LXXI.


Der warnende Reichs-Engel.

[703] Mir wollen die vorige Handlung / von den Fürsten-und Reichs-Engeln / mit neuen Exempeln / und Erzehlungen / anjetzo noch weiter beleuchten.

Der Frantzösische Author / Claude Duret stellet die Frage / Ob es gewisse Engel gebe / welche Regierer / Fürsten / Schutzherren / und Patrons (oder / wie man sie sonst gewöhnlich zu nennen pflegt / Protectores der Monarchien / Königreichen / und Republicken seyn? und Ob solche Herrschafften nicht können vergehen / oder verändert / und umgekehrt werden /ehe sie / von solchen Engeln / verlassen und auffgegeben worden?1 Er bejahet solches / und führet / zur Bestetigung / dieses ein / daß die Spannier / als Feinde der Kron Franckreich / gantz sichere / und von langer Zeit hero ungezweifelte Gewißheit haben / der Ertzengel S. Michael / welcher vormals Protector und Schutz-Engel des Volcks GOttes gewest / habe das Königreich / gleich bey erster Auffrichtung desselben / unter seine Auffsicht und Schirmung / von GOtt /bekommen / und von so viel hundert Jahren hero / seit dem behütet und erhalten; bewahre[704] und erhalte dasselbe auch / noch heutiges Tages / wider die Schutzengel und Geister andrer Monarchien / Keyser- und König reiche / und Republicken.

Er schreibt ferner / es hetten / die Spannier / weil ihnen solches bewusst / vor etlichen Monaten / in einer gewissen Spannischen Stadt / diesem Ertzengel mit abscheulichen und gottlosen Gebeten / oder vielmehr zaubrischen Beschwerungen (avec certaines maudites & impies oraisons, ou plustot incantations & conjurations) geruffen / Ihn / wegen künfftigen Zustandes der Kron Franckreich / befragt / und zu bereden getrachtet / daß Er seine Protection diesem Königreich entziehen / und ihnen verstatten wollte / selbiges alsofort anzugreiffen / und einzunehmen. Der Ertzengel hette aber geantwortet / Ihm wäre / von GOtt / nach Verfallung deß Jüdischen Reichs / die Gubernir- und Verwaltung Franckreichs / biß ans Ende der Welt / anbefohlen; solchem nach in seiner eignen Willkühr und Macht nicht / davon abzudancken.2

Aber Limnæus erklährt solche Relation dieses Frantzösischen Scribentens / für ungewiß (oder vielmehr ungegründt) gottlos / und ungereimt. Er fragt /ob die andre Engel / welche / laut dieser Relation /andren Königreichen / wider Franckreich / geholffen /gute / oder böse Engel seynd? Seynd es / spricht er /gute gewest: so hat der Ertz-Engel / Michael / wider dieselbe / der Kron Franckreich nicht beystehn sollen: weil sie nichts Unrechts / wider dieselbe / vorgenommen. Denn wo die Bestreitung recht und billig; da ist[705] die Vertheidigung unrecht und unbillig. Seynd es aber böse Engel; so ist kein Wunder / daß sie / auff Erden /wider den Heil. Ertzengel Michael / nichts ausgerichtet / als welcher sie schon vormals / im Himmel /überwunden / und gestürtzt. Es ist auch (thut er hinzu) damit nicht gnug / daß man die Spannier einer so gottlosen Beschwerung bezüchtigt: man muß sie dessen auch recht überweisen / und den Ort / nebst andren Umständen / benennen / durch welche ein solches frevles Beginnen mögte hell und klar dargethan werden. Wann Einer von den Engeln durch Beschwerung eine Entdeckung Göttlicher Geheimnissen vermeynte zu erzwingen / was würde derselbige anderst thun / als dem Teufel eine Herrschafft über die Heil. Engel zueignen?

Er beschämt diesen unverschämten Frantzosen noch ferrner / mit diesen Fragen: Haben die Spannier den Heil. Ertzengel Michael gesehn / oder reden gehört? So sie Ihn gesehn; durch was für Anzeigungen seynd sie vergewissert / daß derjenige / den sie gesehn / St. Michael wäre? Denn er hat ja kein gewisses Angesicht / wie ein Mensch: so er eines hat / welches seynd dann die Lineamenten / wodurch Er von dem Engel Gabriel / und andren so wol Engeln / als Ertz-Engeln / könnte werden unterschieden? Vielleicht hat er sich / für den Ertzengel Michael / ausgegeben / und kann doch ein solcher / der sich einen Engel deß Lichts genannt / ein Engel der Finsterniß gewesen seyn. etc.3[706]

Ich vermute ein jeglicher frommer und verständiger Christ / was für einer Religion er auch seyn mögte /wird hierinn dem Limnæo Beyfall geben / und besagte Fantzösische Relation / für einen wackren Auffschnitt / erkennen. Ob aber demselben hierinn beyzustimmen sey / daß er zweifelt / ob es wahr / daß die Fürstenthümer / Reiche / und Republicken / gewissen Engeln anvertraut seyen / in ihren Schutz / daran zweiste ich gar sehr. Vereor (spricht er) ne credulitas & imaginatio hic utramque faciat paginam: Ich fürchte / es dörffte diß Alles nur in leichtgläubiger blosser Einbildung bestehen.

Warum sollte solches eine falsche Einbildung seyn / da es doch dem christlichem Glauben und Gottes Wort nicht entgegen lautet / daß gewisse Engel um die grossen Häupter schweben / und derselben wol warnehmen? Warum sollte GOtt seine Heil. Engel nicht so wol gantzen Königreichen / als jedwedem Christen / zu Hütern und Bewahrern geben / und solche Auffsicht / so wol unterschiedlichen Engeln / als auch diesem oder jenem Engel in sonderheit anbefehlen? Aber ob ein solcher Land-Reich- oder Königs-Engel immerzu / für dieses oder jenes Königreich /Republic / oder Stadt / nur einig allein wache / und sonst kein andres Land mehr beschütze / oder auch nicht jemaln / durch einen andren Engel / abgewechselt werde: darüber begehre ich nicht zu urtheilen; sondern sage / mit eben diesem Limnæo: Rem, quæ meam excedit professionem, strictiùs examinare haud placet.[707]

Unterdessen gläube ich doch gäntzlich / daß nicht allein Königreiche und Länder / sondern auch / um derselbigen willen / die regierende Häupter derselben / unter eines Engels Beobachtung stehen / und gleichfalls von einem argen bösen Geist / ja vielmehr von Vielen / belaurt werden. Es zweifelt mir gar nicht /daß in einem Reiche / unzehlich-viel böse Geister herum flattern / um so wol an Leibe / Blut / und Gut /als an der Seelen / die Einwohner desselben zu beschädigen / und gleichfalls / bey fürnehmen Hofstäten / allezeit eine grosse Menge solcher geistlichen Spionen / in den Stats- und Rahts-Stuben / herum kriechen / um daselbst das Regiment / und den gantzen Hof /(oder eine fürnehme Stadt) mit Land- oder Stadt-verderblichen Eingebungen / vergifften / und solche Rathschläge ihnen einspeyen / die zu Hochmut / hochkostbarem Pracht / Aussaugung und Pressuren deß Volcks / allerhand Ungerechtsamkeit / auch wol gar zu blutigen Kriegs-Empörungen / gerathen. So reitzte Satan den König David / und stund wider Israel. Daneben stelle ich auch dieses fast ausser Ungewißheit /daß / unter allen solchen Hof- und Statts-Teufeln einer insonderheit für sich diesen oder jenen Hof wähle / zu verleiten; (imfall es ihm von Oben nicht verboten wird) und als ein abgeführter hellischer Machiavellist / der mit seinen subtilen Netzen viel andre böse Geister übertrifft / beydes dem Fürsten / und dem Fürstenthum eine Stats- und Seelen-Ruin auszuwircken / eyfrigst arbeite. Derjenige Geist / welcher auftratt / mit dieser Erbietung / daß er den gottlosen König Ahab überreden wollte / zu einem unglücklichen Feld-Zuge wider die[708] Syrer / und ein falscher Geist seyn / in seiner Propheten Munde / hat ohne Zweifel insonderheit / und beharrlicher als alle die andre / um den Königlichen Stuhl Ahabs schwebende / Geister / seine Pfeile auf diesen König gerichtet / biß er ihn endlich gestürtzt; nachdem er vorhin / durch den Mund der verfluchten Jesebel / ihm eine solche Pestilentz eingeblasen / welche viel tausend armer Seelen in Israel ermordet hat; nemlich den abscheulichen Baalsdienst / und die Aufräumung der Propheten deß HErrn.

