XXX.


Der fluchende Spieler.

[305] Plutarchus der gelehrte unn verständige Scribent / hat gar vernünfftiglich geredt: Diejenige / welche Alles das ihrige auf ein Spiel setzen / und der Würffel vertrauen / spielen nicht.1 Sie treiben / meinet er /kein Spiel; sondern einen Handel / von großwigtigem Ernst: Denn wer gern und eyfrig spielet / der kan leicht Haab und Gut verspielen / und aller seiner Wolfahrt verlustig werden.

Dieses trifft nicht nur ein bey solchen Spielern / die von hohem Capital / oder reichlich begütert / und mit stattlichen Einkünfften versehn sind; sondern[305] auch /und zwar noch vielmehr / bey denen / die mittelmässiges / oder wol gar schlechtes Vermögens seynd. Wer /aus einem vollem Beutel / zu spielen anfängt / der kann / mit einem leeren / auffhören. Fürsten und Herren / wann sie gleich viel tausend auff- und zuzusetzen haben: können sie auch wol viel tausend verlieren: Darüber hernach die Schatz-Kammer allgemach entschätzt / das Land in Schulden gesetzt / und mit geliehenen Geldern gedruckt wird: Worauf alsdann /bald diese / bald jene Herrschafft / Amt / oder Gut /fremden Herren verpfändet / oder wol gar veräussert wird / und zu äusserstem Nachtheil der Unterthanen /einen andren Herrn bekommt.

Königen selbsten ist die Würffel kein Spiel / sondern ein grosser Ernst. Denn sie setzen kein Schlechtes drauf. Chokier meldet / er habe einen König gesehn / der / in anderthalb Stunden / von 16 biß 17 tausend Ducaten verlohren: wovon er viel rühmlicher einen wolverdienten treuen Minister / oder die Armen / mildiglich hette beschencken können.2

Vielweniger aber hat Einer / der beydes von Stande / und Vermögen / nicht übrig groß ist / das Würffel-oder Karten-Spiel / für ein Spiel anzusehen: weil es ihn / in noch grössere Ungelegenheit / stürtzen kann /als Fürsten und Könige; die ihren Einbuß leichter verschmertzen; weil sie denselben leichter zuersetzen wissen; und derhalben sich nicht der Ungedult / noch Verzweifelung / so unterwerffen / wie manche gemeine Leute thun / wann sie / von dem mißlungenem Wurff / allzu hart getroffen /[306] und ihres Geldes verlustig worden. Denn diese büssen nicht nur dabey ihr Geld ein / sondern auch ihr Gemüt: welches nicht leichter / als bey Würffeln und Karten verrucht und belastert wird. Der Verlust entzündet Zorn / Haß /Hader / Neid / Schlägerey: und wird Mancher / über dem Spiel / erstochen.

So erweckt auch der Spiel-Eyfer vielerley andre Laster und Tod-Sünden; als Betrug / Verabsäumung deß Amts / Beruffs / Gewerbes / und derjenigen Fürsorge / womit man den Seinigen verbunden ist. Insgemein aber / lernt man nicht leichter fluchen / schweren / sacriren / als beym Karten- oder Würffel-Spiel: Wer / in der Gottslästerung / gern will Meister werden / der findt dazu keine bequemere Schul / als diese.

Gewinnst du deinem Gespielen viel ab / so verlierst du hingegen viel ein grössers Kleinod / nemlich die christliche Liebe: indem du deinen Nechsten / ohne Noth / in Schaden und Nachtheil bringst / und mit Feindschafft wider dich beflammest. Verlierst du hingegen viel; so mag dich bald die Ungedult aller Scheu und Gottesfurcht berauben / und dir zum fluchen oder Gottslästern / das Maul weit aufreissen. Daran hat der auffmerckende böse Geist alsdann auch sein Freuden-Spiel / und trefliches Wolgefallen / daß du dich so schön einsegnest / in seine Gewalt / und zur Höllen. Deßwegen verhengt GOtt auch nicht selten / daß dieser verfluchte Spiel-Genoß der bey dergleichen Spielen / dabey Sacrament / Gotts Element / T. hole! herum schwärmen / kein Spiel noch Schertz / sondern den grössesten Ernst anwendet /[307] die Seele deß Spielers an sich zu spielen / sich bißweilen sichtbarlich zu erkennen giebt: wie wir / an hiernechst vorstellender Geschicht / ersehen.

