hastig hinauf. Da hast sie.

FRAU KÜNKELÜN hebt sie auf. Und nun dein Lohn. Mein Dank mit Worten ist zu wenig.

ROLAND. Ach, ohne Kappe!? Will ich das nicht.

FRAU KÜNKELÜN. Du willst es nicht?

ROLAND. Ich muß zuerst nachsehen, ob die Marie aufgehört hat, aus ihren Wunden zu bluten.

FRAU KÜNKELÜN erschrickt. Was heißt das? – Marie soll tot sein? Dann gingest du zu ihr? Kannst du dich gar nicht zum Schicklichen emporraffen.

ROLAND. Man lacht mich aus. Du lachst mich aus. Alle lachen mich aus.

FRAU KÜNKELÜN. Als du die Kappe hattest, nicht?

ROLAND stolz, wohlgefällig. Nein, da nicht. Unter der Kappe versteckt, da war ich am Lachen.

FRAU KÜNKELÜN. Zu deinem wahren Gesicht kriegst du gar kein Vertrauen mehr? – Roland, kämest du nicht wenigstens her zu mir?

ROLAND. Das steht einmal fest, daß ich verachtet bin.

FRAU KÜNKELÜN. Du bist zum Ehrenbürger ja ernannt.

ROLAND pocht an sein Herz. DDa drinnen, da drinn, bei dir und allen ändert sich da nichts.

FRAU KÜNKELÜN. Du bist in einem Irrtum, ich hab dir viel getan.

ROLAND. Ich dir weniger?

FRAU KÜNKELÜN. Nun wir, wir sind ja Freunde, die wägen nicht, wer mehr tat.

ROLAND. Ja, solang es Kampf und Not gab, waren wir wohl Freunde. Aber zum Hausfreund hast mich, sauber, nicht ernannt.

FRAU KÜNKELÜN. Das wolltest du?!

ROLAND. Allzeit das Recht, allzeit Empfang.

FRAU KÜNKELÜN. Du bist mir stets willkommen.

ROLAND. Ich weiß schon, wie du's meinst. Du findest immer einen Ausschlupf. Gar jetzt, wo du die Kappe wieder hast. Ich kenn dich schon.

FRAU KÜNKELÜN. Wir können, glaub ich, miteinander wetteifern, wenn sich's um die Erfindung eines Auswegs handelt.[99] Gesteh's nur offen, dir ist's nur wichtig, wie man dich in der Liebe ansieht.

ROLAND. Nein. Ich will's aber gestehen. Ich hhab vorerst genug.

FRAU KÜNKELÜN wie mißverstehend. Aha, dir ist beim Kampf der Atem ausgegangen.

ROLAND lacht schäkernd. Hehehehe. Wenn's damit schicklicher gesagt ist.

FRAU KÜNKELÜN. Dann bist du mir wohl gut gesinnt?

ROLAND. FFrau Künkelün ist's doch, die mir so gutt's erwiesen hat. Die Nacht hat mich gestillt.

FRAU KÜNKELÜN. Willst auch noch dabei sein, wenn die Männer kommen? Dann komm herauf zu mir und setz dich, zum Verdruß meines Mannes, hier neben mich.

ROLAND. Hehe. Das setz ich mich. Ab, zu ihr hinauf auf die Mauer.

FRAU KLEMENS kommt auf den Platz. Frau Bürgermeister. Wie wird das dann? Bringen die Frauen gleich die Knüppel mit?

FRAU KÜNKELÜN. Ja, bringt sie mit! Und legt euren Männern eine Blecheinlage in die Hosen.

FRAU KLEMENS. Schon gut! Schnauft ab.

ROLAND kommt oben an. Dein Gast.

FRAU KÜNKELÜN. Recht, daß du kommst. Ich würd mich recht viel zeigen, fortan, dann fällst bald nicht mehr auf. Wenn dir ein Unrecht wo geschieht, dann kommst zu mir. Das alte Klatschnest Schorndorf muß dein unbespottet Storchnest werden. Die Marie, hoff ich, wird sich wieder regen und aufleben. Die gib mir heraus!

ROLAND. Die Mamarie soll ich herausgeben?

FRAU KÜNKELÜN. Ja, geb sie mir. Bei mir kann sie wieder zu Kraft kommen. Du mußt das Alleinleben in deiner Kammer aufgeben.

ROLAND. Darum will ich sie ja behalten, daß ich nicht mehr allein bin.

FRAU KÜNKELÜN. Sie stirbt bei dir.

ROLAND. Das macht doch nichts.

FRAU KÜNKELÜN. Du kriegst eine neue Wohnung eingeräumt. In dem ganz andern Geist, der jetzt über Schorndorf kommen muß, baust du dich gut ein. Marie nimmst du dir zur Frau, wie's überall der Brauch ist.

ROLAND. Sie sieht mich lebend nicht an.[100]

FRAU KÜNKELÜN. Du irrst dich, sie, Roland, hat den Mut zu dir. Sie hat dich gestern nacht nicht gern vermißt.

ROLAND. WWenn das wahr ist, ich hhab bei ihr allein ein selig Gesicht vor mir gesehen.

FRAU KÜNKELÜN. Na siehst du. Und Marie hat wohl am tapfersten deshalb gekämpft auf Wagnis auch des Todes.

ROLAND. Oh ja, Marie, die hat mich gern.

FRAU KÜNKELÜN. Paß auf, wenn sie noch lebt, dann kriegst du auch noch Kinderlein von ihr, eine ganze Schar junger Mut.

ROLAND. Oh Frau!

FRAU KÜNKELÜN. Wenn dann wieder ein Melak kommt, braucht man, hoff' ich, dann keine Weiber mehr. Dann kämpft ein neues Geschlecht, das von dir kommt.

ROLAND. Hahaha. Lauter junger Mut.

FRAU KÜNKELÜN. Und ich gebe dir den Türmerposten auf dem Kirchturm, dann bist du zugleich der Höchste.

ROLAND. Unund wenn dder Feind kommt, blas ich mit der Tute Sturm, daß alles mit muß, aller junger Mut, und hilft. Ah.

FRAU KÜNKELÜN. Dein Nachwuchs, der letzte Nacht ersproß, wird schon wieder ein bißchen ansehnlicher. Die Leute haben dann immer weniger weit zum Entschluß, dein Geschlecht als 's höchste zu achten.

ROLAND fuchtelt in tiefer Ergriffenheit. Frau Künkelün! Stürzt an ihr nieder und weint in ihren Schoß. Mutt, Mutt, ich bin er immer gewesen! Durch deine vürnehme Hilf' hab' ich's Obdach gefunden. Ich lauf in der Verachtung seit ich auf der Welt bin. Oh Oh!


Es sammeln sich unten Männer- und Weiberhaufen. Die Männer stehen in geordneten Reihen, rechtsum zur Richtung, die sie gekommen sind, die Front zur Mauer.


FRAU KÜNKELÜN. Sei jetzt nur still, alles versammelt sich unten, tu ihnen nicht die Wohltat, daß sie dich heulen sehen.


Roland reibt sich die Augen und steht von der verwundert gaffenden Menge abgekehrt. Frau Künkelün erhebt sich. Die Männer stürzen auf die Knie. Frau Künkelün stellt sich stolz auf.


BÜRGERMEISTER. Oh, laß mich's Wort für alle führen!

FRAU KÜNKELÜN. Vor allem schweig! Schweigen ist jetzt eure beste Empfehlung.

BÜRGERMEISTER. Himmelskönigin! –[101]

FRAU KÜNKELÜN. Sei nicht so flink damit, du wirst nie Himmelskönig.

BÜRGERMEISTER. Vor meinen Augen Königin wie die von Holland oder England mit einem kleinen Mann, dem Prinzgemahl, laß den mich bleiben! Ich lieg' im Staub vor dir wie eine teige Zwetschge. Laß dir's zuschwören. Hebt die Hände. Wir wollten nie Franzosen gern, die Angst um Schorndorf's Schicksal. Das Wort wird ihm abgeschnitten.

FRAU KÜNKELÜN. Angst, das stimmt. Wir wollen and're Männer. Schweigt! Kein Wort weiter! Sonst muß die redelüsterne Zunge doch vor die Hunde. – Kein Wort von solchen Männern. – Ihr findet noch zerstreut manch braves Weib im Blute liegen. Wie? Konntet ihr nicht höflicher gegen unser schwaches Geschlecht in diesem Falle sein? Sonst seid ihr unnütz höflich. Beim Kampf ums Leben stehen die Weiber in aller Welt sonst sehr gerne nach. Dafür allein wird uns're Anmut auch so willig auf der ganzen Erde an den Mann verteilt, dafür, daß er uns schützt. Darum, weil ihr's nicht so getan habt, werdet ihr künftig keine Anmut mehr vom Weib erfahren.