Gleich also halte ich für gewiß / daß auch mehr /dann ein oder etliche Engel den Thron eines fürnehmen Regierers und dessen gantzes Land / beäugen; um einen frommen König zu schützen / oder eines boßhafften Tyrannens Fürnehmen zu beobachten /und demselben / gestalten Sachen nach / zuwiderstehen; und daß nichts destoweniger unter solchen Engeln / insonderheit Einer oder Andrer solcher Auffsicht oblige. Wie dann der Englische Großfürst / Michael / in Heil. Schrifft vorgestellet wird / als ein Regenten- und Schutz-Engel / der die Obrigkeiten und Länder schützet / auch für die göttliche Lehr streitet. Unter welchem Ertz-Engel vermutlich viel andre Engel stehen / und in die Länder / zu derselben Bewahrung / wie auch Behütung ihrer Regenten / ausgetheilet seynd.

Ob aber ein solcher Fürsten- oder Königs-Engel /von dessen Geburt an / biß zum Ende seines Lebens /denselben unabgesondert bewache / in seine Hut und Obacht fasse / und solches Amt indessen keinem andrem Engel überlasse; wie zwar der Heil. Lehrer Basilius / von jedwedem Christen / schreibt: Cuilibet Fidelium est Angelus assistens,[709] Patrem Domini JEsu, qui est in cœlo, videre dignus4 davon will ich lieber gelehrte Theologen reden lassen / als mich eines Schlusses unternehmen.

So viel sage ich allein / daß / wann grosse Herren vor ihrem Unglück / Fall / oder Niderlage / bißweilen durch eine Erscheinung gewarnet werden / oder andren Personen solcher Fall deß Regentens / durch ein Gesicht / vorher verkündigt wird / man nicht alle Mal wissen / noch gewiß unterscheiden könne / obs durch einen guten Schutz-Engel / oder böses Gespenst / geschehe.

König Jacob in Schottland / dieses Namens der Vierdte / ließ / im Jahr 1513 / dem Könige in Engeland / Heinrich dem VIIIten / einen Krieg ankündigen / und ruckte bald darauff / mit seinem Kriegs-Heer /biß gen Limnuch: Allda er einen Tag oder etliche still lag / und die Völcker ein wenig ausruhen ließ.

Diesen Krieg hatten Ihm die fürnehmste und klügste Herren deß Königreichs Schottland treulich widerrahten / sonderlich die Grafen von Archambaut, Duglaß / und etliche Andre. Allein sein geheimst- und vielgültigster Raht war sein eigensinniger Kopff /welcher lieber etliche gewissenlose und von Ludwig /dem XIIten / Könige in Franckreich bestellte Leute anhörte / als Andre / die es mit Ihm / und der Kron redlich meynten. Denn benannter Frantzösischer König bemühete sich / Ihn / wider gedachten König Heinrich in den Harnisch zu reitzen / damit dieser /von der Arbeit / so Er den Frantzosen zugeschnitten hat / mögte abgezogen / und[710] anderswo beschäfftigt werden; gedachte also / die Schotten ins Feld zu treiben / und wie starcke Bären-Hunde / diesem grimmigen Leoparden auff die Haut zu hetzen: damit König Heinrich seinen Streit-gierigen Degen / an den streitbaren Schotten / stumpff hauen / hingegen Franckreich indessen im Trucknen sitzen / und dem Spiel müssig zuschauen könnte. Wie denn die Frantzosen /in solchen Stücklein / zu dieser Zeit / noch hundert mal geübter seynd / und niemals dem höllischen Mord-Engel / einen grössern Dienst gethan / als jetzo / da gantz Europa schier / durch ihre Anstifftung / die Faust an den Degen geschlagen.

Indem nun also der König / an besagtem Ort / eine Vesper singen ließ / und dem Himmel damit gleichsam ein Cainitisches Opffer presentirte / in Meynung /derselbe würde seine Waffen schon beglücken / wann Er Ihm nur / wie jetzt auch offt in Franckreich / nach einer ungerechten Eroberung / durch abscheulichen Mißbrauch deß Te Deum Laudamus, geschehen ist /Lippen und Zähne / hingegen Hand und Hertz dem Würg-Engel widmete: sahe man einen älterlichen Mann / gar ehr- und ansehnlicher Gestalt / daher kommen / mit unbedecktem Haupt / in einem blauen Rock / so mit einem Gürtel auffgebunden war. Sein rötliches Haar hing ihm über die Schultern herab: aber vorn am Kopff war er kahl. Dieser ehrwürdiger Alter begehrte / mit dem Könige / zu reden; drang derhalben durch das Volck / und / als er / ihm selber Platz machend / nahe hinzu kame / tratt er / ohne gemachte Reverentz / oder andre höffliche Zeremonien / vor den König / lehnete sich auff seinen Stuhl /[711] und sprach zu Ihm: Herr! Ich bin zu Euch gesandt / Euch zu vermahnen / daß Ihr sollt wieder umkehren / und nicht weiter fortrucken. Werdet Ihr aber diese meine Erinnerung verachten; so werdt Ihr / und Alle die / so mit Euch ziehen / in Unglück kommen. Neben dieser Abwarnung ist mir auch befohlen worden / Euch anzudeuten / daß / wann Ihr Euch / mit den Weibs-Bildern / gar zu gemein machet / und ihrem Raht folget / solches Euch /zur Schande und Untergange / gereichen werde.

Diß geredt / drang er sich mitten durch das Volck /wieder hinweg.

Als die Vesper ein Ende hatte; ließ der König diesen Alten suchen: allein er fand sich nirgends mehr. Viele / die Ihn solche Vermahnung ablegen sahen /hetten gern von Ihm ein Mehrers / und recht eigendliche Umstände vernommen: darum schauten sie sich auch fleissig nach Ihm um; kunnten aber nicht erfahren / wo Er sich hette hingewendet. Unter solchen hat sich dabey befunen eine gelehrte / verständige / und gar tugendhaffte Person / Namens David Lindes von Berg: welcher hernach dem Beschreiber dieser Geschicht / Buchanano / solches erzehlete.

Weil aber / dessen ungeachtet / der / zur Straffe gantz reiffe / König in seinem Fürnehmen fort fuhr /und / wider alles Abrahten seiner fürnehmsten Räthe /den Engländern eine Schlacht zu liefern / mit dreyzehentausend Mann / auff dreyssig tausend anzugehen sich erkühnte: schlug Ihn / samt dem Kern deß Schottländischen Adels / das[712] feindliche Schwert zu Bodem5 und muste also derjenige / welcher die Warnung verschmähet hatte / den Königen und Fürsten /zum Warnungs-Spiegel dienen / daß man unnöthige Kriege zu unterlassen / ja so hohe Ursach habe / als wie ein unnöthiges Würffel-Spiel ums Leben.

Es hat das Ansehn / der Mann / welcher diesen König also gewarnet / sey ein guter Engel / und vielleicht ein solcher gewest / der für den König / und das Reich gewöhnlich die Auffsicht getragen.

Ob aber dieses Nachfolgende / durch einen guten /oder bösen Engel / geschehen / steht bey mir in grösserem Zweifel.

Zur Zeit Königs Jacobi deß Fünfften / losirten drey Edelleute / deß Grafens von Aetholia / unfern vom Hause jetzt besagten Königs: und / nachdem sie eingeschlaffen waren / bedunckte um Mittenacht ungefähr / Einen unter ihnen / welcher gegen der Wand zu lag / nemlich den Daniel Stuart / wie Jemand zu ihm nahete / und mit der Hand ihm gelinde so wol über den Backen / als über den Bart / streichend zu ihm sagte: Auf! man will den König umbringen! Darüber wachte er auff: und indem er / diesen Traum zu betrachten / begunnte; fuhr / in dem andren Bette /seiner Kammeraden Einer auff vom Schlaffe / und schrie: Was tritt mir auf die Füsse? Der Stuart antwortete drauff: Vielleicht ists eine Katze / die etwan bey Nacht da herum streicht.[713]

Gleich damit sprang auch der Dritte / welcher bißhero noch geschlaffen / auff / fiel zum Bette hinaus /und fragte / wer ihm einen so harten Backenstreich hette gegeben? Hiernechst / daugte sie / als ob Jemand / mit grossem Getöß und Gepolter / zur Kammerthür hinaus ginge.

Indem nun diese drey von Adel; von dieser Abentheuer miteinander redeten; gab das / im Hause deß Königs auffgehende / Pulver einen grausamen Schlag; wovon das Haus einfiel / und deß Königs Tod erfolgte.6

Deß Tags zuvor / ehe denn gedachter Schottländischer König / Jacobus der Fünffte / umgebracht worden / fing Jacob Londin / ein Schott ehrliches Geschlechts / nachdem er lange am Fieber danieder gelegen / ungefähr um die Mittags-Zeit / gähling und gleichsam gantz erschrocken / an / den Seinigen zuzuschreyen: Auff! Auff! kommt dem Könige zu Hülffe! Die Mörder umringen Ihn / und wollen Ihn erwürgen! Uber ein Kleines hernach / fieng er an zu weinen / und mit jämmerlichem Lamentiren / zu schreyen: Ach! es ist nicht Zeit mehr / zu helffen! der arme Herr ist todt! Gleich damit gab dieser Febricitant seinen Geist auff.7

Dieses habe ich nur beyläufftig mit anhencken wollen: weil es / mit dem / was den dreyen Edelleuten widerfahren / einige Verwandniß hat: will aber hiernechst noch ein drittes Exempel / welches auf die gute oder böse König-Engel / vielleicht[714] gedeutet werden mögte / beybringen / und diese Materi damit beschliessen.

Nicht lange vor der Schlacht / welche die Ungarn /samt ihrem Könige / Ludwig / bey Mohatz / verlohren / saß einsmals dieser König / in seiner Burg / zu Ofen / zur Tafel / bey einem ziemlich-schlechten Tractement (wie Ihm dann die Ungarische Herren fast Alles entzohen / und Ihn dazu schimpfflich hielten; hingegen selbst sich / mit Königlichem Pracht / auffführten / und großherrlich lebten) als zu dem verschlossenem Burgthor ein elender Krüppel kam / und mit kläglichem Geschrey begehrte / man sollte dem Könige anzeigen / daß er mit Ihm reden müsste / weil er Ihm nothwendig etwas anzuzeigen und zu offenbaren hette / daran seine / und des gantzen Königreichs Wolfahrt hinge.

Gleichwie nun gemeinlich einem Elenden / bey Hofe / weder Thor / noch Ohr geöffnet / sondern ein Solcher / mit Verachtung / abgewiesen wird: also achtete man auch dieses Krüppels nicht. Deßwegen hub er an / mit stärckerem Geschrey / kläglichem Heulen und Weinen / zu bitten / man wollte es doch dem Könige anzeigen. Weil er dann deß flehens und bittens kein Ende machte: wurden Etliche / durch sein ernstliches Anhalten / bewegt / solches an den König gelangen zu lassen: weil er gesagt / daß er solches Geheimniß Niemanden / als dem Könige selbsten / offenbaren könnte.

Der König fertigte hierauf einen seiner fürnehmsten Hofbedienten ab / mit Befehl / daß er sich sollte stellen / als ob er der König / und fragen / was es dann für eine Heimlichkeit wäre?[715]

Wie nun dieser zum Kruppel kommt / sich für den König ausgiebt / und begehrt / der Krüppel solle ihm entdecken / was er dann Heimliches wisse; spricht der Krüppel: Du bist nicht der König: Ich habe dir nichts zu sagen. Weil der König nicht hören will; so geh hin / und sag Ihm / daß Er in kurtzem werde umkommen. Diß gesagt / ist er / vor Aller Augen / verschwunden. Die Hofleute / wie auch die Wacht / und der König selbst / gaben nichts drauff.8 Aber die Mohatzische Niderlage / dabey dieser junge König / in der Flucht / von seinem / auff Ihn gefallenem Pferde / in einem morastigen Bach / jämmerlich erdruckt und erstrickt worden / ist hernach kläglich genug darauf erfolgt.

Diese und dergleichen Gespenster zehlet Lipsius /unter die Genios, oder Schirm-Engel: Welches ich dahin gestellt seyn lasse; aber mein vorgemeldtes Beduncken wiederhole / daß man mehrmals nicht wissen könne / ob es gute / oder böse Engel seynd / die solche unglückliche Vorbotschafft ablegen.

Fußnoten

1 Claude Duret, au Discours de la Verité des causes, & effects des descedançe, mutations, changements etc. & ruines des etc. Royaumes & Republiques, Chap. 21. p. 397.


2 Idem. chap. 21. p. 409.


3 Limnæus lib. 1. c. 13. Notit. Franciæ pag. 294. seq.


4 Basil. in Ps. 48.


5 Georgius Buchananus lib. 13. Historiæ Scotic.


6 Idem. lib. 18.


7 Idem lib. cod.


8 Leunclavius parte 3. Histor. Turciæ fol. m. 383. Et Lipsius in Monitis politic. c. V. Monito V. Num. XI.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 703-716.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Chamisso, Adelbert von

Peter Schlemihls wundersame Geschichte

Peter Schlemihls wundersame Geschichte

In elf Briefen erzählt Peter Schlemihl die wundersame Geschichte wie er einem Mann begegnet, der ihm für viel Geld seinen Schatten abkauft. Erst als es zu spät ist, bemerkt Peter wie wichtig ihm der nutzlos geglaubte Schatten in der Gesellschaft ist. Er verliert sein Ansehen und seine Liebe trotz seines vielen Geldes. Doch Fortuna wendet sich ihm wieder zu.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon