Die Alten und die Jungen

[71] »Unverständlich sind uns die Jungen«

Wird von den Alten beständig gesungen;

Meinerseits möcht ich's damit halten:

»Unverständlich sind mir die Alten.«

Dieses am Ruderbleibenwollen

In allen Stücken und allen Rollen,

Dieses sich Unentbehrlichvermeinen

Samt ihrer »Augen stillem Weinen«,

Als wäre der Welt ein Weh getan –

Ach ich kann es nicht verstahn.

Ob unsre Jungen, in ihrem Erdreisten,

Wirklich was Besseres schaffen und leisten,

Ob dem Parnasse sie näher gekommen

Oder bloß einen Maulwurfshügel erklommen,

Ob sie, mit andern Neusittenverfechtern,

Die Menschheit bessern oder verschlechtern,

Ob sie Frieden sä'n oder Sturm entfachen,

Ob sie Himmel oder Hölle machen –

Eins läßt sie stehn auf siegreichem Grunde:

Sie haben den Tag, sie haben die Stunde;

Der Mohr kann gehn, neu Spiel hebt an,

Sie beherrschen die Szene, sie sind dran.


Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 71.
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