LXXXVI.


Der verführische Wasser-Geist.

[918] Ein listiger Feind legt sich gern / an solche Oerter /die ihm zum Vortheil dienen / seinem Gegner einen Streich zu versetzen. Unser geschworner Ertzfeind /der Satan / practicirt dergleichen: indem er / an den Wassern / und bey den Brucken lagert / und allda auf die Leute lauret: weil sie daselbst / durch einen und andren Mißtritt / oder Irr-Schritt / leichtlich in äusserste Lebens-Gefahr / ja offtmals gar um das Leben kommen können. Wozu er sie dann gar leicht kann verführen / wann sie ausser ihrem Beruff wandeln /oder / mit gewissen Lastern beladen / an solche Oerter gelangen / als mit Trunckenheit / Unzucht / Spielsucht / Habsucht / Fluchen / sacriren / und andren Exercitien der Atheisterey oder Ruchlosigkeit. Denn gleichwie solche Laster / an sich selbsten / ihm zu Stricken und Netzen gereichen: also zeucht er auch solche Leute / die also verstrickt einher gehen / desto leichter ins Verderben / wann sie / von ihm / an so gefährlichen Oertern / angetroffen werden / die ihm / zur Beforderung ihres Untergangs / am gelegnesten seynd.

Der Herr Baron Valvasor erzehlt / in seiner historisch-topographischen Beschreibung / deß Hertzogthums Crain unterschiedliche Geschichte / die solches bestetigen können. Ich will derselben nur zwo anjetzo daraus vorlegen.[919]

In dem Fluß Laybach / bey der / gleich also benamsten / Hauptstadt / Laybach / wohnet ein Gespenst /welches man daselbst den Wassermann nennet. Dasselbe zeiget sich offt zu Nachts / und hat sich so bekandt oder ruchbar gemacht / daß ein jeglicher Schiffer / und Fischer / so diesen Strom befährt / gnug davon zu erzehlen weiß.

Hochehrenermeldter Herr vermeynt zwar / man füge solchen häuffigen Abentheuren auch wol manche Zugabe / und ertichteten Anhang bey; versichert aber /und bestetiget unterdessen gleichwol die Gewißheit /daß ein solches Gespenst allda sich befinde / und vielmals annoch bey Nacht erscheine / vorzeiten aber auch offentlich / bey hellem Tage / gemeiner Sage nach / aus dem Wasser hervor gestiegen / und sich in menschlicher Gestalt lassen blicken.

Insonderheit hat sich / mit diesem Wasser-Teufel /im Jahr 1547 bey einem Reigen / in der Stadt Laybach / ein denckwürdiger Fall zugetragen. Es hat damals die gantze Nachbarschafft sich zu erlustigen pflegen / mit einer Zusammenkunfft bey einer schönen Linden / und nach gehaltenem Lust-Mal einen Tantz angestellet. Indem man nun / am ersten Sonntage deß Heumonats / sich gleichfalls / mit einem solchen Tantze / in Ehren ergetzet hat; ist ein schöner wolgekleidter Jüngling endlich dazu gekommen: der die gantze Versammlung gantz höflich gegrüsst / auch allen Anwesenden freundlich die Hand geboten; welche gantz weich und kalt gewest / und Allen / von denen sie[920] berührt worden / eine ungewöhnliche Empfindung erregt hat.

Hernach ist eine zwar wolgestalte / aber frische und freche Jungfrau / von ihm / aufgezogen worden zum Tantze / Namens Ursula Schäfferinn / welche sich /nach seiner Weise / meisterlich zu bequemen / und in alle lustige Possen zu schicken gewusst. Allein diese Beyde haben sich allgemach / von dem gewöhnlichem Tantzplatze / entfernet; biß sie / an den Fluß Laybach / gekommen: allda sie beyde in den Strom gesprungen / in Gegenwart vieler Schiffleute / und den Zusehern Augenblicks aus den Augen verschwunden / auch niemals hernach mehr gesehn worden. Wie solches / im XV. Buch ruhmersagten Herrn Authoris, umständlicher erzehlt wird.1

Allda berichtet eben dieser hochwolgeborner Herr; daß das Gespenst nunmehr bessere Ruhe gebe; welches man der öffteren Weihung und Segnung deß Flusses zurechne. Jedoch fügt Er hinzu / Er habe gleichwol / als Er zu Laybach / ungefähr vor vier und dreyssig Jahren / der Studien abgewartet / selber gesehen / daß / als einsmals ein Bürger / mit Namen Schmaidler / bey hellklarer Nacht / von einer Hochzeit / heimgehen wollen / und gantz allein die / so genannte / Brotkammer vorbey gegangen / ein Mann in einem schwartzen langen Rock von dem Wasser herauf gestiegen / sich zu diesem Mann genahet / denselben zum Wasser geführt / und hinein gestossen. Da er dann ohne Zweifel hette / weil das Wasser eben[921] gar groß gewest / ersauffen müssen; wann er sich nicht hette an die Schupffen / allwo man die Becken / so das Brot zu klein backen / ins Wasser schupfft / so lange gehalten / biß die Wacht zugeeilet / und ihn aus dem Wasser gezogen. Worauf das Gespenst sich geschwinde hingegen ins Wasser gestürtzt; vermutlich aus Unmut / daß man ihm den / damals ziemlich bezechten / Schmeidler wieder entrissen.

In der Grafschafft Dassel findet sich ein grundloser See / welchen man den Bessoischen Meer-Pfuhl heisst / und insgemein für eine Teufels-Wohnung achtet. Unferrn von diesem Pfuhl / hat einstens / wie man in der Dasselischen Chronic Joh. Lezners lieset / ein Bauer / am Samstage / nach dem Vesper-läuten / über die gewöhnliche Zeit / mit pflügen noch länger angehalten / auch so wol den Jungen / als die Pferde / mit greulichem Fluchen / und unbarmhertzigen Schlägen /an- und fortgetrieben / in Meynung / noch viel ein Mehres zu verrichten. Wobey er so lange dem Teufel geruffen / biß endlich ein grosser schwartzer und starcker Gaul / aus dem Meer-Pfuhl / ans Land gestiegen. Welchen der unerschrockene und verruchte Bauer /mit wiederholtem grausamen Fluchen / ins Teufels Namen / seinen Pferden vorgespannt; in Hoffnung /den Acker noch vollends durchzupflügen / ehe denn er Feyerabend machte. Nachdem er also dem Jungen /welcher bitterlich geweint / ins T. Namen fortzutreiben / befohlen / soll der schwartze Gaul die arme ausgemergelte Pferde / nebst dem Jungen / Pfluge / und Bauren / in das Bodemlose Loch gezogen[922] haben / und niemals wieder etwas davon gesehn worden seyn.2

Es gedenckt gleichfalls hochgedachter Herr / im XI. Buch seines ansehnlichen Wercks / bey Beschreibung deß Schlosses Pleterhof / daß bey einem Teich deß Orts vormals eine Mühle gestanden / nach deren Aufrichtung / wie die gemeine Sage lautet / ein Teufels-Gespenst das mahlen verhindern wollen / und deßwegen / wann der Müller das Wasser gesperrt /selbiges bey Nacht geöffnet / hingegen / wann jener es auf die Mühlräder geleitet / und dieselbe in den Gang gebracht / dieser / bey einbrechender Nacht / solches gehemmet habe. So sollen auch unterschiedliche Personen / diesen Teufel / der sich allemal / nachdem er seine Bosheit ausgelassen / sichtbarlich wieder in den Teich gestürtzt / gesehn haben. Jedoch will der Herr Author hievon keine Gewißheit machen; sondern erzehlt es nur / aus dem gemeinem Ruff. Welcher aber /in solchen Sachen / selten gantz ertichtet zu seyn pflegt; ob er gleich offt einen grossen Zusatz mit austheilet.

Fußnoten

1 Am 461. Bl. deß XV. Buchs.


2 Joh. Lezner in der Dasselischen Chronic / 5. Buch 1. Th. c. 13. und im 8. Buch c. 9. Imgleichen M. Jacobus Daniel Ernst / im dritten Theil deß historischen Bilder-Häuses / am 691. Blat.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 918-923.
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