LXIII.


Das Berg-Männlein.

[569] Daß nicht nur / in der Lufft / und auf Erden / fürnemlich / an wühsten Oertern / in Wildnissen / und sonderlich an solchen Stäten / da grosse Missethaten /und schändliche Buben-Stücke geschehen / die bösen Geister sich auf halten; sondern auch / und zwar viel öffterer / unter der Erden / in den Berg-Gruben / in sichtbarer Gestalt / sich den Arbeitern weisen; ist /durch tägliche Erfahrungen / unleugbar worden / und bezeugen solches nicht nur die Berg-Leute; sondern auch manche gelehrte Scribenten.

Olaus Magnus vergewissert es / mit diesen ausdrücklichen Worten: Man weiß gewiß / daß die Teufel / welche man Wigtelein / oder Berg-Männlein / nennet / denen Einwohnern deß Landes zur Hand gehen / und viel Arbeit verrichten; sonderlich in den Ställen / und Bergwercken / da sie die Steine zerbrechen / und zerschlagen / und alsdann in die Eymer werffen / womit man sie heraus zeucht / die Rollen einheben / die Seiler darum thun; als wollten sie gleichsam viel[569] ausrichten. Sie lassen sich auch bißweilen sehen / und erzeigen sich / in angenommener Gestalt der Bergleute; verlachen / verblenden sie / und trei ben allerhand Gespött mit ihnen / um sie dadurch zu betriegen; ruffen sie bißweilen / an einen andren Ort. Wenn sie dann dahin kommen; so ist Niemand vorhanden. Sie werffen ihnen etwas unter die Hand: Und wenn solches die Arbeiter wollen angreiffen; so ist nichts mehr da; sondern verschwindt.1

Fast dergleichen zeuget Lavaterus, wenn er schreibt: Die Metall-Gräber bezeugen / daß / in etlichen Ertz-Gruben Gespenster / oder Geister sich sehen lassen / die nach der Bergleute Weise bekleidet. Diese lauffen herum / in den Schachten / Grüfften /und Ertzgängen / scheinen sich / mit allerley Arbeit /zu bemühen / da sie doch nichts thun; Adern aufzugraben / das ausgegrabene zusammen zu tragen / in die Eymer auszuschütten / etc. Man sagt / daß sie wunder-selten den Bergleuten was Leides thun / daferrn sie / von denselben / nicht ausgelacht / oder mit Scheltworten angegriffen werden: Denn so werffen sie / nach ihnen / mit Sand-Steinlein (oder grobem Sande) oder verletzen sie / auf andre Weise. Man sagt aber / daß sie fürnemlich / in solchen Ertz-Gruben /wandeln / die voll Metalls stecken.

Er erzehlet hievon ein Exempel dieses Inhalts. Bey Tafuns, in den Graupüntnerischen Alp-Gebirge / war eine Silber-Grube / darein[570] der Burgermeister deß Orts / Namens Peter Buol, ein braver Mann / viel Geldes gesteckt / auch keinen schlechten Gewinn daraus erhoben. In selbiger Gruben / ist ein Berg-Teufel gewest / welcher / wann die Arbeiter das gegrabene in die Eymer schütteten / gemeinlich am Freytage / sich sehr geschäfftig angestellt / und das Metall / aus einem Gefäß ins andre / gegossen. Welches der Burgermeister sich nicht hat verdriessen lassen; doch aber / so offt er / in den Berg hinab fahren und wieder hinauf steigen wollen / sich / mit dem Zeichen deß Kreutzes / gesegnet; und niemals / von dem Geist / beleidiget worden. Es begab sich aber / eines Tages / daß der Berg-Teufel sehr importun und beschwerlich sich erzeigte: Darüber ward einem Arbeiter der Kopff warm / also / daß er ihn / mit vielen Scheltworten / sich forttrollen hieß / an den Galgen / und dazu / im Zorn /weitlich fluchte. Wie nun das Gebet deß Menschen Harnisch / wider den Bösewigt ist; also ist der Fluch seine Entwaffnung und Blössung / gegen der Gewalt deß Teufels: und das eräugnete sich hier alsofort. Denn der Geist erwischte den wünschenden und fluchenden Berg-Knappen beym Kopff / und setzte ihm denselben so übel zurecht / daß das Antlitz auf dem Rucken zu stehn kam. Doch ist der Mensch nicht gleich davon todt / sondern noch eine Zeit hernach /mit also verdrehetem Kopff / und verkehrtem Angesicht / im Leben geblieben. Gestaltsam ihn viel Leute / so zu deß Lavateri Zeiten annoch gelebt / wol gekannt / und in solcher Miß-Gestalt gesehn. Jedoch ist er / wenig Jahre nach solcher Verstellung deß Haupts /[571] gestorben. Dieses Exempel hat Lavaterus, aus der Feder eines gelehrten und gottsfürchtigen Manns / der ihms vergewissert / seiner Schrifft von den Gespenstern einverleibt.2

Georgius Agricola, ein Mann / der in dem Bergwerck / und dessen Gelegenheiten / ungemeine Erfahrenheit gehabt / ertheilet / durch sein Gezeugniß / und ausführliche Beschreibung / uns die Versicherung /daß es keine Mährlein / was man von den Berg-Gespenstern / insgemein sagt. Wir mögen (spricht er) drüber lachen / oder nicht; so ist doch gleichwol /aus der Erfahrung / gnugsam bekandt / daß / in etlichen Berg-Gruben / eine Art von Teufeln herum gehe: Deren etliche den Metallgräbern keinen Schaden thun; sondern nur / in den Gruben / (und Klüfften) oder Schachten / herum schweiffen / und fleissig zu arbeiten scheinen; da sie doch nichts verrichten. Denn bald durchgraben sie einen Gang / (oder Ader) bald fassen sie das (vermeyntlich) gegrabene in den Eymer /bald arbeiten sie an der Rolle / als wollten sie etwas hinauf ziehen; bald vexiren sie die Bergleute / und machen dieselbe irre. Am allermeisten thun sie solches / in denen Gruben / daraus viel Silbers gegraben / oder / zu erlangen / gehoffet wird. Andre aber seynd gar schädlich; wie der /welcher / vor etlichen Jahren / die Ertz-Gruben zu S. Annæberg / so man die Rosenkron heisset /[572] dermassen verunsicherte / daß er zwölff Bergknappen / wie vielen Leuten bekandt ist / umgebracht / auch deßwegen selbige Grube / ohnangesehn sie Silber-reich war / verlassen worden.

Bald hernach schreibt er: Etliche / unter ihnen /seynd / wie gedacht / so bös / daß die Bergleute sie scheuen / wie die Pestilentz / und für ihnen fliehen. Andre hingegen seynd sanfftmütiger: und die Berggräber sehens nicht ungern / sondern wünschen vielmehr / und haltens für eine glückliche Bedeutung /daß dieselbe offt herzu kommen / und sich / mit ihrer (Gauckel-)Arbeit hören lassen.3

Eben dieser Author machet anderswo / zwischen diesen Berg-Teufeln / eben dergleichen Unterscheid /und berichtet / daß etliche sehr trutzig / grausam und schrecklich anzusehn / den Bergknappen sehr gefähr /und aufsetzig seyen. Dabey ziehet er abermal an / zum Exempel / den Annæbergischen Geist / in der Rosen-Kron; mit fernerem Bericht / daß derselbe erschienen in Gestalt eines sehr lang-hälsigen Pferdes / mit grimmen Augen / und einen Dampff / aus seinem Rachen /geblasen; und / wie vor gesagt / zwölff Arbeiter ums Leben gebracht. Ein solcher ist auch (seines Berichts) der zu Schneeberg gewest / der eine schwartze Kappen getragen / und in der Georgens-Grube / einen Bergknappen / von der Erden / aufgehoben / und auf die öberste Stäte der allertieffsten Hölen (oder[573] Gewelbes) so ehmals Silber gab / nidergesetzt / nicht ohne Verletzung seines Leibes. Und / bey den Türcken / ist ein Jud gezwungen worden / eine Gewinn-reiche Grube zu quitiren / von einem Metall-Teufel / der den Leuten offt erschienen / in Gestalt einer Ziegen mit güldnen Hörnern.

Psellus (schreibt er weiter) setzet sechserley Arten der Geister / und giebt diese / für schlimmer / aus. Etliche Philosophi nennen diese Geister / die schädlich / und boshaffter Natur sind / viehische und unvernünfftige. Hernach giebt es auch sanfftmütige / welche von etlichen Teutschen / wie auch Griechen / Cobali benamset werden: weil sie es den Leuten nachmachen. Denn sie lachen /gleichsam vor Freuden / und stellen sich / als ob sie gar viel thäten / da sie doch das geringste nicht thun.

Von Andren / werden sie Bergmännlein genannt / nach der Statur / oder angenommener Leibes-Masse / so man / an ihnen / insgemein erblickt: denn sie erscheinen / wie Zwerge / dreyer Spannen lang; und zwar / wie alte Männlein / gekleidt wie die Bergmänner / in einem gekappten Hemde / und mit einem / um die Lenden herab- hangendem Leder. Diese pflegen den Ertz-Gräbern keinen Schaden zu thun; sondern schweiffen herum / in den Schachten / und Gängen / etc. etc. darinn man allbereit die Metallen gräbt / oder auch vermuten kann. Weßwegen die Bergleute dadurch / von[574] der Arbeit / nicht abgeschreckt; sondern / als durch ein gutes Zeichen / aufgemuntert werden / desto hurtiger und eyfriger drauf zu setzen / und stärcker zu arbeiten.4

Schwenckfeld und Schicksusius erzehlen / von einem Venetianischem Kauffmann / daß als derselbe den so genannten Riesen-Grund an den Böhmisch-Schlesischen Grentzen durchgesucht / er endlich / an dem Fluß auf eine Wiese / unferrn von dem Ursprunge deß Flusses Zacke, gekommen / und daselbst /unter gar hohen Felsen / viel Goldes und Edelgesteinwercks gegraben; daran ihn zu verhindern / sich ein böser Geist sehr bemühet habe / und deßwegen mancherley Gestalt an sich genommen; dessen ungeachtet / der Venetianer gleichwol tapffer fortgegraben /gleich als sähe er dergleichen Nichts: da gleichwol die Einwohner so viel Muts nicht haben / diesem Kauffmann es nachzuthun; weil / ihrem falschem und furchtsamen Wahn nach / selbiges Gespenst sehr vielen Leuten den Hals umgedrehet haben soll.5

Balbinus schreibt / daß / gleichwie / schier auf-oder an allen Böhmischen Metall-Bergen / Kirchen der Heiligen stehen / also unter denselben die Berg-Hölen / von den bösen Geistern / bewohnt werden /welche / in der Finsterniß daselbst / nemlich in den Ertz-Gruben / dominiren. Insonderheit berichtet Zacharias Theobaldus, von den Geistern in dem Cubitensischem District, daß sich dieselbe den[575] Metall-Gräbern offt ins Gesicht stellen / wie alte Männer / so drey Elen lang / denen der Bart biß auf den untersten Bauch herab hange; und zwar bißweilen in Bergmanns-Kleidern / mit Laternen / Schlägeln / Hammern / und andrem Geräht / aufgezogen kommen; und so man ihrer nicht spottet / noch ihnen sonst einige Widerwertigkeit zufügt / sondern sie mit Frieden lässt / werden sie Einem keine Beschwerniß machen: An gewissen Orten aber doch / wüten sie / und erscheinen in grimmiger Gestalt.

Aus einem geschriebenem Buch von dem Cutnensischem Bergwerck / gedenckt ersterwehnter P. Balbinus, daß man sie / zu Cutna, offt / in grosser Anzahl /habe gesehn / zu den Berg-Gruben hinein- oder herausfliegen; und wann kein Bergknapp drunten / sonderlich aber wann ein grosses Unglück und Schade obhanden gewest / habe man die Geister hören scharren / graben / stossen / und stampffen / und andre Berg-Arbeiten mehr vorstellen / bißweilen auch wol /nach gewisser Masse / wie die Schmiede auf dem Amboß pflegen / das Eisen umkehren / und mit Hammern schlagen.

In eben denselbigen Berg-Hölen höret man auch vielmals gar subtil klopffen oder hämmern und bicken / als ob drey oder vier Schmiede etwas fliessen. Dannenhero solche Geister / von den Böhmen / Haus-Schmiedlein benamset werden.6 Wiewol diese nicht nur / in den Berg-Gruben / sondern auch in manchen Häusern / gehört[576] werden / vorab wann eine merckliche Verändrung zu Freud / oder zu Leid / vorgehen soll.

In der berühmten Berg-Gruben zu Kuttenberg /welche man Smytna genannt / haben / Anno 1509 /die böse Geister / auf eine Zeit / angefangen / gewaltig zu arbeiten. Man hörte viel Tage und Nächte nacheinander / von aussen zu / wie geschäfftig sie sich erzeigten / mit graben / und andrer Arbeit. Solches wird / in der Cuttnensischen Histori / für eine Vorbedeutung gehalten deß Tods-Falls der Bergleute daselbst; die hernach / in selbiger Gruben / das Leben eingebüsst. In selbiger historischer Beschreibung / wird vermeldet / daß / zehen Jahre hernach / eben daselbst / die Teufel / in grosser Anzahl / und unterschiedlicher Gestalt / aus unterschiedlichen Orten / durch die Lufft geflogen / und von den Bürgern deß Orts gesehn worden.7

Manche wunderliche Köpffe werffen alle dergleichen Erzehlungen / unter die Mährlein: und wann sie je nicht leugnen können / daß die Bergleute offt etwas solches sehen / oder hören; begehren sie doch nicht zu gestehen / daß es Berg-Geister seyn; sondern schreiben es den starcken Einbildungen zu. Wenn aber solche Einbildungen hiebey Raum fünden; würde der verständige und hocherfahrne Medicus, Thomas Bartholinus, der sonst in allen seltsam-lautenden Sachen / nach Möglichkeit / natürliche Ursachen hervorsuchet / und woferrn sich nur der geringste Schatten[577] derselben äussert / alsofort die Natur / für eine Würckerinn solcher Begebenheiten / erkennet / nicht schreiben: Die Norwegische Berg-Gruben machen / daß wir / an denen unterirdischen Teuflein / nicht zweifeln: sintemal diese daselbst / nicht selten / erscheinen. Und solches zu beglauben / zeucht er an / aus einem Schreiben seines Sohns Christophori Bartholini, der / aus Curiositet / mit seinem Oheim / Johannes Finch / die Silber-Gruben allda besichtiget hat / diese folgende Nachricht / welche ich / aus der Lateinischen / in Teutsche Sprache versetzen will.

Den Berg-Arbeitern bringen fürnemlich die unterirdische Gespenster Hoffnung zur guten Ausbeute /wenn sichs begiebt / daß man sie erblickt. Ich selbst (sagt er) habe / mit demjenigen Bergmann / geredet /dem / als er / in der Gruben / gearbeitet / ein Berg-Teufel / mittelmässiger-Statur / mit einem langen Bart / aber über dem gantzen Leibe schwartz / an die Seiten getreten. Als dieser schwartze Gesell angekommen / redete er kein Wort; sondern bot dem Arbeiter /aus einer Büchsen / ein Taback-Pulver dar. Derselbe aber ward drüber ungedultig / daß ihn der Geist / in seiner Arbeit irre machte; und warff die Taback-Büchsen / aus der Hand / zur Erden. Hierauf flog ihm der Erd-Teufel gleich ins Gesicht: Dieser setzte sich /mit seinem in der Hand haltendem Instrument / behertzt zur Wehr; zoch aber bald den Kürtzern /musste die Flucht ergreiffen / und aus der Gruben hinauf eilen. Indem er nun den Schacht hinauf zu steigen / sich äusserst bemühet / fühlet sein Rucken eine so überaus schwere[578] Bürde zum Anhange / daß er / solche Gefahr / mit äusserster Krafft-Anstreckung / sich kaum entziehen kunnte.

Endlich ist er doch / durch GOttes Hülffe / entrunnen; hat sich aber / von den Nägeln deß Teufels / sehr übel zugerichtet / und verwundt / sein Hemd zerrissen / auch sonst überall seinen Leib / wie eine gemahlte Tafel / das ist / gebräunet / gebläuet / und blutrünstig gefunden; also / daß / biß auf diesen Tag / ihm die Wund-Malen / aus dem Gesichte / noch nicht vergangen.

Neulichst (setzt derselbe jüngere Bartholinus hinzu) hat ein andrer Bergknapp den Herrn Finchen sehr demütig gebeten / er mögte doch erlauben / daß er / in eine andre Ertz-Grube / versetzt würde; weil ihme ein unterirdisches Gespenst so hefftig zusetzte /daß er seiner anbefohlenen Arbeit nicht recht vorstehn könnte. Demselben hat man diesen Raht gegeben /daß / so bald das Gespenst käme / er demselben alsofort / ehe denn jenes die Arme bewegte / eine Ohrfeige geben sollte.

Es urtheilet aber der ältere Bartholinus christweislich / es stecke mehr Krafft / und Nachdruck / darinn /daß man andächtig bete / und sich / mit dem lieben Kreutz / segne: Sintemal solches die rechte πανοπλία oder Rüstung / wider den Satan / ist.8 Denn jener heilige Führer und Leutenant Christi / spricht nicht: Gebet dem Teufel Ohrfeigen; oder bietet ihm Axt / Schlägel / und Stösse an! sondern: Ziehet an den Harnisch[579] GOttes: daß ihr bestehen könnet /gegen die listigen Anläuffe deß Teufels. Ergreiffet den Schild deß Glaubens.9 Und ein andrer Vorgeher / in dem Goliaths-Kampffe / vermahnt gleich also: Widerstehet dem Teufel fest / im Glauben.10

Es hausen aber nicht nur in unsren Europæischen Berg-Gruben; sondern auch / in andren / so ausserhalb Europa ligen / dergleichen Gespenster. Die Schwartzen (oder Moren) in Guinea / pflegen / von den Ertz-Gruben und Schachten daselbst / wunderseltsame Sachen (Mährlein giebts der Author Africæ; aber unbillig: sintemal es gar zu wol glaublich ist) zu erzehlen; nemlich / daß man daselbst ein grosses Getümmel und Geschrey höre / und sich niemand (aufs wenigste kein Heide) unterstehen dörffe / allda (allein etwan) zu bleiben: Imgleichen / daß die Bergleute und Gold-Gräber offtmals mit Gewalt heraus gejagt werden; da sie doch Niemand sehen können: Daß auch / zum offtern / ein güldner Hund / oder dergleichen Thier sich sehen lasse; doch gleich wiederum pflege zu verschwinden. Und was dergleichen Gespenster mehr.11

Wie nun dergleichen Exempel uns gnugsam überführen / daß solche unterirdische Gespenster / in keiner blossen Phantasey / oder falschen Einbildung deß Menschen / bestehen; sondern ein würckliches[580] Wesen seyen: also gelüstet manchen Leser / zu wissen /wofür solche Geister dann anzusehen / für rechte Geister / oder für Mittel-Geschöpffe zwischen Menschen und Thieren? für lauter Teufel / oder theils für gute Engel? Derhalben werde ich hievon etwas discurriren.

Petrus Tyræus wähnete / die Cobeln beydes in den Häusern / und Bergwercken / wären gar keine Teufel /noch Geister; sondern gewisse kleine Menschlein /oder vielmehr ein Mittel-Geschlecht zwischen Menschen und Thieren / die / unter menschlicher Leibs-Gestalt / mit ihrer besondern und eignen Seele belebt /und an geheimen Oertern verborgen steckten / jedoch bißweilen den Leuten sich ins Gesicht stelleten.

Diesem Wahn hat nachmals auch Philippus Theophrastus Bombastus von Hohenheim / sonst insgemein Paracelsus benamst / aus gewöhnlicher Lust-Seuche seltsamer Meynungen / seine Stimme zugelegt / und dieselbe eyfrig verfochten; vorgebend / GOTT hette / ohne die Nachkommen Adams / überdas noch viererley Mensch-Arten erschaffen / mit Fleisch / Bein / und Vernunfft / begabt / und denselben / in jedwedem Element / eine Wohnung gegeben / darinn jedes Geschlecht seine Republic haben / durch Handel und Wandel / und Arbeit / ihme selbsten Nahrung und Kleidung verschaffen sollte: Unter denen nennete man diejenige Pygmæer / und Gnomos, welche / unten in der Erden / lebten; die aber / so in den Wassern /Nymphen und Undenas; die / in der Lufft / Sylphas und Melusinas; und endlich die / im Feuer / Vulcanen / und Salamandern.[581]

Ich will seine selbsteigene Worte erzehlen: welche /weil sie fast eben so abentheuerlich und unförmlich gesetzt sind / als wie die Meynung selbst lautet /einem forschgierigem Auge billig vorgelegt werden /gleich einer wundersamen Mißgeburt / die so wol den Anschauer eine Weil an sich halten kann / als wie eine schöne Gestalt.

Das sollen wir wissen / (sagt er) daß GOtt / in allen Elementen / lebendige Kreaturen geschaffen hat / und nichts hat lassen leer seyn / nicht allein Unvernünfftiges / sondern auch Vernünfftiges. Als nemlich / im Wasser / sehend ihr die Fische; in der Erden / den Talpam (oder Maulwurff.) Wie ihr nun da sehet / also gedenckt nicht anders / im Lufft / im Himmel / seynd dergleichen animalia, die da leben: als / im Lufft / Matene, das ist / Mücken; im Himmel / Tortelleos. Noch auch zu dem /ein lebendig empfindliche Kreatur / in Geistsweise: als / im Wasser / die Nymphen; in der Erden /die Gnomi; im Lufft / die Lemures; im Himmel /die Pennates.

Was er aber / durch die Gnomos, verstehe / nemlich die Bergmännlein / erscheinet / aus diesen seinen folgenden Zeilen.

Damit ich (aber) desto leichter verstanden werde / von was für Superis ich rede; zeige ich sie hie an / daß sie seynd im Firmament / und wohnend im selbigen / mit allen Weisheiten und Verstanden / und Künsten / und dergleichen Wirckungen über die Natur: bey uns in der unsern (soll vielleicht[582] heissen untern) Globul gleich den Bergmännlein / Lemuribus etc. also sollen wir wissen / daß nicht allein wir Menschen / auf Erden /solchen Verstand allein haben / also / als ob es sonst nichts wäre / als allein der Mensch / in dem der Verstand wäre: sondern es seynd noch mehr /in denen solcher Verstand / und mehrer auch ist /dann im Menschen / in allen dem / das die Natur antrifft / im natürlichem Verstande. Denn GOtt ist wunderlich / in seinen Wercken und Geschöpffen / der ohn End wunderbarlich den Menschen /als den edelsten Kreaturen / selbst Alles zu philosophiren befohlen hat / und zu erforschen die Natur; damit sie die Wunderwerck GOttes herfür zeige / etc.

Hernach will er / zwischen diesen Allen / und uns /den Unterscheid eröffnen / wie folget:

Wie ich gemeldet habe / von den Saganis der vier Elementen / wie sie in denselbigen wohnen /nicht bey uns Menschen; so ist / zwischen denselbigen / und uns / ein solch Unterscheid: daß wir Menschen seynd durch GOtt geschaffen / innen und aussen mit der Seele ohne Tod: welche Seele die andren nicht haben: wol menschliche Vernunfft und Kunst / aber menschliche Seele nicht /sondern menschlich seynd sie. Die Gnomi haben alle Kunst der Menschen / und beweisens auch; die Nymphen auch; also auch die andren. Da ist aber keine Seel / für die Christus gestorben sey; allein für die[583] Menschen; und für die Menschen /mit deren Blut und Fleisch Er geredt hat.

Hieraus könnte man zwar seine seltsame und mißbürtige Meynung allbereit zur Gnüge erfassen: weil er aber die Wunder-Brut seines eigen-sinnigen Gehirns noch besser an die Sonne legt / und erklährt; müssen wir seinen thörichten Einfällen noch weiter aufmercken.

Vom Menschen (schreibt er) sollen wir wissen /daß er keines Elements ist: sondern er ist frey /also / daß er nicht der Erden / nicht deß Wassers / nicht deß Himmels / nicht deß Luffts / allein ist: sondern aus ihnen allen lebt er / und wandelt in ihnen allen / und alle Dinge seynd von Seinentwegen geschaffen / und er ist der / dem sie gehorsam müssen seyn. Aber die Gnomi bleiben in der Erden / mögen deß Luffts / deß Firmaments / deß Wassers / nichts / gleich einer Schermaus: Die Nymphæ, im Wasser allein / gleich einem Hering: Die Lemures, im Lufft / gleich einem Vogel. Der Mensch aber ist nicht in Elementen körperlich; sondern frey auf der Erden / und nicht in der Erden; auf dem Wasser / und nicht im Wasser; unter dem Himmel / und nicht im Himmel; neben dem Lufft / und nicht im Lufft: und ist doch in allen vieren der Centrum (das Centrum) in den alle vier operationes, und ihren reflexum auf ihn geben / und ihre radios alle in ihnen. Damit so wisset die Unterscheid auch / die da ist zwischen[584] dem Verstand deß Menschen und den Saganis, ein Unterscheid zwischen ihren beyden Weisheiten / Kunst / Wirckungen und mansionen (oder Aufenthalt und Quartier.) Aber alles solches melde ich darum an / daß der Mensch nicht soll vermeynen / es sey kein Ertzmann nicht / als er allein; so doch die Gnomi noch besser sind / und gar im Ertz wohnen: oder / daß er allein wisse / was im Wasser sey / so doch die Nymphæ im Wasser darinnen gar seynd vielmehr wissend: deßgleichen auch nicht mehr wisse / was im Lufft sey / als die Lemures, oder daß er allein der Philosophus sey deß Luffts; die Lemures wissen noch mehr: also auch die Superi mehr wissen / im Firmament /denn der Mensch. Der Mensch weiß allein zu philosopiren / was ihm zukömmt; als / was auf dem Erdreich ist / als Laub und Gras / und was die mineralia aus dem Wasser herfür treiben; was das Firmament / und aër, herfür geben; da gehet seine Philosophey an. Aber die Saganæ wissend /was in der prima materia ist / im selbigen zu philosophiren und operiren; das mehr ist / und höher zu achten / denn die Philosophey der ultimæ materiæ. Wiewol der Mensch primam materiam auch versteht: so ist ihm doch gleich / als Einem / der von Ferne / in einer Schmieden / sihet schmieden: Der darinn ist / ist gewisser / denn der / der darfür ist / etc.12 Was[585] er weiter dazu thut / gehört hieher nicht / und wird derhalben billig vorüber gegangen.

Solche ungesunde Lehre treibt dieser sonst berühmte Gesund-Macher und Artzt / auch an andren Orten mehr; sonderlich / in der Schrifft von den Nymphen / Sylphen / Pygmæern / und Salamandern; wie nicht weniger / im fünfften Tractat seines Buchs von der geheimen Philosophia / da er / von den Menschen und Geistern unter der Erden / handelt. Woselbst er /diejenige zu widerlegen / bemühet ist / die solche Bergmännlein / Kobeln / und Schrötlein / entweder für gute Engel / oder für eine Gattung böser Geister /oder für blosse Gespenster für Hexen-Wercke / für Seelen der Verstorbenen / oder derer / die ihre Schätze vergraben / oder für eitle und leere Einbildungen und falsche Gesichter / achten. Er lehret / auf was Weise sie dem Satan / etlicher Massen / verwandt / und / in welchem Verstande / sie / ob sie gleich beleibt / dennoch Geister können genannt werden. Er will sie lieber Sylphes und Pygmæos / als mit ihren / seinem Vorgeben nach / eigendlichem Namen / genannt wissen / weder Schröt- oder Bergmännlein / wie man sie ins gemein sonst heisst. Wie solches dieser sein Discurs / in bedeutetem Buch / von der geheimen Philosophia / ausweiset:

Sie sind nicht Geister / wie andre Geister; aber den Geistern gleich zu rechnen / in aller Vermöglichkeit und Kunst; haben doch Fleisch und Blut /wie die Menschen: das sonst kein rechter Geist hat; Wie dann Christus sagt / zu seinen Jüngern.[586]

Und / über ein wenig hernach / schreibt er: Wollen sie je Geister genennt werden / so mag mans irdische Geister nennen / von wegen deß / daß sie /unter der Erden ihr Chaos, und Wohnung haben / und nicht / wie andre rechte Geister / in Lüfften wohnen. Derhalben man dieser irdischen Geister sonderlich viele sindt / spühret / siht / und höret /wo grosse Schätze / und Reichthum / verborgen ligen. Also auch / wo köstliche gute Bergwercke von Gold und Silber sind: Denn daran haben sie ihre Lust und Freude / verhürens / und lassens nicht gern von sich. Wie dann die Bergleute von ihnen viel erfahren haben; werden auch viel von ihnen verhindert und angefochten / in mancherley Weise und Wege / etwan von ihnen verfolgt /geschlagen / oder geworffen. Hingegen erzeigen sie auch offt grosse Wolthat / und verkündigen Einem den Tod. Also / wo mans höret klopffen /zum ersten / andren / und dritten Mal / demselbigen Ort bedeuts einen Tod deß Bergmanns / der daselbst seine Arbeit hat. Entweder er wird / vom Bergwerck / bedeckt / oder kommt sonst um sein Leben. Das ist nun / bey den Bergleuten / eine gewisse Erfahrenheit / und die Berg-Verständige haben grosse Achtung auff solche Dinge. Es sind auch diese Geister der bösesten Geister / ob allen andren Geistern / die nicht Teufel sind; sonder lich wem sie übel wollen. So ist auch / zwischen dem Teufel / und diesen / ein grosser Unterscheid. Der Teufel stirbt[587] nicht ab; so diese (doch) absterben. Darum mangelt ihnen dieses allein / das ist das / daß sie absterben / nach langem Leben: sonst würden sie auch billig Geister genannt; aber zuvor nicht: Denn die Geister leben ewig und sterben nicht ab. Darum / was Leib / Fleisch /und Blut hat / dem Tod unterworffen ist / und je einmal absterben muß.13

Er ist auch / mit der gemeinen Sage / daß der Teufel reich / und ein Herr über alle Schätze sey / nicht zu frieden; spricht / der Teufel sey die allerärmste Kreatur / besitze nichts / theile auch nichts aus / verlange auch nichts; sondern die Besitz- und Austheilung derselben stehe diesen Sylphen und Pygmæern zu. Von welchen er dieses hirnschellige Urtheil fället:

Es sind rechte wesendliche Leute / deren in allen vier Elementen wohnen / die in den ersten Zeiten der Natur / offt sind für GOtt gehalten /und angerufft worden. Und das sind eben die /davor uns GOtt der Allmächtige warnet / in seinem Gebot / in der ersten Tafel Moysi / wir sollen nicht andre Götter / neben Ihm / haben / weder die im Wasser; da meynet Er die Nymphen; noch die unter der Erden; da er die Sylphes und Pygmæos meynet: denn Er allein sey ein eyfriger GOtt / der da heimsuche solche Missethat der Väter / an ihren Kindern biß in das dritte und vierdte Glied. Was er vorhin /[588] von ihrer Leib- und Sterblichkeit / gesetzet / das bestetigt er nicht allein /bald hierauff; sondern spricht ihnen auch das ewige Leben ab / wann er sagt: Sie sind beydes dem natürlichen / und ewigem Tode / unterworffen / und sind deß ewigen Lebens / und der ewigen Freude beraubt.

Doch giebt er gleichwol so viel zu / daß auch diese Geister (wie seine Worte lauten) dem Teufel nahe verwandt / und offtermaln auch GOttes Hencker sind. So sind sie auch offt unsre Warner / Wächter / und Beschützer / in grossen Nöthen /helffen offt Einem außm Gefängniß / und dergleichen Hülffe mehr.

Scheinet / Theophrastus habe sich (wie gelehrte und gewissenhaffte Medici dafür halten) dieser schwartzen Nothhelffer jemaln bedient / oder auffs wenigste ihrer abergläubischen Erfindungen; und dafür ihnen / zur Danckbarkeit / dieses Lob sprechen wollen.

Ob er sie nun gleich / für solche Nothhelffer / ausrufft; will er doch keinem rahten / daß er sie zu sich ruffe / oder / durch schwermütige Gedancken und Einbildungen / einen Zutritt öffne. Gestaltsam diese seine Rede solches verwarnet:

Wie wir sie aber zu uns bringen / daß sie uns leiblich erscheinen / zu uns kommen / mit uns reden / uns helffen / und rathen / etc. ist nicht gut / dasselbige offentlich zu beschreiben / und anzuzeigen; um groß Ubels und Mißbrauchs willen /so mit (unter) würde lauffen. Aber so viel sage[589] ich doch / daß allein unser Glaube / unsere Gedancken / und unsere Imagination, solches kann und vermag. Darum man einen solchen Menschen /der also / mit traurigen / schwermütigen / bösen Gedancken / und Imaginationibus, beladen / und überfallen wird / nicht allein soll lassen; sondern /bey ihm / frölig und guter Dinge seyn / viel mit ihm reden / von viel und mancherley kurtzweiligen Dingen / ihn auch ernstlich ermahnen / daß er solcher Imagination vergesse / und ihm die böse gefährliche Gedancken aus dem Sinn schlage. Denn weder der Teufel / noch diese irdische Geister / feyren / sondern verfügen sich bald zu solchen Leuten. Daher kommts / daß etliche Leute /und fürnemlich die Kindbetterinnen / zu Nacht /im Schlaffe / gedruckt werden / daß sie vermeynen / sie müssen ersticken / können darzu nicht schreyen / oder Jemands ruffen / zu Morgens sprechen / Mich hat heint Nacht ein Trut gedruckt / ist ein alter Mann / oder alt Weib / gewesen / etc. Haben je und allwege vermeynt / es seyen Hexen: so doch die Hexen leiblich / durch kein beschlossene Thür / oder Fenster / mögen /noch können / einkommen / wie diese Sylphes, und Pygmæi, können. O du zweifelhafftiger Mensch! und kleinglaubiger Petrus! der du dich einen jeglichen Wind bewegen lässest / und so leichtlich sinckest! Du bist / an Solchem / selbst schuldig. Dein verzweifelter Glaub / der so schwach und klein in dir ist / auch deine eigensinnliche[590] böse Gedancken / bringen dich dahin / und fügen dir solches zu. Darzu hast du einen Magneten in dir verborgen / darmit du solches an dich zeuchst. Das ist der himmlisch Magnet über alle andre Magneten / die da Eisen und Stahl aufheben / und an sich ziehen; auch über die quintam essentiam, oder constillirten Magneten / welche das verfallen und verborgen Eisen verrahten / und offenbar machen. Dann der himmlisch Magnet ist einer solchen grossen Macht / daß er / über hundert oder tausend Meil / ja Alles / was er will / aus den vier Elementen an sich zeucht / wann er in seine exaltation geht.14

So viel man aus diesem Allen begreifft / vermag die Meynung Paracelsi dieses: Daß die Berg-Männlein solche Pygmæer seyen / wovon die Alten geschrieben; und daß sie solche Menschen / die zwar mit uns nicht allerdings eines Geschlechts / jedoch /dem Wesen nach / wahre Menschen / und von uns nicht unterschieden / als allein an der Seelen; unterdessen doch der Vernunfft sich so wol gebrauchen /als wie wir / ja / mit Wissenschafft / Kunst / und Klugheit / uns Alle weit übersteigen. Also eignet er ihnen hiemit denn auch rechte natürliche Leiber zu: sintemal er schreibt / daß sie einen wahren und begliederten Leib haben / leben / und sterben / auch etwas wircken / künsteln / und dergleichen.

Seine Ursachen / oder Beweisthüme / darauf er diesen seltsamen Wahn gegründt / scheinen[591] folgende zu seyn: I. Weil GOTT der HErr allmächtig / und von unendlicher Krafft; daher Er viele und mancherley Dinge schaffen könne. Zweytens: Weil diese Dinge unsren Sinnen begreifflich und bekandt sind. Drittens: Weil sie Blut / und Gliedmassen haben. Vierdtens: Weil sie leben / und lebendige Würckungen thun / wie wir Menschen; auch / gleich uns Menschen / sterben.

Hieher gehört / an Stat seines fünfften Beweisthums / was er / in seiner Schrifft von den Meteoris, setzt. Ich sage solches darum / daß wir / in der Meteorica, wissen sollen / daß verstanden Geschöpff (verständige Geschöpffe will er sagen) mit menschlicher Vernunfft und Sinnlichkeit / in solchen Elementen wohnen und seyn. Dann nehmet euch für viel Wunderwerck / so durch die oberste Generationes geschehen / in die Erden herab / die ohne solchen Verstand nicht geschehen mögten. Denn wie mögte es seyn / daß ein Strahl so gerad in das Ort schlagen müsste / und nicht in ein anders: Daraus gut zu nehmen / und zu ermessen ist / daß solches durch Verstand geschicht der Obern / id est, Superorum. Die Superi seynd die Pennates. Und solches zeige ich darum an / daß wir endlich und gründlich verstehn und wissen sollen / daß solche Kreaturen im Firmament seynd / die solche Wissenheit tragen / wie ein Geist: was in der Welt ist / daß auch / im Firmament / Wissenschafft bey ihnen sey. Dann sich soll in dem Niemands[592] verwundern; Es ist warhafftig von Gnomis, von Nymphis, so ist es doch wunderbarlich. Jedoch ist es schon über deß Menschen Verstand /wie bißher; so ist es doch also / und das Werck beweiset es.15

Aber es müsste Einer ein sehr schwaches Gesicht haben / der nicht den Ungrund alles solches Geschwätzes erblickte / und wird derhalben unvonnöthen seyn / durch ausführliche Widerlegung / denselben zu entdecken. Es seynd kaum so viel Zeilen / els grobe Fehler darinn. Unter denen dieser nicht der geringsten / sondern ansehnlichsten / einer ist / daß er die Bergmännlein / für Pygmæer / achtet: daraus seine schlechte Erfahrenheit in den Geschicht-Büchern hervorblickt. Denn die so genannte Pygmæi / oder Trochlodytæ (wie sie / von theils Alten / genennet worden) wohneten zwar in Hölen; doch darum nicht überall / in allen Ländern; dazu auch eben nicht in Berg-Hölen / oder Ertz-Gruben.16 Wiewol Andre / zwischen den Pygmæern und Troglodyten / unterscheiden / und jene für ertichtete Zwerch-Völcker / diese aber für rechte / doch sehr wilde Völcker ausgeben / die /wie Mela schreibt / keine rechte Ausprache gehabt /sondern mehr gekirret und geschnarret / weder geredet / in die Hölen gekrochen / und daselbst / von Schlangen / sich genährt.17[593]

Weil die Paracelsische Pygmæi ihren Ursprung und Untergang nehmen / entstehen und vergehen; so erfordert man billig / von ihm / ein urkündlich-historisches Gezeugniß ihrer Geburt / Herkunfft und Fortpflantzung? Seynd sie geborne Menschen / so müssen sie je / aus fleischlicher Zusammenkunfft und Vermischung beyderley Geschlechts / männ- und weibliches / erzeuget seyn / wie andre Menschen und Thiere. Von solcher Erzeugung und Unterscheidung deß Geschlechts der Berg-Pygmæer ist / in keinen historischen Schrifften / ein einiger Tüpffel zu finden / viel weniger von ihm etwas dargethan: also haben sie keiner andren Gebär-Mutter ihren Ursprung zu dancken / als seiner Phantasey. Es mögte denn das Pygmæer-Geschlecht etwan / nach Spagyrischer Kunst / aus menschlichem Saamen / in einem Distillir-Glase (Cucurbita) oder Pferde-Bauch / durch die Putreficirung / hervorgebracht seyn. Massen er eine solche Erzeugung und Ursprung sonst solchen Geschöpffen zuzueignen pflegt / die uns / seines Vorgebens / an Weisheit übertreffen / und dieselbe Geschöpffe zu erkennen / für eines der höchsten Geheimnissen preiset / so GOtt denen tödtlichen und sündlichen Menschen hat wissen lassen. Ja! er titulirt solches ein Miracul / und Magnale DEI, ein Geheimniß über alle Geheimnisse; so auch billig ein Geheimniß bleiben soll / biß zu den allerletzten Zeiten / da nichts verborgen bleiben / sondern Alles offenbart werden wird.

Daß er aber die Gnomos dieser Zahl auch mit einrechne / und allen Geschöpffen / so auf solche[594] Weise entstehen / grosse Wunder zulege / erhellet / aus diesem seinem Zusatze:

Wiewol solches bißanhero dem natürlichen Menschen ist verborgen gewesen: so ist es doch den Sylvestris, und den Nymphen / und Riesen /nicht verborgen / sondern vor langen Zeiten offenbar gewesen; daher sie auch kommen. Dann aus solchen homunculis, so sie zu männlichem Alter kommen / werden Riesen / Zwerglen / und andre dergleichen grosse Wunderleute / die / zu einem grossem Werckzeug und Instrument / ge braucht werden / die grossen gewaltigen Sieg /wider ihre Feinde / haben / und alle heimliche und verborgne Dinge wissen / die allen Menschen sonst nicht möglich seyn / zu wissen. Dann durch Kunst überkommen sie ihr Leben / durch Kunst /überkommen sie Leib / Fleisch / Bein / und Blut; Durch Kunst / werden sie geboren. Darum so wird ihnen die Kunst eingeleibt und angeboren /und dörffen es von Niemand lernen / sondern man muß von ihnen lernen. Dann von der Kunst seynd sie da / und aufgewachsen / wie eine Rose oder Blum im Garten / und werden der Sylvestern und Nymphen Kinder geheissen / darum /daß sie / mit ihren Kräfften und Thaten / nicht Menschen / sondern sich Geistern vergliechen.18[595]

Aber ich muß aufhören / die Paracelsische Weiber-Mährlein zu beschreiben: sintemal eben so wenig Geschmacks und Saltzes / in seinen Worten / als in seinen Getichten / zu finden.

Jedoch damit seine vermeynte Beweisthümer nicht gar unbeantwortet bleiben: wollen wir sie ein wenig /auf die rechte Vernunfft-Wage / legen. GOtt (schreibt er) ist allmächtig / und unendlicher Krafft. Wol! aber gibt das einen Beweis / daß Er / um solcher seiner unermeßlichen Krafft und Allmacht willen / Alles schaffe / und wircke / was dem Paracelso träumet /oder zu fabuliren / beliebt? Mit der Weise / liesse sich gleichfalls beweisen / daß alle Abrahams-Kinder / aus den Steinen / bürtig wären: Denn Christus sagt /GOTT könne dem Abraham auch / aus den Steinen /Kinder erwecken. Mit eben so einem strohernem Beweis-Grunde / haben etliche Stern-Kündiger darzuthun / gehofft / daß auch die Sterne / von verständigen Geschöpffen / bewohnt würden; weil GOttes Weisheit und Allmacht viel grösser / weder ein Mensch ermessen könnte / zudem auch der Erdbodem allein viel zu klein und zu gering wäre / daß die / darauf wohnende / Menschen Ihn gnugsam loben und ehren könnten. Was für eine Albertet ist es aber doch / daß man entweder die Zahl / oder die Lobsprechung der Menschen / der unendlichen Allmacht GOttes vergleicht?

Von nicht besserm Korn und Schrot ist sein zweyter Schluß: Weil wir die Cobeln / mit unsern Sinnen / erfassen; so müssen es natürliche Körper seyn. Oder: Weil wir sie[596] sehen / so müssen sie natürlich Leiber haben. Denn hierum wird eben gestritten / ob sie / weil sie uns zu Gesichte kommen / in einer gewissen Gestalt / in einem rechten Leibe / oder nur in einer phantastischen und schattirten Fürstellung / uns erscheinen? Angemerckt / aus ihrer blossen Annehm- und Fürstellung menschlicher Figur / kein Schluß gezogen werden kann / für ihre wahre Leiblichkeit / oder menschliche Wesenheit. Sonst müsste ein Konterfeyt auch ein Mensch seyn / weil es einem Menschen gleich sihet / und der Spiegel einen rechten menschlichen Leib erfassen / indem er die Gestalt deß Menschen erfasst / oder zurück giebt.

Den dritten Schluß / daß sie Blut / und einen begliederten Leib / haben / muß Paracelsus erst beweisen. Denn was selbst unterweislich ist / kann / zu Erweisung eines Andren / nicht taugen. Vielleicht hat Paracelsus einem Bergmännlein zur Ader gelassen /oder das Maul blutig geschlagen / daß er so ungescheut ihnen Blut zuschreibt. Welches aber schwerlich geschehen ist: sintemal er sonst / ohne Zweifel /eine sonderbare Essentz / Tinctur / und dergleichen /daraus bereitet / und allen Sachen / so von Menschen-Blut kommen / weit vorgezogen hette: weil jene / seinem Schwarm nach / viel eines edlern Herkommens. Nachdemmal aber / in allen seinen Schrifften / kein Tröpflein davon anzutreffen: so glaubt man auch nicht / daß er jemals einiger Essentz / oder Tinctur /von seinen erträumten Pygmæis, fähig worden.[597]

Noch ungereimter fabulirt er / mit seinem vierdten Beweis / von dem Absterben der Cobeln / und Bergmännlein. Vielleicht hat er einen darunter / zu Grabe /kurirt / oder begleitet / und daraus die Künheit eines so vermessenen Ausspruchs erlangt.

Gantz erbärmlich / kräncklich / und hyppocratisch gefärbt sihet sein fünffter Beweis / der von dem richtigen und ungefehltem Einschlagen deß Strahls genommen ist. Der Strahl von einer Fackel / von einem Licht / oder Feuer / wie auch aus der Sonnen / fähret auch gantz richtig / an gewissen Ort; sollte deßwegen eine vernünfftige Kreatur darinn sitzen? Eben so übel geht die Folge von statten / welche / mit deß Paracelsi seinem Strahl / geflogen kommt.

Betreffend aber dieses sein Fürgeben / daß die Bergmännlein bekörpert seyen; so ist nicht ohn / daß etliche fürnehme Schrifft- und Vernunfft-Lehrer der Meynung gewest / es wären alle Engel / und Geister /beleibt / und Niemand ohne Leib / als GOTT allein. Vor andren / hat Michaël Psellus, ein gelehrter Philosophus, der ungefähr tausend Jahre nach Christi Geburt gelebt / insonderheit ernstlich dafür gestritten; und berufft sich / unter andern / darauf / daß die Geister vielen Alt-Vätern leiblich erschienen. Und der alte Lehrer Basilius, welchen auch bemeldter Psellus mit anzeucht / vermeynte / daß nicht nur die Teufel /sondern auch die Engel / beleibt wären. Zur Bescheinung dessen / bezeucht er sich / auf die Worte deß Königlichen Propheten / Davids: Du machst deine Engel zu Winden /[598] (ὁ ποιῶν τὸς ἀγγέλoς πνεύματα) und deine Diener zu Feuerflammen: Denn die Engel und Ministern (oder Diener) so in ihre Aemter und Provintzen abgefertigt werden / müssen ja einen Leib haben / daß sie sich bewegen und ruhen / und erscheinen können. Denn auf andre Weise / kann solches nicht geschehn / als vermittelst eines Leibes.19

Evodius erzeiget sich / in einer Epistel / an den Augustinum, gleich also gesinnt: und Augustinus selber stehet dieser Meynung nicht hart entgegen; nemlich daß die Engel etwas Leibliches / wiewol gar Subtiles / an sich haben. Justinus Martyr, Tertullianus, Cyrillus Alexandrinus, Hilarius, Ambrosius, und noch Andre mehr / urtheilen gleich also.

In diesem Welt-Alter (oder Seculo) haben gleichfalls etliche solcher Meynung beygepflichtet. Darunter auch der gelehrte Medicus und Philosophus Sonerus, weiland Professor, auf der Hohen Schul zu Altdorff: welcher aber mit weit ansehnlichern Beweisthümern /weder besagte Väter / hervor kommt.20 Und hiedurch / sollte man gedencken / hette Paracelsus nun viel zu fürnehme Beystimmer hierinn / als daß man seinen Satz so gar verwerffen / und verhönen könnte.[599]

Allein es fehlt noch Himmel-weit / daß darum seine Meynung so erträglich wäre / als dieser trefflichen Lehrer ihre. Denn ob gleich diese den Engeln rechte Leiber zueignen; verstehen sie doch keine solche / wie die unsrige / die natürlich / und aus den Elementen gemischet / dazu den Affecten / Gemüts-Regungen /und Leidschafften (oder Passionen) unterworffen sind; sondern solche / die über unsre leibliche Natur weit erhöhet / und einer himmlischen Art / dazu unsichtbar / unvergänglich / und unsterblich / ja also beschaffen /daß man sie / mit gutem Recht / Geister nennen könnte. Also haben sie demnach den Engeln / und Teufeln / keinen blossen Leib nur / sondern / neben dem Körper / oder vielmehr zu dem Körper / auch noch anders / das gantz spiritalisch / zugeschrieben; bevorab Augustinus. Denn sonst hetten sie ihnen eine weit schlechtere Natur / als den Menschen / zugeeignet. Welches hoch gefehlt wäre / und ihnen (den lieben Vätern) nicht zuzumessen: sintemal sie vielmehr die engelische zwischen GOttes / und der Menschen /als eine Mittel-Substantz / betrachten.

Aber so glimpflich geht Theophrastus nicht; sondern macht die Berg-Geister / zu Menschen / und menschlichen Körpern / ja / wenn mans recht nachdencket / zu viehischen Körpern; sintemal er dieselbe nicht allein dem Leibe / sondern auch der Seelen nach / für sterblich / ausgiebt. Derhalben kann solcher Mißverstand der lobwürdigen Väter dem groben und ungeschwungenem Fürgeben Paracelsi, zu keiner Decke / gereichen.[600]

Hernach so ist auch bemeldte Mutmassung gedachter Väter / von allen andren Vätern / dazu vielen jüngern Lehrern der Schrifft und Philosophiæ, gründlich widerlegt; auch so gar von dem Lateranensischem Concilio für einen solchen Satz / der zwar eigendlich nicht ketzerisch / dennoch von Ketzerey nicht gar ferrn sey / erklährt worden.

Den Schein-Gründen besagten Soneri, welche / auf Aristotelischen Grund-Sätzen / guten Theils / gebauet / und meisterlich wol beschönet worden / hat der / in GOtt nunmehr ruhende / Professor Felwinger, die Farbe abgewischet / und das Gegentheil richtig behauptet.21 Wiewol auch / vor diesem / der scharffsinnige Scheiblerus solchen Wahn der engelischen Leiblichkeit / mit guter Vernunfft / bestritten / und überwunden / und zwar / unter andren / mit diesen fast kräfftigen Folgereyen. Wann die Engel einen Leib hetten; müssten sie materialisch seyn / gewisse Masse und Statur / und folgends die Inpenetrabilität /haben. Das ist / sie würden / wegen der dreyfachen Körper-Maß / nicht können durchdrungen werden /noch ihrer Viele zugleich in einem Punct (wodurch das Griechische Wörtlein ποῦ allhie verstehe) noch /mit einem andren Körper zugleich / auf einer Stelle /seyn. Welches doch gleichwol falsch / und sich viel anders befindt: angesehn / die Engel / in einem überall fest vermaurtem / und versperrtem / Gefängniß /erscheinen /[601] und ihre Gegenwart stellen können. Wie man dessen gewisse Exempel hat. Daraus erscheinet /daß weder die Länge / noch Breite / noch Dicke / und Festigkeit der Mauren / den Engeln widerstehe / oder verhinderlich falle. So lieset man auch in heiliger Schrifft / daß in einem einigem Besessenen eine gantze Legion / das ist / sechstausend / oder siebendhalb tausend Teufel / ihr Quartier gehabt. Welche grosse Menge / bey einem einigen Menschen / keinen Raum hette gehabt / wenn ein jeglicher böser Engel daselbst einen solchen besondern Ort besessen / davon er einen andren Teufel / und dessen vermeynten Leib /hette ausgeschlossen.22 Noch ein und andres / so dieser Hochgelehrter zum Beweis darstellet / laß ich aus: weil es mit lauter Kunst-Wörtern setzt worden / die /in unsrer Teutschen Sprache / dem Leser gar zu schwer vorkommen dörfften.

Wer von dergleichen Gegen-Gründen einen Auszug und Kern verlangt / kann auch deß gelehrten Spannischen Rechtslehrers / Francisci Torreblancæ Dæmonologiam23 durchsehen: darinn er dieselbe / in etwas engerer Verfassung antrifft.

Ich muß aber dennoch bekennen / daß diejenige Väter / so die Engel für einiger Massen beleibt ausgegeben / doch noch einen Ruck-Streich thun / und damit / alle bisher angezogene Gegen-Schlüsse / zu Boden legen mögten. Denn sie könnten unterscheiden einen englischen und menschlichen Leib /[602] und sagen /Jener sey gleich den glorificirten Leibern der Heiligen im ewigen Leben. Welchen dieses zugeignet wird /von gar fürnehmen Theologis / daß es geistliche /dennoch aber rechte / wahre Leiber seyn werden /denen gleichwol keine Maur / noch sonst etwas / widerstehen solle; sondern die Alles durchdringen / ja auch wol (wie Etliche noch dazu thun) ihrer viel mit einander / in einer Stelle / seyn werden können. Kann doch die Lufft / kann doch der subtile Wetter-Strahl /durch andre harte Körper / fahren / und hört darum doch nicht auff körperlich zu seyn: Wie viel leichter würde denn ein glorificirter Leib / ohne Anstoß / alles gleichsam durchfliegen: Nun könnten aber solche Englische Leiber den glorificirten Menschen-Leibern gleich seyn: Weßwegen es nichts Ungereimtes / daß man jenen eben die Vollkommenheit zurechnete /deren diese dermaleins sollen theilhafft seyn: Weil denn der Engel Leiber nicht / gleich unsren sterblichen Leibern / natür- sondern gleich jenen unsterblichen / übernatürlich seyen; schliesse man / mit denen / wider sie vorgebrachten / Ursachen / so viel / als Nichts. Und das gewinnet keinen schlechten Schein. Denn / durch gemeldte Ursachen / können den Engeln nur natürliche / und keine über unsre jetzige Natur erhabene / Leiber abgesprochen werden.

Hie muß gewißlich die Vernunfft das Gewehr niderlegen / und den Glauben allein die Sache ausmachen lassen: Welcher einen solchen Schluß macht: Was die Heil. Schrifft selbst sagt / das fehlet nicht. Sie sagt / ein Geist hat nicht Fleisch und Bein: Darum fehlet solches nicht. Wie wann aber Jemand dennoch wiederum[603] auch diesen Streich ausnähme / und versetzte: Ob der Engel gleich / weder Fleisch / noch Bein habe; könne er doch wol einen andren / viel subtilern und himmlischen Körper haben? Da würde es abermal schwer zugehen / daß man die Sache recht hebte. Daß ein glorificirter Leib eine Maur durchdringen könnte; beweist der aufferstandene Leib deß Allerheiligsten. Daß aber viel verherrlichte Leiber /gleich wie die Geister / miteinander auff einer Stelle /und gleichsam in einem Punct / sich enthalten könnten; wie zwar etliche berühmte Theologi eben so wol dafür halten; bedarff eines Beweises: und denselben wird man / weder aus Heil. Schrifft / nach aus gründlicher Vernunfft / aufbringen. (Von dem verhimmelten Leibe deß Sohns GOttes / wird allhie nicht geredt) Augustinus / und andre Lehrer / sagen gleichwol / daß die verklährte Körper haben sollen veri corporis modum die Masse oder Quantität eines rechten Leibes. Und solches erfolgt auch aus dem Trost-Spruch Hiobs: Ich werde / mit dieser meiner Haut / umbgeben werden.24 Und jener Märtyrer / im zweyten Buch der Maccabæer / tröstet sich damit / GOtt werde / ihm diese seine Glieder wol wiedergeben.25 Soll uns denn ein Corpus organicum, ein begliederter Leib wieder gegeben werden; so muß ein solcher Leib auch seine rechte Quantitet und Grösse haben. Welches aber / gar nicht seyn könnte / wann viel glorificirte Leiber / gleich wie die Geister / auff- und in einerley Punct / beysammen seyn könnten. Denn[604] es könnten nicht einmal einer einigen Person Gliedmassen / ohne Zerrüttung / und gäntzliche Entgliederung /sich in einen Punct concentriren: angemerckt / sonst Fuß / Hände / Kopff / von ihrer Stelle weichen / und alle mit einander nur ein einigen Tupff formiren müssten. Welches gar ungereimt / und der Natur eines wahren Menschen-Leibs gar nicht gleich: sintemal alle Quantitet und Masse desselben dabey würde verschwinden: Welches / mit keinem Buchstaben der Schrifft / zu behaupten steht / auch die Eigenschafft und Natur eines wahren Leibes gantz umkehrt / auch den Unterscheid zwischen einem Geist und Menschen / guten Theils / auffhebt.

Will man dagegen einwenden / die Schrifft sage /daß wir seyn werden / wie die Engel Gottes; so schickt solches sich daher im geringsten nichts. Denn der HErr zielte damit hauptsächlich nur / auf dieses /daß man / im Himmel / so wenig / als die Engel / heirathen würde: und ob man selbigen Spruch auch wol noch weiter / auf die Behändigkeit / Klugheit / Unsterblichkeit / und theils andre englische Vollkommenheiten / gar wol zugleich / mit ziehen kann: lässt sich doch solches nicht durchaus / auff alle englische Eigenschafften / bequemen: Denn sonst würde Leib und Geist endlich gar einerley.

Will man aber vorschützen / es müsse solches er folgen / aus dem / daß man den verklährten Leibern eine unverhinderliche Durchdringung alles Gegenstands gesteht; so ist es noch weit gefehlt / daß / aus solcher Durchdringung / Solches nothwendig zu schliessen wäre. Mit der Durchdringung alles[605] Gegenstandes / wird die gewisse Quantitet und Masse deß Leibs nicht auffgehoben; aber durch die Zusammenziehung vieler Leiber auff einerley Stelle / müsste sie nothwendig auffgehaben und vernichtet werden. Laß einer zwey oder drey Tröpfflein deß alleredelsten Syrischen Balsams in die Hand fallen: so werden sie im Augenblick mitten durch die Hand dringen / und an der auswendigen Seiten der Hand ihre Feuchtigkeit blicken lassen. Es dringe nun gleich die gantze Substantz deß Balsams / oder nur der subtile Ausfluß oder Dunst / desselben hindurch (wiewol die Reisbeschreibung deß Hanns Werli von Zimber meldet /man sehe die Feuchtigkeit selbst / auff der umgewendeten Hand) so ist der Ausfluß / und Dunst / dennoch auch ein Körper. Ein wol rectificirter Spiritus / oder Wein-Geist / dringt gleich durch die Haut. Aber darum lässt sich noch nicht schliessen / daß zween oder drey Tropffen / oder derselben Dünste einerley Mittel-Tupff / oder eben denselbigen Tüpffel / zum Ruhplatz erwehlen / den etwan andre Balsam-Dünste allbereit eingenommen / noch daß zwey oder drey zugleich ausgeschüttete Tropffen sich also zusammen ziehen / daß Einer eben dasselbige Tupff-Spitzlein bedeckt / welches der andre / und dritte. Denn daraus entstünde eine Confusion oder Verwirr- und Vermischung leib- und geistlicher Natur.

Diesem nach bleibt die Durchdringung wol stehen; ob gleich die Concentrirung / oder Verengerung und Einschliessung vieler verklärten Leiber in einerley Tupffel nicht bestehen kann. Damit liesse[606] sich nun /meines Bedunckens / die irrige Meynung derer / welche den Engeln und allen Geistern / so bösen / als guten / einen subtilen Körper zumessen / am gewissesten deß Irrthums überweisen. Denn ob gleich der glorificirte Leib / zu einem verschlossenen Kercker /eindringen könnte / so wol / als wie ein Engel / oder Geist: so hat doch der Engel / oder Geist / keine gewisse Quantitet / oder Abmessung / wie der glorificirte Leib. Wiewol ich diese meine Gedancken einem Verständigern / zur Verbesserung / gern untergebe.

So nun gedachte Meynung etlicher Väter von den englischen Leibern / aus angezeigter Ursach / nicht gelten kann; welche dennoch viel bessern Schein hat /als Paracelsi seine: wird gewißlich dieses seine viel ungültiger / und keines Hellers werth seyn: weil dieser den Berg-Geistern rechte / natürliche / elementarische / und sterbliche Menschen-Leiber anflickt.

Fußnoten

1 Olaus M.L. VI. c. 9.


2 Lavater. de Spectris, part. 1. c. 16.


3 Agricola in Dialogo de Re metallica, qui inscribitur Bermannus.


4 Idem in sine libri de subterran. animantib.


5 Balbinus in Miscell. histor. Bohem. l. 1. c. 6. §. 2. p. 13. in fine.


6 Idem l. 1. c. 16. p. 45.


7 Idem lib. 3. c. 16. §. 5. p. 197. 2.


8 D. Thom. Bartholin. Vol. 2. Act. Medic. Observ. 8. p.m. 12.


9 Ephes. 6. v. 11. 16.


10 1. Petri 5. v. 9.


11 Neue Africanische Beschreibung fol. 460.


12 Theophr. Paracels. lib. Meteoror. c. 4.


13 Idem lib. de occulta Philosoph. Tract. 5.


14 Idem ibid.


15 Idem c. 4. Meteororum.


16 Vid. Aristot. l. 8. Histor. animal. c. 12.


17 Mela lib. 1.


18 Idem lib. 1. de Rer. natura. s. de rer. natural. generat.


19 Hæc Psellus in Dial. de Operat. Dæmon. edit. Parisien s. Gilberti Gaulmini. p. 38. Et Basilius ipse lib. de Spir. S.c. 16.


20 Vid. Comment. illius in lib. 12. Metaphys. Aristotel. c. 8. p. 671. seqq. & imprimis Disp. de Problem. Miscell. Philos. Probl. 10. in Phil. Altorph. p. 521. seqq.


21 Vid. Comment. Ejus in Alpha Majus Arist. Metaphys. c. 7. Qu. 1. p. 211. seqq.


22 Scheibler. Oper. Metaphys. l. 2. c. 4. Tit. 3. art. 3. N. 28.


23 lib. 2. c. 28. N. 2.


24 Hiob. 19, v. 26.


25 2. Maccab. 7. v. 11.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 569-607.
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