XVII.


Das Kirchen-Gepolter.

[122] Man hette wol Ursach / sich darob zu verwundern /daß / da sonst der Satan die Kirchen / und Schulen /ohne Zweifel / für Rüst-Kammern / Zeughäuser / und Musterplätze ansihet / darinn diejenige / so zur Fahnen deß HErrn Christi geschworen / wider diesen geistlichen Erbfeind unserer Seelen / und Fürsten der Finsterniß / in allerley Gewehr deß Lichts / geübt /und mit nöthigen Kriegs-Lectionen eines christlichen Rittersmanns versehn werden / er dennoch die Heiligkeit solcher Oerter nicht allemal scheuet / sondern manches Mal sich / durch ein Geräusch / darinn spühren lässt. Aber / nach rechter Betrachtung / wird solches nicht mehr verwundert werden. Denn die bittre Feindschafft bewegt eben den Teufel am meisten dazu / daß er an denen Oertern / da ihm der grösseste Abbruch geschicht / sich gern auch bißweilen geschäfftig / trutzig / und durch seine Gauckel-Possen spöttisch erweiset.

Solches treibt er nicht nur erst heut zu Tage; sondern schon / vor langen und alten Jahren; wiewol /aus unterschiedlichen Ursachen / etlicher Orten stärcker und öffter / als andrer.[122]

Johannes Diaconus / ein alter und gelehrter Geistlicher / schreibt /1 es habe ein Geist / hinter einer Ecken der Betkammer / da Gregorius seiner Andacht abzuwarten / und GOtt zu loben pflag / eine Wohnung gehabt / und offt diesen heiligen Mann / durch seine ungestüme Anläuffe / im Gebet irr gemacht / die Pferde zum Stall herausgezogen / und zwey derselben gestürtzt; auch die Religiosen / so besagtens heiligen Gregorii Ordens-Gesellen waren / gar sehr angefochten / bald / in Gestalt einer Katzen / nach ihnen springend / sie / mit den Pfoten / kratzen und reissen wollen; bald / unter der Gestalt eines Moren / mit einer Lantzen / nach ihnen gestossen.

Eine fürnehme / nunmehr sanfft und selig schlaffende / Person in Teutschland / pflag offtmals sich verlauten lassen / sie mögte wünschen / wann ihre Lebens-Uhr ein Mal ausgelossen / daß man ihren Leichnam / in derjenigen Kirchen / darinn andre ihres gleichen Personen begraben ligen / nicht beerdigte: weil sie / für selbiger Kirchen / und zwar sonderlich für den Grab-Gewelbern derselben / gleichsam einen Eckel empfünde: darinn sie auch / ihres Bedunckens /nicht ruhen könnte. Darum wünschte sie eine andre Kirche selbiger Stadt (die wir nicht nennen wollen) zu ihrer Ruh-Stäte. Dieses hat sie gleichfalls / bey ihrem bußfertigem schönem Abschiede / ausdrücklich verlangt / und soll ihr auch versprochen worden seyn.

Nichts destoweniger ist man hernach auf die Gedancken gefallen / es gäbe nichts zu bedeuten /[123] ob man ihr solche Zusage erfüllete / oder nicht; und würde ihrer Gedächtniß reputirlicher seyn / so man ihrem verblichenem Leichnam / in derjenigen Schlaffkammer / darinn alle Leiber ihres Standes / biß zur allgemeinen Auferstehung / schlummerten / die gebührende Stäte / zum Ruh-Bette verordnete. Und dieser Meynung ist auch nachgegangen worden.

Allein gleich / den andren und dritten Tag nach der Beysetzung / hat sich ein solches Getümmel / und Gepolter / in selbiger Kirchen / so Nachts / als Tags / erhoben / daß man nicht anders gemeynt / denn es würden alle Stühle und Bäncken übern Hauffen geworffen. Diesem nach hat man den Schluß genommen / den Leichnam wieder heraus zu heben / und / von dannen / in die andre Kirche / zu versetzen. Nachdem solches geschehen; hat / in der vorigen Kirchen / das poltern / werffen / und fallen / aufgehört / in dieser letzten aber gar kein Gerümpel sich verspühren lassen.

Sollte es nun auf den Wahn deß Jacob Böhmens /und auf seines Vorsingers / deß Theophrasti, Ausspruch ankommen; so hette der verstorbenen fürnehmen Person Lebens-Geist sein übles Vergnügen an der vorhin verschmäheten Grab-Stäte / durch solches Gerümpel / zu verstehen geben wollen.

Aber die Göttliche Warheit verschleusst uns billig /für solchem Geschwätze / die Ohren / und heisst uns gläuben / die Seele deß Gerechten sey in GOttes Hand / und keiner Unruhe mehr unterwürffig; die irdische Vernunfft aber mit nichten / aus den Sternen / wie der Böhm wähnet /[124] erboren / sondern ein unabsonderliches Vermögen der Seelen; daher sie nicht dem Lebens-Geist / als einem subtilen Körper / zugeeignet sey; solchem nach auch der Lebens-Geist / weil er keinen Verstand noch Willen hat / nach dem Tode /nicht unterscheiden könne / ob dem Willen die Vergnügung widerfahren sey / oder nicht.

Will denn Einer / mit dem Böhmen / antworten /die Seele habe ihr / vor ihrer Abfahrt / den Eckel für der einen / und das Verlangen nach der andren Kirchen / zu ihrer Ruh-Kammer / hart eingebildt / und so tieff eingedruckt; und solche ihre fest-eingedruckte habe hernach den siderischen Lebens-Geist darein geführt / (wie seine Red-Art lautet) nemlich in den verblichenen Körper / oder auch nur ohne den begrabenen Leib in die Kirche / wo der Leichnam / wider ihr Verlangen / begraben lag; und weil sie / als die noch nicht sey zu ihrer Ruhe gelangt / die Sache sich /vor ihrer Leibs-Absonderung / so hart eingebildt /sich nicht eher zu Frieden geben können / bevor ihr Leib wieder von dannen hinweg genommen / und von der andren Kirchen übernommen wäre; hette deßwegen der Stern-Geist / auf ihren Befehl / ein solches Getöß / in der Kirchen / anheben müssen / damit sie den Zweck ihres Verlangens / nemlich einen andren Ruh-Platz / für ihren Körper / erreichte: so fragt man billig diesen seltsamen Philosophum: Warum die Seele / wann sie die Macht und Krafft habe / den Lebens-Geist in den Leichnam einzuführen / den Leib dann nicht von neuem gar belebe / und für der Verweslichkeit friste / ja auch unter den Lebendigen stets[125] herumführe? Andrer Fragen mehr zu geschweigen.

Das Gewisseste ist dieses / daß der Satan solchen Tumult angerichtet / um die Leute / mit einem abergläubischen Wahn / zu bethören / als ob der Verstorbenen Geist / der doch selig abgeschieden war / sich so unruhig befünde / und dergleichen Tumult erweckte. Welchen Lärmen dann anzurichten / GOtt ihm vermutlich deßwegen gestattet / weil es Sünde ist / wann man sein Versprechen nicht hält / und insonderheit den Sterbenden alles Versprechen / das nicht wider GOtt / oder das Gewissen / geht / billig gehalten wird.

Unterdessen seynd Arglist / und Betrug / deß Teufels fürnehmste Studien / und tägliche Ubungen.

Es richtet aber dieser Schrecken- und Polter-Geist auch sonst wol / ohn einigen Anlaß der Begräbnissen / in der Kirchen / bißweilen ein entsetzliches Getöß an: als wie / im Jahr 1676 / zu Cöslin / in Pommern /gehört worden. Da / am Sonntage Exaudi (war der 7/17 May) mitten unter der Vesper-Predigt / um halb drey Uhr / ein grosses Getöß / Gerassel / Gepolter /und Getümmel / oben auf dem Gewelbe / über dem Gestühl der Schuster / entstanden. Solches Gerümpel und Gepolter erhub sich anfänglich von der Orgel her / und zwar erstlich / mit einem solchen Gelaut / als wie ein grollendes / und noch etwas gelinde rasselndes Donnerwetter: fuhr aber hernach gar schleunig fort nach der Mitten deß Kirchen-Gewelbes / biß an den Chor / und zwar mit[126] solcher Verstärckung deß Gepolters und Gekrachs / daß männiglich förchtete /es würde nicht allein selbiges Gewelbe / sondern auch die gantze Kirche / einfallen. Weßwegen nicht nur die Schulknaben / aus dem Chor / sondern gleichfalls schier die gantze Gemeine / mit solcher Furcht und Bestürtzung / zur Kirchen hinaus eilte / daß Einer über den Andren fiel: weil Niemand wusste / was vorfiele / und wovon solches knallen / krachen und poltern entstünde; und man also auf die Gedancken fiel /die Kirche würde sie Alle erschlagen und begraben: Dergleichen Kirchen-Begräbniß aber / bey lebendigem Leibe / Keinem angenehm war.

Nachdem endlich das Getümmel sich gestillet /haben die Leute sich zur Kirchen wieder eingefunden. Weßwegen der Archidiaconus / Magister Johannes Glock / der / unter währendem Gepolter / stillschweigend auf der Kantzel / war stehn geblieben / in seiner Predigt fortfuhr / und dieselbe vollendete.

Nach geendigter Predigt / wurden Etliche / auf das Gewelbe / hinauf geschickt; um zu sehen / ob etwas eingefallen / oder sich abgelöset und gestürtzet hette: Welche aber daselbst dergleichen nichts gesehen /noch angetroffen.

Dieses ward mir damals / aus dem Schreiben eines glaub- und ehrwürdigen Manns / welches noch in meinen Händen ist / mitgetheilet.

Man hat es damals / für eine Vorbedeutung / aufgenommen / daß sich der Krieg würde ins Land ziehen.

Fußnoten

1 Joh. Diacon. in Vita D. Gregorii, lib. 4. c. 19.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 122-127.
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