Der 144. Psalme

[818] Benedictus Dnns Deus meus.


Ein Dancksagung, eines Regenten oder Obern in seim Ampt, wie er alles von oben empfang, vnd GOT für ein lehenherrn hab zu erkennen.


1.

Gelobet sei der HERR mein Got,

der mir verleihet kräfft vnd Rhot,

Der meine hände streiten lehrt

vnd weißt mein faust, das sie sich wehrt.


2.

Der mich aus krigsgefar erret,

beschützet mir land, leut vnd stätt,

Mein güte, burg, mein schirm vnnd schutz,

mein trost vnd schilt, auff den ich trutz.[818]


3.

Der mein Volck vnder mich bezwingt,

vnder mein scepter fridlich bringt,

Dan ich die krafft nit bei mir sind,

das ich es von mir selber künd.


4.

Ach Herr, was ist doch nur der Mensch,

das du dich sein annimmst, jhn kennst?

Wz sind des Armen Menschen kind,

das sie geacht so bej dir sind?


5.

Ist doch d' Mensch schir gleich wie nichts,

verschwindet wie ein schein des lichts,

Sein zeit färt hin gleich wie ein schat,

noch wirt dein gnad nicht an jm mat.


6.

Herr, neig den Himmel, fahr herab,

das meine feind erschrecken drab,

Tast an die berg, so rauchen sie,

dan schlag ich meine feind on müh.


7.

Las blitzen vnd den Tonner gehn,

so mag dan nichts vor dir bestehn,

Zerstreue sie, schieß deine stral,

das sie erschrecken vberal.


8.

Dan deine hand mir helffen mus,

sonst werd ich nicht lang halten fus,

Send von der höh mir deine hand,

dz ich mög thun ein widerstand.


9.

Erlös mich vnd errette mich

von grossen wassern gnädiglich!

Die angst mich vberlauffen thut

gleich wie ein grosse wasserflut,


10.

Von frembder kinder hand vnnd macht,

die ich nicht für dein kinder acht,

Dieweil jhr Mund nichts nutzlichs lehrt

vnd jhre werck sind falsch verkehrt,


11.

Ihr zung vergifftet vnd ihr wort,

jhr händ nur trachten list vnn Mord:

Vor den erret mich, lieber Herr,

das ich nicht folg jhr werck vnd lehr.


12.

So wil ich dan nicht werden müd

zu singen dir ein Neues lied,

Wil auff dem Psalter spilen dir

wie deine macht wärt für vnd für,


13.

Vnd sagen 'GOT der König recht,

du namlich, des ich bin ein knecht,

Gibst den Königen hie den sig,

du führest vnd regierst jhr krig,


14.

Erlöst David, dein knecht vnn freund,

vom mördischen schwerd vnd seim feind:

Erlöß mich, bit ich aber noch,

von diser fremmder kinder Joch,


15.

Die jr werck fälschlich mutzen auff

gleich wie ein krämer auff den kauff,

Derē Mund nur ist lugenhafft

vnd derē hand nur mord verschafft,


16.

Die gleich sammt der gotlosen Rott

verachten mit der that nur Got,

Vnnd wünschen jhn vergeblich ding

die vor Got seind geacht gering.


17.

Wünschen vnd sprechen in dem sinn

›ei, das auffwüchsen vnser sün

In jhrer jugend in der blüh

gleich wie die grünen pflänzlein hie,


18.

Vnd vnser Töchter treten her

geschmucket: das wer vns ein ehr,

Wan sie geziert wie ein Pallast

prangten, das solt vns freuen fast,


19.

Man allzeit sie gesund vnd frisch

erfreuten vnsern vollen tisch,

Das wer zuschauen lieblich an,

wie ein Ercker gehauē schon.


20.

O weren vnsre Kammern voll,

vnser Kasten gespeiset wol,

Darauß man aufftrüg hauffen weiß

zu täglichem pracht, schlamp vnd speiß,


21.

Das vnser Schaf auch auff der weid

in ställen neben dem getreid

Mit tausenden vil trügen offt

on vnser müh, auch vnverhofft,


22.

Das vnsre glatte Ochsen fett

hetten vil felds zu ackern stät,

Das kein verlust wir litten nit

von Regen, wind, feldzug vnnd trit,


23.

Hörten kein klagen auff der gaß,

kein feldgeschrei nicht auff der straß,

In summa hetten gar kein leid,

sonder lebten in sicherheit.‹


24.

Vmm ein solch volck, dems also geht,

meinen sie, das es sehr wol steht,

Vnd setzen in so schlechten werd

die seligkeit auff diser Erd,


25.

Meinen, der gröste segen sej,

wan sie in wollust leben frej

Vnd allhie büsen jhr gelüst

in der welt pracht, so nur ist mist.


26.

Aber ich sag, dem volck ist wol

dessen der HERR ist jdermol

Ein gnädig vnd gütiger GOT,

dem schad kein angst, forcht oder spot.


Quelle:
Philipp Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts, Leipzig 1874, S. 818-819.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Geistliche Lieder
Geistliche Lieder Und Psalmen Aus Dem Strassburger Gesangbüchlin Von 1576: Auch Dessen Anmahnung Zu Christlicher Kinderzucht Und Ein Artliches Lob Der Lauten (German Edition)

Buchempfehlung

Chamisso, Adelbert von

Peter Schlemihls wundersame Geschichte

Peter Schlemihls wundersame Geschichte

In elf Briefen erzählt Peter Schlemihl die wundersame Geschichte wie er einem Mann begegnet, der ihm für viel Geld seinen Schatten abkauft. Erst als es zu spät ist, bemerkt Peter wie wichtig ihm der nutzlos geglaubte Schatten in der Gesellschaft ist. Er verliert sein Ansehen und seine Liebe trotz seines vielen Geldes. Doch Fortuna wendet sich ihm wieder zu.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon