LXXIV.


Der schädlich-gebannte Geist.

[778] Als der Hort unsers Lebens zeigen wollte / daß Er den Teufeln zu gebieten hette / und diese erschreckliche Cerberi / diese grimmige Höllen-Hunde / Wölffe /Leuen / Leoparden / Bären / Ottern / Schlangen und Drachen / wie grausam sie auch ihren Rachen / zum verschlingen / aufrissen / gleichwol immerzu / an den Ketten seines Verhengnisses geschlossen gingen; erlaubte er ihnen / auf ihr bitten unn betteln (denn sie baten ihn sehr / spricht der Evangel ist) in die Säue zu fahren: nachdem er mit dem Wort / Fahr aus / du unsaubrer Geist! denjenigen gebändigt und gebannt / der / biß daher / alle Ketten und Banden zerrissen hatte / und kurtzum ungebunden seyn wollen. Dieses kostete die Gadarener zwo tausend Säue / welche sich darüber ins Meer stürtzten / und ihren Herren / denen doch noch die allergarstigste und gröbste Sau im Hertzen saß / das Nachdencken hinterliessen / daß / an eines / einigen Menschen Heil / mehr gelegen /als an viel tausend Schweinen: dahingegen man / heutigs Tages / offt / um etliche Schweine zu behalten /lieber die Menschen drauff gehen lässt / und Hunde werther / als die Leute / hält.

Wie nun der Satan ein arglistiger Gäuckler ist / der / in allem / den Göttlichen Krafft-Wercken nachaffen will: also macht er auch hierinn eine[779] Nachfolgungs-Larve; indem er seinen Dienern / den zauberischen Teufels-Bannern / das äusserliche Ansehen erwerben will / als ob sie / durch eine gewisse Kunst / und sonderbare Beschwerungs-Krafft / Geister vertreiben könnten / und die Macht hetten / solche boßhaffte Geister zu binden und zu verweisen / wohin es ihnen beliebte: Alles zu dem Ende / damit Er / durch solchen ihren Dienst / sie / in den Augen unglaubiger Leute / groß mache / zugleich aber schleichender Weise / auch sich und sein Reich vergrössere und nicht nur die Seele deß Beschwerers dadurch immer fester an sich verstricke / sondern auch Andre / die durch den Raht und Gebrauch solcher verdammten Teufels-Banner sich beflecken / unvermerckt sich mit einverwickeln mögen in die Netze / womit Alle / derer Hertz nicht fest an GOtt sitzt / gefangen werden / zum ewigen Tode.

Ihre Leichtglaubigkeit aber desto trieglicher zu äffen; bildet er solchen Leuten / so wol / als den Beschwerern selbsten / ein / es stecke in denen Worten und Characteren / oder Kräutern / so diese gebrauchen / eine absonderliche Krafft und Würckung / wodurch er gedrungen werde / von dannen zu weichen; lässt sich gleichsam in einen Sack schieben / und in den Wald hinaus vertragen; indem er den Beschwerer ein Aas / oder dergleichen etwas / dem der Teufel eine menschliche Form angebildet / zu tragen giebt. Und wann Jener solches hinaus geschleppt; lässt er bißweilen nach / in dem Hause / darinn er / in Gestalt eines Vestorbenen / bißhero umgegangen / und die Leute geschreckt / zu poltern; wol vergnügt / daß er denen / welchen zu[780] Gefallen er / von dannen gantz entfernet zu seyn / sich stellet / mitten im Hertzen hingegen zu sitzen kommt. Denn wer sein Vertrauen / zu Teufels-Künsten / darunter solche Beschwerungen gehören / setzet / dessen Hertz besitzt der Satan geistlich / mit Aberglauben / Meyneid / und Mißtreu an GOtt: und befestiget solchen seinen heimlichen Sitz /indem er sich / von einem Ort / zum andren / von ihnen / dem äusserlichen Schein und Beduncken nach / also versetzen lässt.

Ob derhalben gleich / im Hause / bißweilen es hierauff still / und kein Gespenst mehr gesehn / noch erwittert wird: geschicht doch / durch eine solche Teufels-künstliche Ausbannung / weit grösserer Schade /als Gewinn. Denn die Seele dessen wird tieff verwundet / der seine Wohnung auff / solche Weise / von der Unruhe lässt heilen. Und weil diese Teufels-Beschwerer gemeinlich den bösen Geist an solche Oerter verbannen / da die Leute durchreisen müssen; kann auch hieraus viel Unheils erwachsen: Zumal wann sie ihn /in dieses oder jenes wildes Thier / verweisen. Daher auch kein Christ dem bösen Geist Erlaubniß giebt /an diesen oder jenen Ort / oder in einiges Thier / zu fahren. Denn obbemeldtes Exempel deß Herrn Christi / da er den Teufeln erlaubt hat / in die Säue zu fahren / berechtiget keinen Menschen / deßgleichen zu thun. Er / als der Schöpffer / hatte solches Macht / und seine erhebliche Ursachen dazu. Ein blosser Mensch aber hat keine Ordre / noch Gewalt von oben empfangen / dem bösen Geist / dieses oder jenes einzuräumen / zur Wohnung und Auffenthalt[781] / damit er nur von den Besessenen / oder von einem verunreinigtem Hause / ausfahre.

Was für Unglück manches Mal daraus erfolge /kann uns dieses / annoch nicht gar alte / Exempel zeigen / und zugleich darthun / was ein solcher umgehender Geist (oder vermeynter Spiritus vitalis) für schöne Händel anrichten könne.

Vor wenig Jahren ist / in einer Teutschen Stadt /eines erbaren Mannes Gestalt / nach seiner Begräbniß / erschienen / und das Haus dadurch so sehr verunruhigt worden / daß man einen Teufels-Banner (gleich als wäre eine ernstliches Gebet nicht mächtig / noch starck genug / den starcken Gewapneten zu vertreiben) bedungen / solchen überlästigen Gast aus dem Hause zu weisen. Derselbe hat ihn / in den nächsten Wald getragen: da der / im Sack steckende Geist / den Teufels-Banner gebeten / ihm zu erlauben / daß er / in einen / eben damals vorbey lauffenden / Wolff fahren mögte. Welches der Beschwerer eingewilligt.

Hierauf ist selbiger Wolff alsofort sehr erwildert /hin und wieder / durch Dörffer / Felder / und Wälder herum gestrichen / hat gewaltig-viel Leute gebissen /und hart beschädiget; insonderheit aber viel Kinder zerrissen. Und ob ihm gleich so wol die Wildschützen / als die Bauren / gewaltig nachgestellet; ist er ihnen doch allezeit entkommen: indem er / so bald sie / auf ihn gezielt / entweder unsichtbar worden / und sich aus ihren Augen im Augenblick verlohren; oder / ob er gleich hart vor ihnen gestanden / im Nu gar ferrn-und weit ausser dem Schuß / von ihnen gewest: weßwegen man[782] auch gemeynt / es müsste etwan ein Wehrwolff seyn.

Endlich aber kehrt er / in einen Flecken / ein / und setzt auf ein Kind an. Welches ihm entspringt / in ein Haus kommt / und die Gattern geschwinde nach sich zuschlägt. Der Wolff will hinüber / und dem Kinde nachsetzen; wird aber durch eine Magd / mit einem Scheit Holtzes / abgewiesen; erblickt hierauf einen Hahnen / und eilt demselben nach: weil vielleicht der / in ihm wohnende / Spiritus vitalis (oder Böhmistischer Lebens-Geist deß Verstorbenen) Appetit zum Hüner-Fleisch gehabt. Der Han hat aber keinen Appetit noch Lust / sich von ihm fressen zu lassen; sondern hupfst oder fleucht über einen Brunnen; der zottichte /das ist / mit dem Wolffs-Peltz überkleidete / Spiritus vitalis, Theophrastisch-Böhmistischer Stern- und Lebens-Geist) will ihm nachspringen / nimt aber die Mässe zu kurtz / und fällt hinab in den Brunnen.

Da kommen die Bauren herbey / deponiten und hobeln den gefangenen Wolff / mit Prügeln / Steinen /Stangen / Gabeln / und dergleichen / so grob / daß der Spiritus vitalis, und zwar der recht natürliche / von ihm weicht / das ist / daß er das Leben drüber einbüsst; nachdem kurtz vorher / vermutlich auch Spiritus infernalis, der böse Geist / auf Gottes Geheiß /von diesem reissendem Thier ausgefahren / und selbst dasselbe in den Brunnen getrieben. Man soll ihn aber kaum / und nicht eher / haben erwerffen können /bevor man ihn / mit einem sehr grossen und schweren Stein / zerquetschet: sintemal die vorigen[783] Steinwürffe ihn so wenig gedämpffet / daß er sich vielmehr mit gantzer Gewalt wieder empor gearbeitet / und schon biß auff die Helffte hinauf gekommen / als ihn zuletzt die Last besagten schweren Steins getroffen und erschlagen. Worauf ein abscheulicher Gestanck von ihm gegangen.

Hernach hat man diesen erschlagenen Wolff / aus Befehl / aufgehenckt: um vielleicht dadurch / wie gebräuchlich / andre Wölffe scheu zu machen. Uberdas ist ihm eine Parruck aufgesetzt / und die Larve eines menschlichen Angesichts vorgebunden.

Nachdem er aber etliche Tage / am Eck eines Waldes / also gehangen; ist er / ungeachtet der Galge sehr hoch war / dennoch herabgestolen / und hernach der letzte Betrug ärger / denn der erste worden: angemerckt / nicht allein das vorige Manns-Gespenst / in dem Hause / wiederum angefangen / umher zu gehen /und viel erschrecklicher / als vorhin / zu thun; sondern auch der Wolff gleichfalls / in den Wäldern / von neuem erblickt worden.

Es hat dieser Wolff / unter andren / einen achtjährigen Knaben erwischt / und im Rachen eine starcke halbe Meil fort getragen / biß ihm bey zwantzig immer nach setzende Personen wieder denselben abgejagt / daß er ihn endlich hat fallen lassen; nachdem er ihm drey Löcher gebissen: eines an der Wangen und Kinnbacken / unterm Ohr; das andre zwischen dem Halse und Rucken; das dritte / in der Seiten.

Man giebt vor / der Mann / in dessen Gestalt das Gespenst erschienen / habe bey anvertrauten Pupill-und Almosen-Geldern / untreulich gehandelt.[784] Welches ich aber / an seinem Ort / stehn / und unverbürgt lasse: in Betrachtung / daß offt mehr geredt / als erwiesen wird / und daß es solchen abentheurlichen Händeln gehe / wie den Quellen / und fliessenden Wassern / welche je weiter sie lauffen / von desto mehr zu ihnen eingehenden neuen Bächen einen Zufluß bekommen / und auch / indem sie zwischen zweyen bewohnten Gassen nur vorüber wallen / bald hie bald da / aus diesem oder jenem Hause / einiger Unraht zu ihnen hinab geworffen wird. Weßwegen ich auch den Namen nicht habe ausdrucken wollen: ohnangesehn mans biß noch / für die beständige Wahr-und Gewißheit / ausgiebt.

Man setzt auch dieses hinzu / daß Ein- oder Andrer der Meynung / es sey die verdammte Seele deß erschienenen Manns / in den Wolff gefahren / und also herum gestreint / durch die Wälder; welches aber Andre hetten widersprochen / und es / für den bösen Geist / gehalten.

Gewißlich müsste aber ein solcher Menschen-Geist / oder auch Spiritus vitalis, wol ein rechter Narr seyn / daß er sich / im Brunnen / von den Ruste vielen /oder Bauren / so ängstigen / tribuliren und werffen /imgleichen von einem russigen Schlotfeger / beschweren liesse / und nicht bey Zeiten Reiß-aus nähme. Dieser Teufels-Banner / der Schlotfeger / soll davon geloffen seyn / aus Furcht / die hohe Obrigkeit dörffte ihm auff die Haut greiffen / und durch den Hencker das Leben aus dem Leibe / mit dem Schwert (welche Bannisirung am gewissesten von statten geht) verbannen lassen. Wie dann alle gewissenhaffte Obrigkeit /bey Vermeidung[785] göttlicher Ungnade / solche Teufels-Bannerey / hart abzustraffen / und auszurotten / verbunden ist / so ferrn sie sich nicht solcher schrecklichen Sünden theilhafft machen will.

Unlängst berichtete mich ein Glaubwürdiger / daß /ungefehr vor 23 Jahren / zu N.N. in eines Beckers Haus / ein Polter-Geist viel Getümmels gemacht / und absonderlich in den obern Gemächern deß Hauses so getobt / daß Niemand darinn ruhen können. Wann die Geistlichen dahin kamen / wich er zwar aus dem Zimmer / und ließ sich nicht sehen; hingegen aber / oben auff dem Bodem / hören; zoch allda gleichsam einen Schubkarn / und lachte überlaut.

Unter Andren / ist ein Metzger aus Ungarn / in diß Beckerhaus eingekehrt: weil er mit dem Hauswirth in guter Kundschafft gestanden; und hat mit Vorwendung grosser Müdigkeit / bey demselben / um eine Nachtherberge bittlich angehalten. Der Wirth spricht /er wollte ihn gern auffnehmen und beherbergen; habe aber keine andre Gelegenheit dazu übrig / als eine obere Kammer: welche ihm aber nur die äusserste Ungelegenheit machen dörffte: indem es sehr unheimlich darinn und ein boßhafftes Gespenst daselbst regiere. Der Metzger lässt sich verlauten / das gebe wenig zu bedeuten; er gebe / auf solche Sachen nichts; werde wol dadurch hinschlaffen / und der Poltergeist ihn wol ungetribulirt lassen müssen. Also wird er / nach eingenommenen Nachtessen / und verschmäheter Warnung / hinauff gewiesen / legt sich zu Bette / und hebt an tapffer zu schnarchen.[786]

Er hat aber die süsse Ruhe kaum ein wenig geschmeckt / so hebt das Gespenst an zu tourniren; kommt auch endlich ihm vors Bette / packt ihn an /und wirfft ihn zum Bette hinaus. Weßwegen er sich /droben zu bleiben nicht mehr getrauet / und drunten im Hause schlaffen müssen.

Es hat sich / über einige Zeit hernach / dieser Poltergeist verlohren; nachdem man sich lange vergeblich bemühet hatte / ihn heraus zu bringen: Wiewol man nicht erfahren können / auf was Weise und Vermittelung er ausgetrieben worden. Es bewohnte aber eben in selbigem Hause / einen Zins Jemand / der sich Juncker schelten ließ / weil er auch / ausser dem Städtlein / auff dem Lande / einen Hof / mit seiner Frauen hatte erheirathet / dennoch aber meistens in der Stadt sich /mit ihr / auffhielt. Dieser wusste um das Geheimniß /und hatte es / zwey Jahre lang / bey sich behalten: vertraute es aber zuletzt derjenigen Person / von welcher ich den Bericht empfangen; nemlich / daß man dem Hauswirth gerahten / die Schlösser deß Hauses /mit einem sonderbarem Naß / (welches ich / mit Fleiß / ungenannt lasse) anzustreichen: Worauf sich das Gespenst / von der Zeit an habe weder sehen / noch hören lassen.

Solche gewissenlose Leute treiben den Teufel / aus dem Hause / in ihr Hertz: darüber er / durch so gottlosen Aberglauben und Mißbrauch / zum Herrn und Regenten gesetzt wird.

Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 778-787.
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