Im Christmon. deß Jahrs 1686 / spielten in der Königlich-Dennemärckischen Festung / Glückstadt / auff der Haupt-Wacht daselbst / etliche Soldaten / in dem Corps de Garde, oder Wachthause / mit Würffeln: wobey Einem das Glück so übel wollte / daß er schier alles sein Geld verlohr: Und / wie man keinem Gelde eyfriger nachjagt / als einem solchen / das unterm Spiel davon geflohen ist; also verpechte gleichfalls der Verdruß diesen unglücklichen Spieler an die Würffeln so hart / daß er durchaus nicht ablassen wollte / sondern / durch Aufsetzung seines geringen Uber-Rests / das verspielte wider zu gewinnen gedachte.

Die Mitspieler / welche ihn / mit den Todten-Beinen / so hart geworffen und beschädigt hatten / riethen ihm / er sollte das Spielen / vor diß Mal / anstehen lassen / biß zu einer andren Zeit / da man ihm Revange geben / und wieder mit ihm spielen / wollte: weil er doch wol sähe / daß ihm / anjetzo die Würffel nicht günstig. Er aber / der auf das Spielen gantz erhitzt /und über seinen Einbuß / voll Unmuts war / begehrte / das Spiel nicht aufzugeben; sondern vermaß sich /mit einem hohen Fluch / nemlich deß T. zu seyn /wann er nicht das Verlohrne wollte wieder gewinnen: gleich als ob wollen und können / oder versuchen und gelingen / nothwendig müssten auffeinander gehn /und die verdrossene Ungedult gewünschtern Erfolg zu hoffen hette / als die freymütige Fürsichtigkeit.[308]

Da nun hernach die Stund-Uhr schlug / welche diesen fluchenden Würffler / zu seinem anbefohlenem Posten / abfordert und das Spiel unterbrach; erschien ihm ein entsetzliches Unthier / in Gestalt eines grimmigen Bären. Er / als Schildwächter / schrie 2 biß 3 Mal / Wer da? Das Monstrum antwortete: Ich bins! dem du heut Abends dich ergabst.

Darüber gerieth er / der das Fluchen nur für ein Compliment aus der Soldaten-Rhetoric geachtet / und nicht gemeynt / daß es der Teufel sollte für Ernst aufnehmen / in grosse Furcht / Angst / und Schrecken: Also setzte er seine Zuflucht zum Gebet. Welches ihm den / ob gleich eine Weile hart zusetzenden / Geist nicht allein von der Haut hielt / sondern zuletzt auch gar / zu weichen zwang. Daran man denn ein Augenscheinliches Beyspiel hatte / daß das geistliche Gewehr viel stärcker und streitbarer sey / weder das leibliche / und daß dieser Behemoth / mit seinen festen Schuppen / alle Pfeile und Lantzen trutze / aber einem bußfertigem Gebet müsse gewonnen geben.

Der so angefochtene Soldat gestund auch nachmals / als ihn die Officierer darüber examinirten / daß es ihm also wäre ergangen. Wie er dann hierauf gleichfalls / gegen dem Schloßprediger / seine Sünde / mit Threnen erkennet / und dieser auch folgends / in einer Predigt / solches Exempel / andren dergleichen zörnigen Fluchern / zu einem Warnungs-Spiegel / vorgestellet hat.

Vor etlich und zwantzig Jahren / ist / in einer Landstadt / so der Reichsstadt Nürnberg gehörig /dem Thorwarter daselbst / auf sein grausames[309] Fluchen und Verwünschen / gleichfalls was begegnet. Er hatte / in einem / nahe bey selbiger Stadt ligendem /Städtlein (oder Flecken) unterschiedliche Spiele verlohren / und ziemlich eingebüsst: warff derhalben die Karten auf den Tisch / mit dieser Verwünschung / daß er deß Teufels seyn wolle / so er mehr zu spielen begehre.

Die Mitspieler aber redeten ihm zu / und frischten ihn an / er sollte den Mut so bald nicht auffgeben /sondern bedencken / daß das Glück eben so wol / in seiner Ubelgunst / als Wolgunst / wandelbar: und gleichwie / laut deß alten Sprichworts / der / so zu erst gewann / zuletzt ein armer Mann würde; also müsste man gleich auch dieses darunter verstehen /daß der / welcher erst ein armer Mann / durch Spielen / geworden / zuletzt ein reicher Mann würde: darum sollte er das Spiel fortsetzen / und eines bessern Glücks gewärtig seyn.

Er wendet vor / seine harte Verfluchung wolle solches nicht gestatten: es mögte ihm leicht drüber ein Unglück widerfahren.

Der Satan hat gemeinlich / bey den ruchlosen Spielern / etliche Zungen / in seinen Diensten / welche ihm zum Vortheil reden / auch allerdings wann sie /mit Worten / ihn verkleinern: Also fanden sich auch jetzo solche Mäuler hiebey / welche den Thorwarter gantz unzeitig vorschwätzten / man sey dem Diebs-Hencker (also titulirten sie den Teufel) keinen Eyd zu halten schuldig / und solche Verwünschung längst in der Lufft verschwunden: Er solle / in Gottes Namen /wieder mit machen / und sein Heil versuchen: Das Glück werde schon zuletzt noch kommen. Also lässt er sich überreden / und hebt von[310] Neuem wieder an /mitzuspielen. Ob er widerum etwas dabey erobert /oder noch mehr verlohren habe; ist mir nicht bewusst.

Nachdem es Abend worden / geht er / seines Weges / heim. Bald aber hernach / kommt ein Hirt mit Schafen / und rufft ihm bey Namen: Schreck! mache mir doch die äussere Gattern auf: daß ich die Schafe kann um den Grabē hintreiben. Er / der anderst nicht gedenckt / als es sey ein bekandter Schäfer / geht hin / und macht auff. Da tritt der Hirt gegen ihm herein / und spricht: Weisst du / daß du mir dich hast heut ergeben / und gelobt mein zu seyn /so du weiter würdest spielen? Hiedurch hast du deine Freyheit verspielt / und bist nunmehr mein.

Wie diese Prætension und Anspruch dem Thorwärter müsse gefallen haben / steht leicht zu ermessen. Er ward seines eigenen Namens / nemlich deß Schreckens / gantz voll; rieff aber den Namen JEsu an / und flohe davon / so eilfüssig / als ihm möglich fiel; ließ auch alsofort die Geistlichen zu sich erbitten: welche / mit ihm / beteten. Denen er auch diese seine Sünde reuig bekennete / und / von dem ungesegnetem Hirten / als dessen Schlachtschaf er zu werden / nicht begehrte / weiter unangesprochen blieb. Wie ihm derselbe dann auch nicht nachgesetzt / als er / den HErrn JEsum anruffend / davon gestrichen; sondern samt den Schafen / verschwunden.

Es geht aber darum nicht allezeit so gnädig ab: wie man / mit vielen Exempeln / könnte beglauben. Denn dieser schreckliche Bär / und höllische Bestie /[311] der Satan / weiset nicht allemal so nur allein den Fluchern seine Tatzen; sondern hat auch manchem wol gar den Hals damit gebrochen / oder umgedreht / oder ihn mit sich davon geführt / und den Leib zerrissen / die Seel aber hinab / in das Reich der Flucher und Verfluchten / gerissen.

Manchem Ruchlosem fahren zwar die Flüche nacheinander heraus / als wie der Rauch aus dem Schlott /und ein Dampff aus einem Morast / oder gerührtem faulem Haufen; ohne daß ihn darüber der Teufel / mit der geringsten Anfechtung schreckte. Aber er ziehet gegen den allerverwigtigsten Bösewigtern / seine Bären- und Leuen-Tatzen gern ein; biß er Macht gewinnt Leib und Seele dahin zu reissen.

In dem jüngsten Frantzösischen Kriege der Frantzosen und Holländer / hat ein Soldat / unter der Armee deß Hertzogs von Luxenburg / zu Utrecht / da er nebenst Andren in Besatzung gelegen / als er gespielt / einen bösen Wurff / mit den Doppel-Steinen /gethan / und sich so hefftig darüber erbost / daß er den Sanct Christoph verflucht / weil er GOtt den HErrn / (nemlich das Christ-Kindlein) nicht im Meer ersäufft hette / da er denselben / auff den Schultern /hindurch getragen. Denn (sagte der Ertz-Bube) auff solchen Fall / würde der Teufel mehr Gewalt haben / als er jetzo hat / und ich würde grössere Macht haben / durch den Teufel. Sollte man nicht gedencken / die Hölle hette gleich ihren Rachen auffgesperrt / und diesen leichtfertigen Vogel im Augenblick verschlungen? oder der Teufel dieses Teufels-Kind / das ihm grössere Gewalt / weder GOtt dem Herrn /[312] wünschete / alsofort überwältiget / und zerrissen? Nichts ist ihm gleichwol darauff widerfahren.

Eben in selbiger Stadt / spielte ein Frantzösischer Edelmann unglücklich / und verlohr / samt dem Gelde / so gar alle christliche Ehrfurcht für der Göttlichen Majestet / daß er die Karten unten mit beyden Händen oben mit den Zähnen / fassend / und nach dem Himmel hinauffschauend / sagte: So ich denselben hette / der eine Ursach meines Spiel-Verlusts ist / wollte ich ihn / wie diese Karte / zerreissen. Das gesagt /zerriß er sie / zu kleinen Stücken. Bestie! Wann du nicht die Langmut GOttes hernach vielleicht noch erkannt / und Busse gethan hast; daran schier sehr zu zweiffeln: so ist kein Zweifel / GOtt habe dich / durch einen unseligen Tod / schon zur ewigen Straffe gezogen. Denn die Verweilung der Rache macht keinen glückseliger / sondern vergrössert ihm sein noch bevorstehendes Unglück. Seynd diese zween Gottslästerer nicht gleich / über dem Spielen / dem Satan in die Klauen gefallen: hat er sie doch vermutlich / nach der Zeit / durch feindliches Kriegs-Geschoß / nunmehr längst zur Beute bekommen. Man lasse sich derhalben ja nicht wundren / noch im fluchen sicher machen / daß die wenigsten Flucher / vom Teufel / corrigirt /und geschreckt werden / und den allerabscheulichsten Gotteslästerern vielmals kein Ubels begegnet: Denn der Satan begehrt solche frevelhaffte Buben nicht /vor der Heimholungs-Zeit / zu schrecken: sie mögten sonst / wie obiger Soldat in Glücks-Stadt / zur Reue greiffen / und sich bekehren. Er siht sie / in seinem Netze / herum hupffen; will derwegen nicht / mit Prügeln /[313] darunter werffen / sondern der Zeit lieber erharren / daß er Leib und Seele zugleich berücke / ihren verstockten Geist endlich in endbeharrlicher Ruchlosigkeit / überfalle / und zum Raube dahin nehme.

Fußnoten

1 Plutarch. in Apophtheg.


2 Chokier in Aphorism. polit. c. 20.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 305-314.
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