Zehnter Tag

Provence war mit dem frühesten zu Marton geeilt; um durch sie eine Lieblingsneigung ihrer Gebieterin zu entdecken.

Was auch mein Portefeuille dazu sagen mochte – ich war entschlossen mich durch etwas vorzügliches auszuzeichnen.

Marton hatte unter dem Siegel des Geheimnisses gebeichtet: Mademoiselle Amelie habe vor kurzem eine neue Art Halsband gesehen, und wünsche ein ähnliches zu haben. Monsieur Crochu sey ihr Bijoutier, und verstehe sich außerordentlich gut auf ihren Geschmack.[119]

»Fort also zu Monsieur Crochu!«

Provence flog, und der Bijoutier stand mit seinem ganzen Apparate vor mir.

Der Doctor war mit ihm hereingetreten und kritisirte seine Waare mit unerbittlicher Strenge. Zwar suchte er das alles durch freundschaftliche Blicke und Winke wieder gut zu machen; aber dennoch zwang er Monsieur Crochu, ein ganz besonders verwahrtes Kästchen seiner Untersuchung Preis zu geben.

Jetzt, da es geöffnet ward, schien er außer sich zu gerathen, und bedeutete mir durch allerhand Zeichen: daß wir diesen Fund schlechterdings nicht aufgeben müßten.

»Wie hoch der Preis?« – fragte ich erwartungsvoll –

»Zwölftausend Livre.«

Ich dachte an meine Brieftasche, und erschrak. –[120]

Der Doctor schien meine Verlegenheit zu merken, und fragte den Bijoutier: ob er mit der Hälfte zufrieden seyn wollte, wenn ich ihm eine Verschreibung gäbe? – »Sobald ich die Handschrift des Herrn Barons habe,« – antwortete Monsieur Crochu – »kann das Ganze warten, so lange es ihm beliebet.«

Das Halsband und dieses schmeichelhafte Anerbieten wurden beyde aus begreiflichen Ursachen von mir angenommen, und Monsieur Crochu mit der Versicherung meines vollkommensten Wohlgefallens entlassen.

Jetzt war das wichtigste, Mademoiselle Amelien mit gehörigem Anstande das Opfer darzubringen. –

Nach der letzten Entrevue, ein etwas schwieriges Unternehmen. – – Indessen faßte ich Muth, und machte mich auf den Weg.[121]

Hatte Monsieur Crochu schon einige Winke gegeben, oder was war es sonst? – Genug Mademoiselle Iris, Marton, alles was mir entgegen kam, hatte diesen Morgen ein Lächeln für mich.

Melden, Annehmen, in das innerste Heiligthum dringen, war jetzt das Werk eines Augenblicks. Die Göttin schwebte mir mit holdseeliger Freundlichkeit entgegen, und mein Opfer ward mit einem Blicke angenommen, der alle meine Leiden überschwenglich belohnte.

Ich wagte es, diesem Blicke eine dem Orte, der Zeit und den Umständen angemeßene Bedeutung zu geben; – aber mein Glück wurde bis auf den Abend verschoben; dann sollte ein großes Fest gegeben, und Angesichts meiner Nebenbuhler der Sieg mir zuerkannt werden.[122]

Taumelnd vor Entzücken, in sehnsüchtigen Träumereyen vertieft, kam ich jetzt in meine Wohnung. Der Doctor hatte mich schon lange erwartet, und erzählte mir mit vieler Lebhaftigkeit die wichtigsten Begebenheiten des Tages.

Einige Namen, ein paar witzige Anmerkungen, fielen mir auf – von dem Uebrigen hörte ich kein Wort.

Der Doctor bemerkte meine Zerstreuung, und ehrte sie mit vieler Delicatesse. Um mich der Besorgniß, als finde er keine Unterhaltung, zu überheben, war er so großmüthig, sich einer Unverdaulichkeit auszusetzen. Ich hatte keine Schüssel angerührt, und dennoch wurden sie alle rein ausgeleert wieder vom Tische genommen.

Der Nachmittag wurde auf meine Toilette gewandt, dann ging es in die Oper, und von da zu Mademoiselle Amelie. Um[123] zu ihrer Thür zu gelangen, mußte mein Kutscher eine ganze Wagenburg durchdringen. Die Höfe, die Treppen, die Korridors, Alles wimmelte von Bedienten. Die Musik hatte schon angefangen, und man erwartete nur mich, um den Ball zu eröffnen.

Mademoiselle Amelie reichte mir ihre schöne Hand, und wir durchflogen die Reihen. Meines Wissens hatte ich das Ball-Kostum auf das sorgfältigste beobachtet, und in meinem Anstande war ja auch nichts Deutsches mehr zu finden.

Vor mir lauter Beifallszeichen, lauter Exclamationen über meine unendliche Grazie; – aber woher das Zischeln, das Räuspern hinter meinen Rücken? – Selbst Mademoiselle Amelie biß sich ein paarmal in die Lippen. Ich wußte nicht mehr, was ich denken sollte. – Endlich ging es zu Tische.[124]

Ein Geschmack, ein Ueberfluß der alles was ich gesehen hatte, übertraf. Mademoiselle Amelie so reizend, so entzückend, so liebeathmend, als meine kühnsten Wünsche sie verlangen konnten.

Nach dem Souper das Spiel. Mademoiselle und abermals der Major Saggs, der Doctor und ich zu einer Parthie.

Meine Brieftasche! o meine arme Brieftasche! – die letzte Einzige Banknote! – sie mußte heraus. – Jetzt wandte man die Karte, und alles was ich hatte, war verlohren.

Meine Angst, meine Blässe, meine gänzliche Verwirrung – Dann meine starrende Verzweiflung. – Ich war verrathen – ich konnte meinen schrecklichen Zustand nicht mehr verbergen. – Und – täuschte mich die Hölle? – Ameliens Gesicht, ihr ganzes Betragen plötzlich verändert. – Eine[125] Kälte, eine spöttische Bitterkeit. – – Ich mußte hinaus – das Herz wollte mir brechen. – Kaum athmete ich noch. – Der erste beste Fiacer – ich warf mich hinein und dachte, fühlte nichts mehr, als das Rollen des Wagens.[126]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Vierzehn Tage in Paris. Leipzig 1801, S. 117-127.
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