Vierzehntes Capitel.

Der Kater.

[34] Jetzt war guter Rath theuer; der Wagen mußte aufgerichtet, der desertirte Kater gesucht werden. Der Bediente sah nach einigen Bauern im Felde, ich und Lorchen aber, wir beschlossen, in den Wald zu gehen.

Es war schon ziemlich dunkel, und der Mond ging hinter den Bäumen auf. Lorchen faßte mich bey der Hand, und fragte – ob ich mich fürchtete. – Ich verneinte es, aber so gar beherzt war ich denn doch nicht. Wir ruften verschiedenemal, kein Kater zu hören noch zu sehen. – Ach Herr Jesus! Herr [35] Jesus – schrie Lorchen auf einmal, stürzte nieder, und zog mich mit ins Gras.

Ich war selbst erschrocken, unterdessen sahen wir ein Eichhörnchen vorbeyspringen. Lorchen schloß mich in ihre Arme, mein Gesicht kam auf ihren Busen zu liegen. Ich zitterte am ganzen Leibe; wie leicht konnte sie mein Geschlecht erkennen! – »Du frierst ja, lieber Gustel!« – sagte sie teilnehmend, und das Du entging mir nicht. – Sie versuchte aufzustehen; mein Kopf sank in ihren Schooß, und ehe ich michs versah, fühlte ich zwey glühende Küsse auf meinen Backen. – »O über den verfluchten Kater!« sagte sie athemlos. – »Was soll man nun machen!«

Ich besann mich jetzt, was ich einmal von meinem Vater gehört hatte. Um einen Kater zu locken, dürfe man nur das Miaun einer Katze nachahmen. Dieses that ich denn so glücklich, daß der Flüchling in wenig Minuten[36] wieder kam. Kaum wurde er uns ansichtig, so sprang er Lorchen entgegen, sie nahm ihn unter den Arm, ich folgte hinterdrein, und so gelangten wir unter vielem Lachen zum Wagen.

»Hast Du ihn denn? hast du ihn denn?« rief die alte hustende Dame schon von fern, und Lorchen hielt den Deserteur triumphirend in die Höhe. Der Wagen war wieder aufgerichtet und das beschädigte Rad mit Stricken befestigt; die gnädige Frau stieg mit ihrer Familie ein, ich aber und Lorchen, wir gingen langsam zu Fuße dabey her.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 34-37.
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