IX.


Der schwere Hund.

[43] Ein Geist hat kein Gewigt; weil er keinen Leib: weßwegen der Teufel / welcher gleichfalls ein / wiewol unsauberer / Geist ist / an sich selbsten auch viel weniger / als Wind / Lufft / und Rauch / welche doch noch / durch gewisse subtile Erfindungen / heutiges Tages / abgewogen werden können / und der erste zwar die Schiff-Segel / ja das gantze Schiff selbsten /drucken / und in Grund stossen kann / eine Schwerigkeit an sich hat. Nichts destoweniger kann er entweder sich / in körperlichen Dingen / durch kräfftige Aufhalt- oder Niderdringung derselben / schwer machen / oder auch wol in einer blossen vorstellenden Gestalt / den Leuten eine schwere Last auflegen / oder empsinden lassen; vermutlich durch Bedruckung ihrer Arme: Welches ihm / einem so starcken Geist / dem die stärckste Riesen nur Strohalmen sind / die er / wie die leichtste Federn / wegblasen sollte / gar ein Leichtes ist. Und wie der Krampf-Fisch die Arme[43] deß Menschen / durch blosse Berührung / träg / starrend / und schier lahm macht / ohn daß er denselben ein Gewigt sollte anhencken: also kann noch vielmehr der böse Geist den Menschen die Arme betasten / ohne Last /und eine unerhebliche Bürde zu fühlen geben / da keine leibliche Bürde ist.

Hievon hat man / woferrn den wochendlichen Relationen hierinn nachzugehen / im Jahr 1687 / zu Lübeck / in Nider-Teutschland / ein Beyspiel erfahren. Denn / wie man von dannen geschrieben / auch die von dort Abgereisete / welche sich / in selbiger Reichs-Stadt / eine Zeitlang aufgehalten / erzehlet haben / so hat sich / mitten im October jetztbenannten Jahrs / in eines Schiffers Hause daselbst / ein Gespenst vernehmen lassen / welches die Fenster eingeschlagen / den Leuten das Bette vom Leibe gerissen /auch sonst allerley seltsame Händel und Possen getrieben; doch ohne Jemandes Beschädig- oder Verletzung. Unterschiedliche Fremde / und einheimische Leute / seynd dahin gekommen: deren Keiner Etwas sehen können; ohn allein ein Mägdlein; welches immerzu gesprochen: Sehet! Sehet! da geht er hin /mit grossen feurigen Augen! und sihet mich an!

Hierauf hat sich eine Manns-Person / nebst vier andren frischen Männern / dahin begeben / welche /mit blossen Degen in Händen / unten und oben / ja in allen Winckeln / im Hause herum geloffen; der Meynung / das Gespenst also zu vertreiben / oder vielmehr / den Hexen-Kerl / welcher vielleicht / in der Unsichtbarkeit / solche Büberey vollbrächte / zu treffen: allein man hat damals / die gantze Nacht durch /nichts gehört.[44]

Aber / am 22 Octobr. hat man nahe am gelegnen Hause (wie es der Novellant / wiewol undeutlich /giebt) auf dem Boden / einen grossen schwartzen Hund gefunden: Welcher / als man ihn wegjagen wollen / sich gewidersetzt / und die Zähne gezeigt / wodurch die / so ihn zu schrecken vermeynt / selbst erschreckt / und zurückgehalten worden. Wie solches lautbar worden / hat es viel Leute hinbey gezogen /also / daß eine zimliche Menge Volcks / auf den Bodem / sich angehäufft.

Ob nun gleich der Hund also diejenige / die auf ihn loß gehen wollten / mit geblösstem Gebiß / eine Weile von der Haut hielt: wagtens endlich doch drey behertzte Kerl / und Teufels-Trutzer / und griffen den Hund an: der sich zwar nicht wehrte / noch um sich schnappte; doch gleichwol auch ihnen nicht auszuweichen / begehrte / sondern auf seiner Stelle blieb /gleich als hette man ihn darauf fest genagelt. Sie fassten ihn zuletzt an / in Meynung / weil er sich nicht wollte wegjagen lassen / ihn zum Fenster hinaus zu werffen: aber er wollte davon nichts wissen / noch sich dazu verstehn: denn sie vermogten ihn nicht aufzuheben. Weßwegen noch fünff andre Unerschrockene hinzugetreten / denen vorigen dreyen zu helffen: allein / ob gleich Ihret nunmehr neun ihre Kräffte zusammen vereinigt / haben sie doch den / gar zu schweren / Hund / nicht aus der Stelle bringen können.

Endlich spricht Einer / unter ihnen: Du bist ja wol ein gedultiger Teufel! packe dich / du verfluchter Hund. Da entwischt ihnen der Hund / und springt zum Fenster hinaus / und zwar[45] ein paar Elen hoher /in die Lufft / als das Fenster war; fällt aber letzlich wieder hinab zur Erden / und verschwindt.

Diese Leute seynd hierauff / aus dem Hause / gezogen / und hat man hernach weiter von keinem Gespenst / was gehört.

Diese Verunruhigung deß Hauses hat / ohn Zweifel / ihr Herkommen / von Hexen-Leuten: welche vermutlich einen Polter-Geist hinein geschickt / auch wol selbst / unsichtbarer Weise / zum Fenster-auswerffen /die Hand mit angelegt.

Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 43-46.
Lizenz:
Kategorien: