[124] Es kam heran,
Glanzstrotzend kam's heran,
Mit weißen Hengsten, langsam, feierlich,
Des Ruhms Gespann.
Als blitzten hundert Sonnen
Ihr Licht um ihn,
Erstrahlte seine Bahn,
Der ganze Himmel schien
Vom Leuchten überronnen,
Das wie ein Herold lief und kündete sein Nahn:
Triumph! Triumph!
Er kam, kam königlich.
Ein sorglos Lächeln lag,
Ein heitrer Mut auf seinem Angesicht,
Ein heldisches »Ich wag«,
Das trunken Sterne sich zum Siegeskranze bricht.
Sein großes Auge, sprühte
Den großen Friedrichsblick,
Die schöne, volle Wange glühte,
Stolz straffte das Genick,
Und ich war nichts dem Herrn.
Am Wege stand ich da, bedrängt von Huf und Speichen,
Hart streifte mich der Nabe Rand,[125]
Des Triumphators flatterndes Gewand,
Sein Scharlachsaum, die Hand konnt' ihn erreichen.
Und langsam nur,
Ganz langsam mir vorbei sein goldner Wagen fuhr.
Wen sah ich hinten drauf?
Wen lud der stolze Herr sich auf?
Wer hockte auf dem Ruhmeskarren?
Der Tod einträchtig mit den Narren.
Der eine saß zusammengekauert,
Starr, unbewegt,
Den Kiefer auf das spitze Kinn gelegt,
Ein Raubtier, das auf Beute lauert.
Und unverwandt,
Am plumpen Sensenschaft die Knochenhand,
Umraschelt leis von welkem Lorbeerlaub,
Dran noch die weiße Atlasschleife baumelt,
So stierte mich, der jäh zurückgetaumelt
Im Wegestaub,
Der Tod wie drohend an.
Doch rechts mit Schalks- und Schelmenpossen,
Mit Grinsegruß und Freundschaftsnicken,
Im Faschingkleid aus bunten Flicken
Saß schellenklingelnd neben dem Genossen
Der Narr und ließ die Beine pendeln.
Ein Kinderspielzeug vor dem Mund,
Ein Blechtrompetchen winziger Größe,
Blies er die Backen kugelrund,
Als gälte es Posaunenstöße.[126]
Und wie vor seinem Jahrmarktszelt,
Vor seiner Wunder-Plunderwelt,
Ein Clown die blöden Gaffer stellt,
Gewohnt mit jedem anzubändeln,
Verhöhnte mich sein Pritschenwink:
Spring auf doch lieber Vetter, flink!
Gelüstet's dich nicht, mitzufahren?
Ausgewählte Ausgaben von
Mynheer der Tod
|
Buchempfehlung
1889 erscheint unter dem Pseudonym Bjarne F. Holmsen diese erste gemeinsame Arbeit der beiden Freunde Arno Holz und Johannes Schlaf, die 1888 gemeinsame Wohnung bezogen hatten. Der Titelerzählung sind die kürzeren Texte »Der erste Schultag«, der den Schrecken eines Schulanfängers vor seinem gewalttätigen Lehrer beschreibt, und »Ein Tod«, der die letze Nacht eines Duellanten schildert, vorangestellt. »Papa Hamlet«, die mit Abstand wirkungsmächtigste Erzählung, beschreibt das Schiksal eines tobsüchtigen Schmierenschauspielers, der sein Kind tötet während er volltrunken in Hamletzitaten seine Jämmerlichkeit beklagt. Die Erzählung gilt als bahnbrechendes Paradebeispiel naturalistischer Dichtung.
90 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro