5. Auf die güldene Haarnadel

[493] Daß du ihr güldnes Haar noch güldner denkst zu machen,

du zwar auch reines Gold, eracht' ich Nichts zu sein,

du, bleiche, borgst von ihr selbst deinen schwachen Schein.

Was unterfängst du dich so einer hohen Sachen?
[493]

Verwegne, mache nicht, daß man dich aus muß lachen,

leg deinen Hochmut hin und bilde dir nicht ein!

auch Titan hält sein Gold für ihrem nicht für rein'.

Er schämt sich aufzustehn, wenn er sie schon sieht wachen.


Vergnüge dich an dem, daß sie dich würdig schätzt,

und aus geheimer Gunst dich in die Zöpfe setzt.

Von dannen schau dich um, als einem hohen Zimmer.


Erblickest du denn mich, so denke deiner Ehr'

und meiner Nichtigkeit, als der ich nimmermehr

darf küssen diesen Ort, den du doch tritest immer.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 493-494.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Gedichte
Deutsche Gedichte