XLVI.


Die Verlassenschafft deß gespenstischen Banckets.

[424] Insgemein hinterlassen die Gespenster nichts / als Gestanck / und Erkranckung denen / welchen sie erscheinen: In dieser Geschicht-Erzehlung aber / wird ihre Verschwindung eine reiche Beute von gutem Silber hinterlassen / und / ob gleich wider Willen / einem Potentaten solches abstehen.

Mir haben etliche glaubhaffte Leute die Gewißheit bezeugt / daß / zu Friederichs / deß Dritten / Königs in Dennemarck und Norwegen / Regierungs-Zeiten /[424] folgende Abentheurligkeit vorgegangen.

Man hatte eine offentliche Zusammenkunfft nach Flensburg (wiewol ein Andrer mir / von einem andren Ort gesagt) ausgeschrieben / welcher auch der / nunmehr selig-ruhende König / durch seine Gegenwart /einen Glantz gegeben; als / unter andren Cavalliern und von Adel / gleichfalls einer dahin zoch / den man schier unter die Ruchlosen zehlete / und der weder Teufel / noch Gespenst / glaubte: wie man denn / jetziger Zeit / solcher Leute noch wol genug antrifft / die ein Gespött daraus machen / wann sie / von Gespenstern / reden hören / und es Alles / für betriegliche Einbildung / ausgeben.

Dieser Cavallier / oder Edelman / war so spät angelangt / daß nirgends Raum mehr für ihn übrig geblieben / ohn allein in einem solchen Hause / da ihm der Wirth auffrichtig zu vernehmen gab / es wären alle seine Zimmer / von Fremden / schon eingenommen /biß auff ein einiges: darinn er aber selber ihm nicht rahten mögte / zu übernachten / weil das Ungeheuer daselbst gewaltig rumorte / und ihn leicht / durch übermachten Schrecken / gefähren dörffte.

Er / dessen Verwogenheit dergleichen Gefahr /eben so viel / als Sicherheit / oder kindisch- und aberglaubische Thorheit / und vielleicht dieses / für eine rechte Gelegenheit den unerschrocknen Mut zu bewehren / achtete / gab lächlend zu verstehn / daß er /für Mährlein / oder falschen Einbildungen keine Furcht hette: hat nur / um ein Licht. Welches er auff den Tisch stellete / und gantz allein[425] dabey sitzen blieb; um desto gewisser / mit wachenden Augen /sich zu versichern / daß er nichts gesehen hette / oder / im Fall sich ja etwas sehen liesse / er / beym Licht /erkennen könnte / ob es nicht etwan ein gemacht- oder ertichtetes Gespenst wäre / und dasselbe fein beleuchten mögte.

Der Wirth willfahrte seiner Vermessenheit / ließ ihm Liechts genug / und wünschte ihm eine bessere Nacht / weder er für ihn hoffte; in Meynung / dieser freche und kühne Gast hette vielleicht eines Schweiß- Bads vonnöthen / welches er anjetzo / in diesem unsicherem Zimmer / wolfeil genug bekommen würde.

Solche Vermutung fehlte auch nicht. Es war die Nacht noch nicht gar halb; als sich / nach und nach /etwas / in dem Saal / anfing / immer stärcker zu rühren / und ein Getöß über das andre hören ließ. Welches aber sein gefasster Mut / zu überhärten / und wider den anschaurenden Schrecken / sich männlich zu halten / strebte. Unterdessen ergrösserte sich das Geräusch / und machte ihm gleichfalls / mit der Zeit auch / vor Furcht / seine Haut gleichsam rauschen /als ein Aspen-Laub: wie sehr er auch / sich selbsten zu bereden / bemühet war / daß mans nicht achten müsste / der Bestürtzung den Streit anbot / und die flucht-fertige Hertzhafftigkeit anzuhalten / ringte.

Nach einem ziemlich-langen Vorspiel / Gepolter /Gauckeley / und Getümmel / kommt / durch den Schlot und Kamin / (angemerckt / man derer Oerter deß Kamin-Feuers sehr gewohnt ist) bald ein Bein /bald ein Arm / hernach der Bauch / Brust / und endlich der Kopff herab / und / wird aus[426] solchen partibus integrantibus, oder Haupt-Stücken und fürnehmsten Theilen menschliches Leibes / geschwind ein gantzer menschlicher Körper / in Gestalt eines Lakeyens /oder Trabantens / zusamm gesetzt. Gleicher Weise fallen ihrer mehr / nach ein ander herab. Welches Alles der Edelmann / mit erstarrten Augen / so lang ansihet / biß zuletzt die Thür deß Saals aufgeht / und der helle Hauffe einer völligen Königlichen Hofstat herein geht.

So bald hatte sich derselbige nicht zu dem Tisch genahet / als unser redlicher Edelmann / von dem Tisch auffsprang / und sich / mit aller seiner Resolution / hinter den Ofen / retirirte: Weil er / vor denen im Wege stehenden menschlich-gelarvten Gespenstern zur Thür nicht hinaus kunnte. Er sahe / wie man / im Augenblick / die Tafel deckte / und mit Königlichem Tractement anhäuffte / auch mit vielem silbern und güldnem Trinck-Geschirr besetzte.

Wiewol er selbst / unter diesen verdächtigen Gästen / ein Gast zu seyn / schlechten Appetit hatte: kam doch bald Einer / begehrte / er solte / als ein Gast und Fremdling / mit zur Tafel kommen / und vorlieb nehmen. Weil er aber sich weigerte / ward ihm ein grosser silberner Becher dargereicht / um denselben / auf Gesundheit / resolut Bescheid zu thun. Der gute Kerl /welcher nunmehr gar zu starck glaubte / daß es würcklich Gespenster gäbe / und sich / vor grausender Bestürtzung kaum besann / nahm das Trinckgeschirr zwar an; zumal weil es schien / als würde man ihn nöthigen. Jedoch weil ihm / ehe denn er[427] ansetzte / ein schreckliches Grausen anstieß; fing er an / in solcher zittrenden Angst / GOtt anzuruffen / um Schutz und Bewahrung.

So bald hatte er diese Anruffung kaum gethan / als / im Augenblick / aller Pracht / alles Geplerr / und das gantze Banquet / samt den seltsamen und stoltzen Gästen / verschwand.

Der Nam JEsus ist nicht nur ein Schild / sondern auch Schwert / ja ein rechter Donnerschlag / wider die böse Feinde / wodurch sie / aller ihrer Stärcke / List /und gaucklischer Pracht / ungeachtet / in die Flucht geblitzet werden.

Ob nun gleich Alles andre / nemlich die Hofstat /samt den Speisen / im Augenblick dem Auge entrissen war: behielt doch nicht allein der Edelmann den silbernen Becher / welchen man ihm gereicht hatte zum austrincken / in der Hand: sondern es hinterblieb auch alles Silber-Geschirr / so auf die Tafel kommen war / samt dem einigen Licht / welches ihm gehörte. Daher er solches / am folgenden Morgen / zu sich genommen / in Meynung es für sich zu behalten. Als aber der regierende König / Friedrich der Dritte / hievon Bericht empfangen: ist Alles / von demselben / in Beschlag genommen / unter dem Titel / daß es solche Sachen / so der höchsten Lands-Obrigkeit heimfällig wäre. Allein weil der Edelmann einen rechtlichen Anspruch darauf zu haben vermeynte / als auf einen solchen Fund / den GOtt ihm / fur seine ausgestandene Todes-Angst und Lebens-Gefahr / hette zu Theil werden lassen: (wie denn auch / drittens / wol der Hauswirth sich hette mit drum anmelden können) ließ man diese Frage /[428] an die juristische Faculteten unterschiedlicher hoher Schulen gelangen: welche Alles dem Könige zugeurtheilt.

Wo aber besagtes Silberwerck eigendlich hergekommen / hat man nicht erfahren / und derhalben der König es / als einen gefundenen Schatz / oder verlassenes und ihm heimgefallenes Gut / für sich eingezogen. Vermutlich ist es ein vergrabener Schatz gewest /oder ein solches Silberwerck / das der Teufel / von vielen reichen / und fürnehmen Hexen / gesammlet: die / aus Sorge entdeckt zu werden / weder ihren Namen / noch Wapen haben drauff stechen lassen. Wie man denn auch so / ohne dem / selten ein silbernes Tafel-Geschirr / imfall es nicht etwan eines Königs oder Fürstens ist / mit Namens-Buchstaben /oder Wapen / bezeichnet antrifft. Es kann doch gleichwol auch diß Silber-Geschirr / von vielen Beutelschneidern zusammen getragen seyn.

Der verruchte Edelmann hat allein / zur Vergeltung seines Angst-Schweisses / die Gewißheit und Beweisung erhalten / daß gewißlich Teufel und Gespenster seyen; die Einem zwar Schätze zeigen / aber nicht zueignen. Womit er müssen vorlieb nehmen; als Einer der diesen Schatz / im Schweiß seines Angesichts /nicht gegraben / sondern nur ungefähr erblickt / und gefunden hatte / dazu nicht in seinem eigenem Hause; sondern in eines Andren.

Ich gebe aber diese Erzehlung / wie ich sie habe empfangen; und erinnere mich / daß ich eins fast dergleichen anderswo gelesen. Weiß aber nicht / ob an beyden / oder nur einem Ort / solches[429] sich begeben: Denn es geschicht dergleichen wol öffter / als ein Mal / oder an einem Ort allein; wiewol mit etwas veränderten Umständen.

Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 424-430.
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