84. An Sidonien

[528] 1638.


Du fragest mich um Rat, mein Trost Sidonie,

wie du dich laben solst in deinen großen Peinen,

die unerleidlich dir und unerträglich scheinen,

du fragest mich um Rat und klagst mir diß dein Weh'?


Ach! aber weißt du nicht, in was Not ich auch steh',

in was Qual ich auch bin? Ach, lasse nach zu weinen,

von deinem wächst mein Leid, wie deines von dem meinen.

Ach, lasse, bitt' ich, nach, eh denn ich ganz vergeh'.


Und suchst du Rat bei dem, der selbst sucht Rat bei dir?

Ist so, wie Föbus meint, der Meister der Arzneien,

daß Feuer Hitze löscht, so tu ein Ding mit mir:


Tröst dich an meiner Angst, ich will mich deiner freuen,

doch gieb mir keine Schuld, wenn uns gereut die Tat.

Nichts raten um und an ist hier der beste Rat.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 528.
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