ALLE MÄNNER. Oh Gott! Oh Gott! Seufzen und winden sich.

FRAU KÜNKELÜN. Wie machtet ihr's?! Ihr hocktet in einem Keller zuletzt und wir durften bluten. Die Frau verliert ihr Blut gerad genug für's ganze Menschengeschlecht. Dann ist's nur ausgeteilt gerecht, verlieret ihr's, ihr Männer, in Schlachten beim Gefecht. Ihr habt zu blut'ge Leistung auf uns aufgebürdet.

ALLE MÄNNER. Vergebung! Vergebung!

FRAU KÜNKELÜN. Ich zweifle sehr, ob wir so anmaßende Kerle weiter anerkennen wollen. Denn 's nächste Mal kommen Schweden oder ein anderesmal Russen oder die ganze Internationale, die sollen wir dann immer von Schorndorf's Mauern werfen? Ihr Mannsleute könnt weit laufen, bis ihr wieder solche Weiber findet, die so 's Heiligtum für euch schützen.

ALLE MÄNNER. Wir sind darüber ganz verzückt.

FRAU KÜNKELÜN. Das glaub ich schon, aber uns fällt es nicht ein, euch auf den Buckel zu nehmen wie uns're Kolleginnen in Weinsberg. Wir lassen die Finger von euch. Wenn wir uns durchgehauen haben, so wollen wir auch Männer haben.

BÜRGERMEISTER. Wir lassen uns auch durchhauen.

FRAU KÜNKELÜN. Das ist auch die einzige Bedingung, die[102] ich stelle, unter der 's wieder gut wird. Auf öffentlichem Marktplatz unter Beteiligung der ganzen Bevölkerung verfüge ich, laßt ihr euch alle ohne Ausnahme von uns die Hosen spannen.


Toller Beifall bei den Weibern.


FRAU KÜNKELÜN. Einverstanden?

BÜRGERMEISTER trüb. Ja.

FRAU KÜNKELÜN. Ihr müßt voll ganz entehrt sein, dann, wenn die Pflänzchen welk liegen wie frisch gepflanzter Salat, bespritzen wir sie sorgfältig mit erquickendem Tau und ziehen sie auf, bis sie groß und stark stehen zu unserem Wohlgefallen, so herrlich, daß wir sie essen möchten.

BÜRGERMEISTER. Oh schöne Aussicht, neues Jugendland!

FRAU KÜNKELÜN. So versteht sich, daß künftig kein einz'ger Mann mehr das Züchtigungsrecht über seine treue Hälfte hat, sondern im Gegenteil, daß fortab der Prügel in unsern Weißzeugtruhen für euch bereit liegt. Einverstanden?

BÜRGERMEISTER. Oh saure Senfgurken, die uns bevorstehen.

FRAU KÜNKELÜN. Damit hätte ich mein Programm für Schorndorf's Weiterführung abgewickelt. Häuft euch zunächst zurück noch in die Gassen! Die Männer und Weiber bewegen sich rückwärts in die Gassen. Nur du, Spitze dieser Kniekompagnie, Künkelün, erwarte hier noch ein besonderes Strafgericht. Bleibe du hier, Roland! Gegen die zurückgehenden Haufen. Dort hinter's Haus steh eine, die meinen Wink zum Anmarsch weiter gibt, es kommen dann zuerst die Frauen in zwei Gliedern, und stellen sich Spalier, hernach die Männer zum Gassenlauf!

BÜRGERMEISTER. Was wird da kommen!

RAT KLEMENS. Es kommen auf jeden gern hundert Knüppelschläge.


Alles ab außer Frau Künkelün, Roland und dem Bürgermeister.


FRAU KÜNKELÜN nachdem die Bühne sonst leer ist. Blick' auf, da steht ein Mann.

BÜRGERMEISTER. Ich hab' ihn längst mit Argwohn angesehen.

FRAU KÜNKELÜN. Ihm habe ich meine Tarnkappe gegeben.

BÜRGERMEISTER. Ich besinne mich nicht.

FRAU KÜNKELÜN. Du weißt die Kappe, die ich als Hausheiligtum –

BÜRGERMEISTER es fällt ihm ein, entsetzt. Hat Roland?![103] Da können wir ja gleich ein Kinderbett uns kaufen. Dann ist er manchmal unsichtbar. Oh höchste Gaunerin!

FRAU KÜNKELÜN. Du bist schon wieder kühn.

BÜRGERMEISTER. Ich bin zur Null gemacht.

FRAU KÜNKELÜN. Die sollst du sein.

BÜRGERMEISTER. Wann gabst du sie ihm denn? Oh, oh ich ahne grausig, Wischt sich den Schweiß von der Stirn. die letzte Nacht war ich gefangen.

FRAU KÜNKELÜN. Du gabst ihm ja selbst den Hausschüssel.

BÜRGERMEISTER. Ich ihm?

FRAU KÜNKELÜN. Leugnen ist lächerlich, er gab mir ihn.

BÜRGERMEISTER. Betrüger!

FRAU KÜNKELÜN. Dafür eben schenkt ich ihm, Gabe gegen Gabe, die Kappe.

BÜRGERMEISTER. Und trug sie nachts.

ROLAND. Nein tags.

FRAU KÜNKELÜN. Sprich du nicht!

BÜRGERMEISTER. Tags? Ich weiß es zu erraten, den Feind schlug er.

FRAU KÜNKELÜN. Nein ich, mit ihm verbunden.

BÜRGERMEISTER. Das ist die Weiberkunst, Betrug!

FRAU KÜNKELÜN. Wie's dir gehört.

BÜRGERMEISTER. Es soll die ganze Stadt wissen!

FRAU KÜNKELÜN. Dann seh dich vor! Ich habe die Kappe wieder. Ich trag' sie künftig häufiger, ihre Kommodenzeit ist um. So merke dir, bei jedem Wort, das du sprichst, bin ich dabei.


Frau Künkelün gibt den Wink.


BÜRGERMEISTER. Oh weh!


Es erscheinen festen Schrittes, die Knüppel am Gürtel herabhängend, die Weiber. Marie, dick verbunden, mit dem größten Knüppel, mit einem Ausdruck, Schmerz verbeißend und dämonische Luft, die Männer zu prügeln.


FRAU KÜNKELÜN. Nun halt! Ah du Marie! Gesegnet seist du, die Lust, sie durchzuprügeln, macht dich wieder frisch. Stell' du dich darum vorne an! So. Und sieh daher, nennst du nicht den da einen Mann?

MARIE nach einer Pause des Ueberlegens. Meine nicht, daß du noch länger ledig bist! 's Gesicht ist Nebensache.


Roland nickt ihr zu unter dem Lachen der Frauen.
[104]

FRAU KÜNKELÜN. Künkelün, begebe dich zur Anführung in die Gasse, ich hoffe, der Mut zum Anlauf wird dir nicht gebrechen.


Bürgermeister seufzend ab, Frau Künkelün schreitet herab, es ist erwartungsvoll still. Die Turmtüren fallen auf und zu. Frau Künkelün stellt sich nun als erste zum Empfang der Männer, sie ruft zu Roland hinauf.


FRAU KÜNKELÜN. Ritter, diese Parade gebe ich vor Euch zu Eurer höchsten Auszeichnung. Sie hebt die Hand. Vorwärts!

ROLAND. FFrau Künkelün schlagt nicht zu derb!

FRAU KÜNKELÜN. Die Stadträte sollen längere Zeit Sitzschmerzen haben! Damit ihnen die Sitzungen etwas vergehen! Künkelün, wirst du kommen!

BÜRGERMEISTER brüllend. Nur mir nach!


Die Männer rennen wie gepeitscht durch die niederprasselnden Knüppel. Geräusch laut rasselnd.

Vorhang.


Ende.
[105]

Fußnoten

1 Fährmann der Schatten in die Unterwelt.


Quelle:
Hermann Essig: Der Frauenmut, Berlin [o.J.].
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Flegeljahre. Eine Biographie

Flegeljahre. Eine Biographie

Ein reicher Mann aus Haßlau hat sein verklausuliertes Testament mit aberwitzigen Auflagen für die Erben versehen. Mindestens eine Träne muss dem Verstorbenen nachgeweint werden, gemeinsame Wohnung soll bezogen werden und so unterschiedliche Berufe wie der des Klavierstimmers, Gärtner und Pfarrers müssen erfolgreich ausgeübt werden, bevor die Erben an den begehrten Nachlass kommen.

386 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon