Der Träumer

[89] Ich, du und die mich schelten,

Sind Blüten an Einem Baum,

Gott und die rollenden Welten,

Wir alle sind Ein Traum.


Ihr scheltet meine Träume,

Wenn auch mit mildem Wort,

Daß ich das Hier versäume

Um ein erdichtetes Dort.[89]


Wohl bleib ich fern den Toren,

Was auch ihr Tun beginnt,

Die da nach Quellen bohren,

Wo keine Quelle rinnt.


Ich suche mir das Wasser,

Dessen meine Seele bedarf,

Den Quell, in den kein Hasser,

Kein Neidling Steine warf.


Und meine Eimer steigen

Hinab, herauf in Ruh,

Die Tiefe wird mein Eigen,

Leben fließt Leben zu.


Und wenn es steigt und flutet

Und füllt die Seele ganz,

Und auf der Fülle glutet

Von oben her ein Glanz –


Da hebt von selbst zu tönen

Die volle Tiefe an,

Das laß ich mir nicht höhnen,

Meine Seligkeit hängt daran.


Wollt ihr um andres schmälen,

Da lächle ich nur still,

Mag jeder sein Rößlein wählen

Und reiten, wie er will.


Sitz er nur fest im Bügel

Und wisse, wohin es geht:

Nach einem kleinen Hügel,

Darüber Vergessen weht.


Genug, wenn eine Platte

Mit einem Sprüchlein drin

Das Grab mir deckt: Er hatte

Ein Herz und gab es hin.


Quelle:
Gustav Falke: Ausgewählte Gedichte. Hamburg 1908, S. 89-90.
Lizenz:
Kategorien: