7. Liefländische Schneegräfin, auf Herrn Andres Rüttings und Jungfrau Annen von Holten Hochzeit. Reval, 1636

[94] 1638 Februar.


Es war ein schöner Tag im Himmel wie auf Erden,

zur Zeit, wenn Delius mit seinen Feuerpferden

steigt allgemach bergan, wenn uns bereift das Haar,

und für den Hornung dient ein guter Februar,

zur Zeit, wenn Liefland sich im Schlittenfahren übet

und auch den Schiffern fast zu Lande nichts nachgiebet,

in dem ein munter Pferd mehr eine Stunde zeucht,

als manches schnelles Schiff vor vollen Segeln fleucht:

da trug sichs eben zu, daß etliche der Ritter,

die Solthein ausgesandt und hier das Ungewitter

so lange Zeit hielt auf, sich machten auf das Land,

um einmal froh zu sein, zu machen sich bekant.


So bald die Venus diß von ihrem Sohn' erfahren,

und sonst die Götter meist auch nicht zu Himmel waren,

hieß sie den Schwanenzeug alsbalde tragen für,

der stracks ward angeschirrt. Kom, sprach sie, Kind, mit mir,

und wer mir folgen will! Alsbald ward ein Getümmel

von ihrer kleinen Schar durch den saphirnen Himmel.

Voraus ihr ältster Sohn nahm umb sich seinen Rock;

das Pferd, darauf er saß, das war ein Haselstock.

Sie nahmen ihren Weg durch Junons weite Klüfte

und durch das leere Feld der ausgespanten Lüfte.[94]

Sie fuhren in die Welt und sprachen auf den Schein,

als käm' es unversehns, bei diesen Rittern ein.


Das ganze Hans ward froh. Alsbalde ward gesessen

und umb den langen Tisch getrunken und gegessen.

Bei Scherz und süßer Lust und was sonst mehr steht frei

war eben itzo kaum der erste Gang vorbei,

sieh, da kömmt Bachus her mit seinen zweien Pantern,

die er ihm jagen läßt weit bei den Garamantern.

Er rückte für das Haus, stieg alsobalden ab

und nahm in seine Hand den langen Traubenstab.


Wilkommen, liebster Freund, sprach Venus zu Osiren,

geht ein, kommt alle her, helft unsre Freude zieren!

Im Fall ihr habet nur zu essen mitgebracht,

so dörft ihr zahlen nichts, als was das Trinken macht.

Der Gäste waren viel, die mit Evasten kamen

und ihren Abtritt hier bei diesen Rittern namen.

Nachdem die Höflichkeit und Alles war getan

und nun gesessen ward, hub Komus also an:

Wie bin ich doch so froh, daß ich mich zu euch setzen

und mich auf diesen Tag mit euch soll recht ergetzen!

Wolan, da habt ihr mich, ihr rechten Deutschen ihr!

Wer das nicht gläuben will, der setz' uns Wein und Bier

und nasse Waare vor. Umb Kannen Lanzen brechen,

turnieren umb ein Glas, und kalte Schalen stechen

ist unser Ritterspiel. Wer hier am strengsten läuft,

den andern übereilt, zu Gottes Boden säuft,

Der ist der beste Man. Wir reiten in die Schwemme

und baden Mund und Bauch. Wir führen große Dämme

von Gläsern vor uns auf. Wir spielen für und für.

Das Kraut ist hier der Wein, das Lot ein frisches Bier,

das man das beste heißt. Wir feuren aus den Stücken,

die uns ein Glaser geust. Wir bauen gleichsam Brücken,

bewachen allen Paß, wir rücken an den Feind,

der feindlich ist in dem, daß er sich nennet Freund.

Umb Freundschaft führt man Krieg. Wir machen Nacht zu Tage,

zu Nachte manchen Tag. Man hört von keiner Klage,

als wenn man nicht mehr kan. Wir fallen wie wir stehn,

wir wollen keinen Schritt aus unsern Gliedern gehn,[95]

das Kriegern schimpflich ist. Man sieht die Troupen schwingen

und machen Karakol. Wir lachen, jauchzen, singen,

das Feldspiel dient für uns. Dort zeigt sich ein Squadron,

hier eine Compagnie, und ist gefasset schon,

daß sie dem Feinde steh'. Es geht zu, wie im Kriegen.

Der Anbruch wird gemacht. Wir kommen, sehen, siegen,

das Glücke will uns wol. Bald sind wir Freund, bald Feind;

wenn wir am ärgsten tun, so ist es gut gemeint.

Wir fechten ritterlich, vergießen das Geblüte,

wie wirs getrunken ein. Das durstige Gemüte

erwündscht ihm stets den Feind, mit dem sichs raufen kan,

daß beide fallen hin auf den besagten Plan.

Die Gläser loben wir, die einen Schimpf verstehen,

und wider Tisch und Wand mit unsern Köpfen gehen,

und fester sind, als sie. Wir schenken ehrlich ein

und trinken redlich aus. Wenn denn der blanke Wein

durch das berühmbte Glas in liechtem Golde blinket,

da wächst uns erst der Mut, daß man beherzter trinket.

Wir stiften Brüderschaft. Der Trunk macht alle gleich.

Die Feigen werden frisch, die Armen werden reich

durch das geliebte Glas. Es läßt sich Keiner scherzen,

wenns der Gesundheit gilt, er hebt von ganzem Herzen

und leert die Schale wol. Er macht es redlich aus,

und dräng' ihm Schweiß und Bier und alles Andre raus,

es muß geleeret sein. Wir trinken auf viel' Weisen,

die nicht gemeine sind bei schlechter Leute Schmäusen.

Bei Trinken ist auch Kunst. Und daß mans ja wol kan

besehen, stecken wir für eins zehn Liechter an.

Das Recht erfordert das. Wer sagt nicht, daß wir schießen?

Der rauchende Tabak wird dieses zeugen müssen,

der uns umbnebelt ganz. Der aufgefahrne Dampf,

von vielen Orten her, macht, daß man diesen Kampf

von fernen nicht erkennt. Der Feind will überlegen,

der Freund ingleichen sein. Wir greifen nach den Degen,

die man sonst Röhren heißt. Ein gläsernes Pistol

tanzt manchem umb den Mund, daß er hinsinken soll.

Das ist ein schöner Tod, der bald nach sieben Stunden

uns wieder leben läßt. Wir schlagen frische Wunden[96]

und heilen uns durch sie. Kein Pflaster ist so gut,

als wenn man Hundeshaar' auf diese Schäden tut.

Wir meinens brüderlich. Ein Ieder gönnt dem andern

mehr als er selbsten hat. Die Gläser sind zum Wandern,

zum Stehen nicht gemacht. Wir wetten auf den Man,

der etwan, wie man meint, nicht mehr bestehen kan.

Man singt, man pfeifts ihm ein. Das ist die rechte Katze.

Man brauchet manchen Fund, wie man das Bier nein schwatze.

Der bringet einen Schwank, der schneidet einen Fleck,

den Polyphemus selbst nicht solte tragen weg,

der saget neue Mähr': der Papst sei luthrisch worden;

zu, weiß nicht wo, komm' auf ein nagelneuer Orden.

Der giebet Rätsel auf, worein wol Alles geht:

Was lieget, wenn wir stehn, und wenn wir liegen, steht?

Warumb man Käse schabt? Was eine bunte Ziege

wol habe vor ein Fell? Vor was die Elster fliege?

Was doch wol dieses sei, das nicht hat Haut, nicht Haar,

und wenn es kömmt zur Welt, so brummt es wie ein Bar?

Warum der Fuchs nicht fleugt? Was zwischen Beinen wächset?

und was der Schnacken mehr. Man lachet, daß man lächset

vom tiefsten Bauche rauf. Wir springen auf den Tisch,

wir tanzen um ein Glas, verkaufen unterm Wisch,

im Fall es Greifens gilt. Das Zehrlein macht uns kühne.

Ein Ieder ist bemüht, zu haben eine Fine,

der er zu Diensten steht. Der sonst so keck kaum war,

daß er sie nüchtern grüßt, umbfänget sie itzt gar

und giebt ein Herzen drein. Uns freudenvollen Gästen

ermangelt keine Lust. Wir tönen nach dem Besten

ein Waldlied aus dem Schein, und sein Studentenschmaus

muß ganz von vornen an gesungen werden aus.

Wir figuriren wol. Die schönen Künste steigen

auch mit dem Trunke stets. Diorben, Flöten, Geigen

sind unser täglichs Spiel. Und können wir mehr nicht,

so muß das ABC auch kommen vor das Liecht.

Du schöne Compagnie, Dank habe deiner Ehre,

daß du mich auch nimbst ein! Wenn was zu Wünschen wäre,

so wolt' ich, daß der Tag, da ich euch wohne bei,

von tausent Jahren nur der allererste sei.
[97]

Ei ja, das wäre frei! sprach Cyprie mit Lachen.

Wolauf, wir wollen uns recht heute fröhlich machen,

sprach Bacchus! Holla, ha! schenkt ein, schenkt hurtig ein

das nectarsüße Bier, den Ambrosiner Wein!


Ich weiß nicht, wie es kam, daß in die Badestuben

von offner Tafel weg sich diese zwei erhuben,

die heute sind getraut. Der Venus glüdner Sohn

schlich ihnen heimblich nach. Das war ihr rechter Lohn.

Da ward der Kauf gemacht, da ward der Rat geschlossen.

Cupido kam gelacht. Sind, sprach er, das nicht Possen?

Ei, Mutter, seht doch her! und zog das gute Paar,

das den Gesichtern nach fast ganz erstorben war,

für alle Gäste vor. Was kanst doch du nicht riechen,

sprach Venus, lieber Sohn! Wer will sich nun verkriechen,

weil auch ein solcher Ort nicht sicher ist vor dir,

auf den man nie gedacht? Was saget aber ihr?

Die Braut, bald rot, bald blaß, fieng endlich an zu reden:

Wat schal ich arme Kind? Gott wet, wat sy my deden.

Das ander Ycks - Kacks - Kol hub sie auf undeutsch an,

das ich noch nicht versteh', und auch kein Gott nicht kan.

Wolan, sprach Paphie, das geht nach meinem Sinne.

Wie schickt sichs doch so wol! Itzt sei sie Schneegräfinne

und übermorgen Braut! Da ward erst laut gelacht.

Da ward die ganze Nacht mit Freuden hingebracht.

Da gieng das Scherzen an. Die spielten der fünf Karten,

die jagten Fuchs ins Loch in dem beschneiten Garten.

Das Kalb ward ausgeteilt. Des Schuchs, der blinden Kuh,

des Richters ward gespielt, des Königs auch darzu.

Drauf ging das Tanzen an. Der Reien ward geschwungen

auf sein gut Polnisch her. Da ward vollauf gesprungen

nach der, nach jener Art. Das Trara war nicht schlecht.

Der Staat- und Schäfertanz ward auch geführt, wie recht.

Das Beste, das noch kam, das war die bunte Reie,

die Venus machen hieß auf einer weichen Streue.

Ein Ieder schmiegte sich an seinen Nachbar an,

die Türe ward gesperrt, die Liechter ausgetan.

Da ging es recht bunt zu. Diß lob' ich hier zu Lande,

daß mancher seinen Wundsch so bringen kan zu Stande.[98]

Der harte Vater schilt, die Mutter ist zu scharf.

Die er sonst in der Stadt nicht kühnlich sprechen darf,

die legt er neben sich, und läßt die guten Alten

zu Hause, wo sie sind, nach ihrem Willen walten.

Er braucht der kurzen Zeit, die Alles bald vergißt.

Das Schlechtste, das er tut, ist, daß er herzt und küßt.


Die volle Morgenzeit begunte sich zu zeigen

und Titans güldnes Rad allmälich vorzusteigen.

Auf, auf! sprach Venus, auf! und bringt das Frühstück her!

Es reist sich nüchtern nicht. Umb sieben ohngefähr

muß ich wo anders sein. Der Abschied ward genommen,

sie wolten ingesamt heut' auf die Hochzeit kommen.

Mit diesem schieden sie, des süßen Lebens satt,

die Götter in die Luft, die Ritter in die Stadt.


Braut, dieses ist der Tag, den Venus angesetzet,

daß ihr die Jungfrauschaft zuletzte noch ergetzet.

Diß, Bräutgam, ist der Tag, der öffentlich euch giebt,

was ihr so lange Zeit und heimblich habt geliebt.

Auf heute kommen wir, wie wir euch denn versprochen.

Schließt Küch' und Keller auf, laßt backen, braten, kochen,

schont keiner Kosten nicht! Der Himmel hats versehn,

daß dieses, weil ihr lebt, nur einmal soll geschehn.

Versäumt nicht euch und uns! Der Sonnen güldner Wagen

hat auf die Hälfte schon den Tag von uns getragen.

Wir haben kurze Zeit. Tut die Versehung ja,

daß uns sonst mangle nichts, als was da nicht ist da!


Eins ist es, daß mir hier an Kösten misgefället,

daß solche süße Zeit zu bald wird abgestellet.

Was macht doch ein Tag froh? Eh' man recht fänget an,

so ist es ganz und gar umb alle Lust getan.

Mein Deutschland hat in dem weit eine bessre Sitte,

nimbt auf den andern Tag auch noch den dritten mitte.

Der erste macht bekant, der andre stärkt den Mut,

daß man den dritten oft wie Braut und Bräutgamb tut.

Da wird manch neues Paar. Ist einer noch nicht müde,

wolan, der vierte dient auch noch zu seinem Friede,

der für die Braut gehört und die ihr aufgedient.

Wer denn noch nicht hat satt, der hat sich viel erkühnt.[99]

Was aber soll ich tun in einer frembden Sachen?

Man wird hier Neues nichts umb meinetwillen machen.

Ich muß nur lustig sein, es nehmen, wie es kömpt;

zu frohsein ist der Tag, zu rechten nicht bestimpt.

Wolan, ich mache mit. Ihr Jungfern und Gesellen

und die ihr gerne sitzt vor, bei und in der Hellen,

nehmt diesen Tag in Acht! Der Tag geht euch auch an.

Seid lustig, wie ihr tut, bis keines nicht mehr kan.

Der Tag zwar endet sich, nicht aber unsre Freude.

Die Nacht ist auch für uns, ob gleich die neuen Beide

uns lieber sehen gehn. Nein, Bräutgamb, nein, Braut, nein!

Ihr müßt ein wenig noch bei euren Gästen sein!

Was aber hilft es uns, daß wir euch sollen hindern

und euch die süße Lust mit unserm Halten mindern?

Geht, Liebste, wie ihr wolt, geht, fangt das Streiten an,

ohn' welches zwischen euch kein Friede werden kan!

Doch seid nur unverführt, o Braut, daß ich von Kriegen,

von Streiten was gedacht! Es kömmet doch zum Siegen.

Ich will euch Bürge sein auf Alles, was ihr wolt,

daß ihr aus dieser Schlacht das Leben bringen solt.

Es ist auf Nichts gemeint, als nur auf lauter Leben.

Nichts als der Tod bleibt tot. Wolt ihr mir Glauben geben:

der Feind, der euch so trutzt und fordert stolz herfür,

der hat so dünne Haut, so weiches Fleisch, als ihr.

Geht, Bräutgamb, leget euch in Gottes Namen nieder,

und wenn ihr morgen denn steht auf, so sagt mirs wieder,

ob nicht der Liebsten Mund noch zehnmal süßer schmeckt,

als euer bestes Tun und edelstes Confect!

Zwar wißt ihrs doch vorhin. Das Andre muß ich schweigen,

das ihr gewißlich tun und keinem werdet zeigen.

Geht, Bräutgamb, mit der Braut, geht, trefft die rechte Tür,

und, daß euch niemand irrt, so steckt den Plocken für!


Der Dichter

Nehmt meine Schneegrafschaft, ihr frohen Hochzeitgäste,

und deutet selbe mir nicht anders als aufs Beste!

Laßt unterdessen euch die Zeit nicht werden lang!

Bald solt ihr kommen auch auf meinen Strömlingsfang.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 94-100.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Gedichte
Deutsche Gedichte

Buchempfehlung

Anonym

Schi-King. Das kanonische Liederbuch der Chinesen

Schi-King. Das kanonische Liederbuch der Chinesen

Das kanonische Liederbuch der Chinesen entstand in seiner heutigen Textfassung in der Zeit zwischen dem 10. und dem 7. Jahrhundert v. Chr. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Victor von Strauß.

298 Seiten, 15.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon