LXII.


Der gehemmte Bad-Teufel.

[564] Die Bäder der Alten waren gar weitläufftig / und viele derselben überaus prächtig. Unter solchen seynd zwar nicht alle dem Antoninischem und Diocletianischem ähnlich: deren jenes wunder-hoch / von dem schönsten Marmel aufgebaut / und mit mächtig-grossen Seulen geziert war; dieses aber auch jenem / weder in der Grösse / noch andrer prächtiger Ausarbeitung /um einen Fuß breit gewichen / so gar / daß es gleichfalls vielmehr eine entsetzliche Höhe gehabt / daran hundert und viertzig tausend Menschen / viel Jahrelang / gebauet.1 Ob nun gleich andrer privat-Personen / oder auch gemeiner Stadt offentliche / Bad-Häuser solchen grossen Herren es nicht gleich thun kunnten: mangelte es ihnen doch nicht / an ziemlicher Weitläufftigkeit und Vielheit[564] der Stuben / oder Kammern: Wofür ich billig Gewelber schreiben sollte: angemerckt / sie unterschiedliche gewelbte Gaden gehabt /welche so wol oben / als unten / in gewisse und mancherley Gemächer abgetheilt waren.

Dergleichen Bäder richteten auch die Städte / in andren Ländern / an / wo die Römer / mit ihrem Regiment / hingelangten. Denn diese verpflantzten / nebst ihrem Obgebiet / auch zugleich ihre Sitten / und Weise zu leben: Welche / von den fremden Ländern /in so weit / als sie gemäch- und ergetzlich fielen / gar gern nachgemacht wurden. Denn Wollust unterhält die meisten Affen. Wiewol sie / die Römer selbst / an denen Orten / da sie regierten / oder / als hohe Befehlhaber deß Keysers / zu gebieten hatten / gemeinlich auch allerley Bequemlichkeiten / und unter andren auch die Bäder / stiffteten.

Weil nun solche Bäder / von Vielen / zur Uppigkeit und Wollust / nur mißbraucht worden indem die Wenigsten / mit gleichem unsträfflichem Sinn / wie Tertullian / gebadet / und demselben nicht ein Jedweder hat mit Warheit nachsprechen können / Non lavor diluculo Saturnalibus, ne & noctem & diem perdam: Attamen lavor honestâ horâ & salubri, quæ mihi & calorem & sanguinem servet.2 Ich bade nicht / in Faßnachts-Zeiten / mit anbrechendem Tage: damit ich nicht beydes die Nacht und den Tag einbüsse: doch gleichwol bade ich / zu einer Stunde / da es erbar /[565] und heilsam ist / so wol die Wärme / als das Blut zu erhalten: Weil / sag' ich nicht ein Jeglicher so mässig und ziemlich badete; sondern mancher / aus pur lauterer Wollust / Weichlichkeit / und Zartheit / also / daß / gleichwie der Leib mit warmen Wasser / also das Gemüt mit dem Unflat geyler und üppiger Gedancken / übergossen wurde: so erwehlte auch der böse Geist / in manchen Bädern /sein Wohn-Haus und Thurnier-Platz / und pflag diejenige / welche sich / ohne Gesellschafft / oder bey Nachtzeiten / darinn auf hielten / offtmals sehr zu schrecken.

Dergleichen / vom Gespenst vexirter / Bäder gedenckt Gregrius Nyssenus, im Leben Gregorii Neo Cæsariensis, und schreibt / daß die Gespenster darinn viel Ubels gestifftet / also / daß Keiner / der bey Nacht hinein gegangen / am Morgen wieder heraus gegangen / ohn allein der Diaconus Gregorii Neo Cæsariensis: welchem / weil er sich / mit dem Zeichen deß H. Kreutzes / gesegnet / nichts Ubels darinn begegnet ist.

Es beschreibt solches erstberührter Gregorius Nyssenus, mit diesen Worten:

Als der Diaconus, am Abend / gantz müde von der Reise / in die Stadt gekommen / hat er sich / zur Erquick- und Erfrischung seines Leibs / eines Bades benöthigt zu seyn geachtet. Es regierte aber / an selbigem Ort / ein gar boshafftes Gespenst / und rechter Mord-Geist: welcher selbst denen / welche / nach eingebrochener Finsterniß / darinn badeten / den Kopff (so zu reden) häßlich zwagete / das ist / ihnen am Leben Schaden that. Darum pflag mans / so bald die Sonne[566] untergangen / zu schliessen / und Niemande mehr / darinn zu baden / erlauben. Dieser Diaconus aber hielt inständig an / mit Bitten / man sollte ihms doch öffnen / und das Bad / dessen er so hoch / zur Ersetzung seiner Müdigkeit / anjetzo bedörffte / nicht verweigern. Der Meister / oder Vorsteher selbiges Bades / bezeugte ihm aufrichtig / daß er noch wol grössere Ursach wüsste / warum das Bad / bey gegenwärtiger später Zeit / mehr schädlich / als nützlich wäre / und er ihm / durch die gesuchte Aufsperrung /nur eine Thür / zu seinem Untergange / aufthun würde: weil bißhero noch keinen Menschen / der / um diese Nacht-Zeit / hineinzugehn / sich gewagt / seine eigne Füsse wieder heraus getragen: sintemal der Teufel sie Alle übermeistert / und ihrer Vielen / so nichts um solche Ungelegenheit gewusst / es gar übel ergangen / indem sie / an stat gesuchter Leibs-Erquickung /die Unterdrückung oder Erstickung / oder aufs wenigste harte Verletzung desselben empfunden / und hernach / an stat Warm-Wassers / in heissen Threnen der Ihrigen gebadet / ja aus dem Bade / bald hernach / ins Grab getragen worden. Er hielt aber ferner an / man mögte ihn doch nur hinein lassen: also reichte ihm der Aufseher den Schlüssel / und begab sich / von der Badstuben / damit hinweg.

Nachdem er nun hinein gekommen / und sich abgekleidet; hat der Teufel bald mancherley Schrecken erregt / durch furchtsames poltern / rasseln und werffen; auch / nach der Hand / sich in allerley Gestalten sehr entsetzlich vorgestellet / und unter andren wie Rauch und Feuer. Weil aber besagter[567] Ertz-Diaconus sich /mit einem gläubigem Gebet / verwahrt / und offt gesegnet: ist dem Satan dadurch seine Gewalt und Macht gebrochen / und zunicht worden. Wobey insonderheit der heilige Gregorius von Neu-Cæsarien /von Fernem / auch abwesend viel ausgerichtet / indem er / eben damals diesen verreiseten Diaconum, in seinem Abend-Gebet / und Nacht-Seufftzern der Göttlichen Bewahrung fleissig empfohlen.

Als nun der Diaconus genug gebadet / und vermutlich nicht nur natürlich / sondern auch / etlicher Massen / vor Angst / geschwitzt; und der Teufel die ihm von GOTT gesetzte Schrancken nicht übergehen dörffen: hat dieser / der Bösewigt nemlich / beym Herausgehen deß Diaconi, überlaut gesprochen: Wärest du nicht / von deinem Hüter so recommendirt / und durch deß Gregorii Stimme so eyfrig verbeten worden; solltest du mir / mit dem Leben / wol nicht seyn davon gekommen. Das Zeichen deß Kreutzes / womit du dich gesegnet / ist dein Schild / und gedachte Stimme dein Harnisch gewest / wider meine Pfeile.

Dieser Mann hat also ein gesegnetes Bad gehabt /da / wo Andre ungesegnet gebadet / und das Leben verschwitzt. Daran wir ein Beyspiel erkennen / daß GOTT allenthalben Meister und Gebieter sey / auch allerdings an solchen Orten / wo / so zu reden / alle die lebendigen Teufel los und ausgelassen sind; und daß derjenige / welcher unter deß Höchsten Schutz ist / auf Leuen und Ottern gehen könne.[568]

Was den Gottlosen zur Niderlage / das geäht den Frommen zum Triumph: und wer den Stärckern zum Schutzherrn hat / dem müssen die Starcken / im Streit / gewonnen geben.

Fußnoten

1 Vid. Andr. Palladium de Antiquit. Urbis Romæ.


2 Tertullian. in Apologet.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 564-569.
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