Funfzehntes Capitel.

Der Dingericht.

[95] Der Abend brach an, ich sah Lorchen in den Garten gehen, und folgte ihr. Sie winkte mir, von fern zu bleiben, bis wir hinter die[95] Bohneuhecken kamen. – »Guter Herzensjunge!« – sagte sie, und zog mich sanft mit der Hand an sich. Ihre Augen spiegelten sich in den meinigen; ich fühlte, wie ich meinen Adolph angesehen hätte, und konnte mich nicht enthalten, ihr einen schwesterlichen Kuß zu geben.

»Der alte häßliche Dingericht!« – fuhr sie fort, und ihr Gesicht nahm auf einmal den Ausdruck des heftigsten Zorns an! – »Kannst du denken, der niederträchtige Kerl hatte uns belauscht!«

»Das wäre vom Henker!« – sagte ich erschrocken – »wir haben ja nichts gesehen.« –

»Ach, du weißt gar nicht, lieber Gustel, wie er mir nachstellet! Seitdem er im Hause ist, hat er mir keine Ruhe gelassen.« –

»Aber warum denn?«[96]

»Warum? daß ich ihm gut seyn soll, dem langen klapperigen Perückenstock!« –

»Aber, wie ist er dich denn gewahr geworden?« –

»Ich sage dir ja, Herzensgustel, belauscht hat er uns! An der Thüre hat er gehorcht!« –

»Ach vermuthlich hat er dich sehen zu mir hereingehen?«

Anders kann es nicht gewesen seyn. – Als du nun nach Licht gegangen warest, so kam er mit seinen langen Talpen, und griff mir gleich auf die Brust. – Ich wollte schreyen, aber vor Angst war mirs unmöglich. – »Ha, ha, Jungfer Lorchen!« – sagte er – »das ist schön – Sieh doch! – Nun das ist gut, daß ich es weiß.« – Nun muß ich dir sagen, lieber Gustel, daß er mich schon lange hat persuadiren wollen – Ach, ich kann dirs wahrhaftig nicht sagen! –[97]

»Nun was denn?« – fragte ich, und machte große Augen!

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 95-98.
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