Fünftes Capitel.

Feuer!

[205] Ich trat hinein. Sie saß auf einem Sopha, vor dem ein Tischchen mit Erfrischungen stand. Der Knabe legte meinen Turban auf ein Ruhebettchen und entfernte sich.

»Laß uns sprechen!« – rief sie begeistert – »Die Liebe will offne Seelen!1 – Hier an meiner Brust, Theuerster! – Hier lies, was mein Herz für dich fühlt!« – Sie riß ihre Maske ab, und ich[205] sah eine stark erhitzte Dame mit sehr schönen Augen, die ziemlich jung zu seyn schien.

»Aber meine Gnädige! Ich werde die meinige behalten, es ist der Vorsicht« –

»O mein Trauter! Wir sind unbemerkt! Laß dein holdes Gesicht an meinem Busen ruhen! Laß meine Augen sich in den deinigen spiegeln, und unsere Lippen sich innig vermählen!« – Sie neigte sich zu mir hin, ich fühlte ihren wallenden Busen an dem meinigen; aber in dem Augenblick schien mein Rausch zu verschwinden; mein Muth verließ mich, meine Aengstlichkeit kehrte zurück, und ich zitterte vor der Entwickelung.

»Dein Band ist verknüpft, mein bester N–!« – sagte sie lächelnd – »Wir werden es abschneiden müssen« – indem sie mich auf den Nacken küßte. – »Ich büße zu viel ein! – Du erlaubst es mir!« –[206]

Ehe ich michs versahe, schnitt sie die Schleife durch, meine Knie fingen an zu wanken, ich wollte die Maske aufhalten; sie riß sie herunter. – »O mon Dieu!« – rief sie, und wir sahen einander wie versteinert an.

Sie wendete sich mit Entsetzen ab, und suchte hastig nach ihrer Maske, die unter das Sopha gefallen war. Es war eine stumme peinliche Minute, in der ich meinen Leichtsinn tausendmal verwünschte. Ich fing an gerührt zu werden, und vergaß, daß sie meine Nebenbuhlerin war.

»Mein Herr!« – sagte sie endlich mit unbeschreiblicher Wehmuth – »Sie haben meine Schwäche gemißbraucht; ich kenne Sie nicht; ich bin in Ihrer Gewalt, aber ich rechne auf Ihre Großmuth!« –

Sie fing an zu weinen, die bittere Täuschung schien ihr das Schmerzlichste zu seyn.[207] Ich wollte ihr antworten, als ich auf einmal Feuer rufen hörte. Hastig warf ich das Domino ab, nahm Maske und Turban, und stürzte zur Thüre hinaus.

Fußnoten

1 Aus der griechischen Anthologie.


Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807.
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