LXXII.


Die tödtliche Vorgeher.

[716] Die Nacht ist niemands Freund: und wenn sie Jemanden / ohne Gesellschafft / antrifft / giebt sie ihm offt Grauen und Schrecken zu Gesellen. Darum wird Einer / der bey Nacht allein reiset / von den Geistern der Finsterniß / am ersten alsdann angefochten und erschreckt: weil der Schatten / zur Vergrösserung der Furcht / und furchtsamer Einbildung / ein Grosses kann beytragen: Wie nachgehender Fall bezeugt.

Antonio de Costilla, ein fürnehmer / und tapffrer Spannischer Edelmann / der sich / aus mancher grossen Gefahr / mit behertzter Gewalt / heraus gerissen /auch sonst gar leicht in Harnisch zu bringen war /ritte eins wolmondirt / und eine leichte Lantze in der Hand führend / nach dem Dorff Villa nova, und verweilte sich daselbst / in seinen Geschäfften / so lange / biß die finstre Nacht einfiel. Indem er nun so spat wiederum den Ruckweg nehmen musste / vermeynte er / es wäre nicht fein / wann er nicht zuvorderst / bey einer kleinen / nechst vor dem Dorff stehenden / Kapellen / darinn eine brennende Lampe hing / die mit einem höltzernem Gitter vermacht war / ein kurtzes Gebetlein verrichtete: Betete also / auf seinem Pferde / bey sich selbsten / und ritte also etwas langsam vor über.

Indem er aber / in die Kapellen / eine Blick hinein warff; sahe er drey Gespenster / welche[717] gleichsam aus der Erden hervor zu steigen schienen / mitten / aus der Kapellen / heraus treten / und vor ihm still stehen. Er schaute diese drey seltsame Heiligen / die drey Gespenster sage ich / welche das Angesicht verhüllt hatten / eine Weile an / und begunnten ihm die Haar /vor Schrecken / empor zu steigen / gleichwie hingegen der sonst frische Mut zu sincken: derhalben warff er das Pferd herum / und ließ es fort gehen.

Aber gleich alsofort sahe er / diese drey saubre Larven-Gesichter vor sich her traben / nicht anderst / als ob sie mit ihm reisen wollten. Er / dem solcher Vortrab gantz nicht angenehm war / befahl sich GOtt /und versuchte / durch öfftere Verwendung seines Pferdes / dieser ungeladenen Gefährten sich zu entladen; kunnte doch damit ihrem Vortrabe seinen Nachtrab nicht entwenden: sie blieben immerzu vor ihm. Als er nun ihrer nicht loß werden kunnte / fasste er einen Mut / rüstete sich zum Streit / und setzte / mit seiner Lantzen / Spornstreichs auf sie zu: musste aber gewahr werden / daß die Gespenster / eben in solcher Masse und Schnellheit / sich bewegten / als wie sein Pferd. Ging dasselbe fort; so gingen sie zugleich mit: stund es / so stunden sie auch still / und blieben stets /in gleicher Weite / vom Pferde: also / daß er / ohn sei nen Danck / diese mißfallige / schauerische und grauerische Geselschafft behalten musste / biß in den Vorhof seines Hauses.

Als er nun daselbst vom Pferde abgestiegen / und zu der / ihm aufgethanen / Thür hinein getreten war; liessen sich eben diese Gespenster wiederum vor ihm sehen. Dennoch ging er fort / biß[718] zu der Kammer /darinn sich seine Frau befand / und rieff / sie sollte ihm aufmachen. Nachdem er hinein gegangen / verschwunden zwar die Gespenster; ihm aber darum die Entsetz- und hefftige Bestürtzung so gar nicht / daß seine adliche Ehliebste / aus seiner blassen Farbe /Gedancken schöpffte / er müsste etwan unter seine Widersacher gerahten / und ihm ein Unglück begegnet seyn. Darum fragte sie gar fleissig darnach: kunnte doch nichts von ihm heraus bringen: schickte derhalben hin / zu einem fürnehmen gelehrten Mann / der ihm sehr angenehm / und sein bester Freund war /auch alsofort sich einstellete. Als derselbe sahe / daß seine Todten-ähnliche Gesichts-Blassung / und verwirrter Blick eine ungemeine Gemüts-Verändrung anzeigten; lag er ihm an / mit dringender Bitte / er mögte von sich sagen / was ihm wäre begegnet.

Solche inständigste Bitte erweichte endlich ihm sein steinernes Schweigen / also / daß er es Alles umständlich erzehlte. Hierauf tröstete ihn Jener / mit gar beweglichen und vernünfftigen Reden / als deren er ein guter Meister war / aufs allerbeste; ermahnete ihn auch / er sollte diese Abentheuer / samt der Furcht /aus dem Sinn schlagen / und zu Nacht etwas essen; begleitete ihn auch endlich / in seine Kammer / zu Bette / und / nach Hinterlassung eines brennenden Lichts auf dem Tische / ging er von ihm hinaus: auf daß er ruhen und schlaffen mögte.

Kaum war dieser aber zur Kammer hinaus getreten / da fing Costilla an / überlaut Morido, und Zeter zu schreyen / und um Hülffe zu ruffen: weßwegen[719] Alle /im Hause befindliche / Personen / zu ihm / in das Schlaffgemach / hinein eilten. Denen sagte er / daß /so bald man ihn allein gelassen, die drey Gespenster wieder zu ihm gekommen / in den Bodem gegraben /ihm die Augen voll Staub und Erden geworffen / und schier damit geblendet hetten: Wie man denn auch /nach Beleucht- und näherer Besichtigung / solches augenscheinlich verspührte. Darum ließ man ihn nicht mehr allein; sondern verschaffte ihm allezeit gute Gesellschafft. Es wollte aber nichts verfangen: die Furcht und Erschreckung / welche den Mut dieses sonst überaus hertzhafften Manns gar eingenommen /und gäntzlich erobert hatten / thaten / bey demselben /eine so tödtliche Würckung / daß der siebende Tag sein letzter / und er / ohne Zustossung einiger andren Kranckheit / deß Todes / war.

Torquemada urtheilet nicht übel / daß zwar man cher Medicus dieses Gesicht einer schweren melancholischen Feuchtigkeit / und sehr verletzten Einbildung / zurechnen dörffte; aber dennoch / von würcklicher Erscheinung solcher Gespenster / solche verderbte Phantasey / urspringlich entstanden / und das Ubel folgends / durch einen grossen Zusatz solcher furchtsamen und erschrockenen Einbildung / dermassen überhand genommen / daß der Mann endlich drüber sterben müssen.1

Es ist besorglich / dieser Edelmann nicht gar zum besten eben in der Gnade GOttes / folgends auch nicht / in gäntzlichem Schutz der heil. Engel / gestanden: weil er / als ein gähzörniger Cavallier /[720] mit der Fuchtel so fertig und hurtig / allezeit heraus gewest. Zudem hat er es auch damit versehen / daß er nicht so sehr mit dem Gebet / als mit der Lantzen / deren doch der geistliche Behemoth und Leviathan / als welcher Schuppen wie feste Schilde seynd / nur spotten / auf die drey Gespenster angerannt / und dazu besorglich /mit ungedültigem Fluchen und sacriren. Worauf dieselbe weitre Macht gewonnen / ihm seine Einbildung / mit Furcht und Schrecken dergestalt zu bepflantzen /daß endlich der Tod daraus erwachsen ist.

Fußnoten

1 Torquemada, im dritten Gespräch / p.m. 268. seqq.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 716-721.
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