X.


Der vermeynte Gott im Kasten.

[46] Das Gold begreifft eine edle Artzneykrafft zur Bewahrung menschlicher Gesundheit / und Stärckung deß Hertzens: wenns aber mißgebraucht wird / kann es Leib und Seele tödten. Je köstlicher / je verderblicher wird Einem die Sache / so man übel anlegt: und das Böse wird nie ärger / als so man das Gute dazu anwendet. Der Segen selbst gedeyet denen / zum Fluch /die ihn entheiligen: und der Geruch deß Lebens verwandelt sich den Gottlosen / zum Geruch deß Todes. Wer die Krone deß Königs auff den Raben-Stein hinstellete / der würde sich damit / zum Könige und Fürsten aller Majestät- und Cron-Verächter / gleichsam krönen / und mit der Hoheit solches[46] Verbrechens seine Straffe erhöhen. Gleich also begehen dieselbe eine verdammliche Sünde / welche / bey der H. Communion / die gesegnete Hostien / heimlich wieder aus dem Maul reissen / und hernach / zum Gebrauch allerley abergläubischer Händel / verunehren.

Hievon hat man mehr / als eine Erfahrung: Wir wollen aber jetzo / aus der Lippischen Chronic / eine sehr denckwürdige entleihen. Wie man zehlte 1460 /hat / zum Blumberg / ein Weib / mit Namen Alheid /etliche consecrirte Hostien / welche / in den Ostern /übergeblieben waren / aus der S. Martins-Kirchen gestohlen / in ihr Hauß getragen / und daselbst eine Zeitlang im Kasten verwahret: biß ihr darüber ein grosses Schrecken und Zagen angekommen / daß sie vor Angst nicht gewusst / wo sie mit den Hostien hinn sollte: weßwegen sie dieselbe in einen Brunn oder Pfützen geworffen. Da nun solches an den Tag gekommen / und das Weib bekennen müssen; ist sie zum Tode verdammt worden. Also wird diese Begebenheit / vom Johanne Pideritio, im andern Theil von der Graffschafft Lipp / kürtzlich angezogen. Welche er aber hiernechst Selber / mit folgenden Umständen /also erweitert:

Es wohnten / in der Stadt Blumberg / an einem Ort / welchen man den seligen Winckel nennt / zwo Nachbarinnen / gleicher Nahrung und Gewerbs; aber ungleiches Glücks: denn die Eine war reich / die Andre arm. Wie diese beyde / eines Tags / zusammen kommen / und miteinander in ein Gespräch gerahten; (massen es dann dergleichen Weibern / mit ungerührter Zungen / einander[47] nur vorbey zu gehen / schier eben so schwer fällt / als den Baum-Blättern daß sie nicht rauschen sollten / wenn sie der Wind gegeneinander schlägt) spricht das arme Weib / so Alheyd hieß / zu der reichen: Mich wundert sehr / daß euch Glück und Wolfahrt also täglich wachsen / und ihr reich werdet; mir aber das Glück abgehet / und ich von Tage zu Tage ärmer werde; so wir doch gleichwol beyde einerley Handthier- und Nahrung treiben / dazu mit gleichem Gut angefangen. Ich bin dessen gewiß /daß mein Eheman / und ich / in der Arbeit und Nahrungs-Mühe / je so fleissig seyn / als ihr / und euer Hauswirth. Doch hilfft uns unsere Arbeit nichts. Von eurer Arbeit / werdet ihr das Glück nicht haben: es wird anderswo herkommen.

Die Nachbarinn antwortete ihr freund- und nachbarlich darauff: Ja liebe Freundinn / die Arbeit thut es freylich allein nicht: sondern wer einen Gott im Kasten hat; der wird wol reich; dem fällt das Glück zu / und kann ihm an nichts mangeln. Diese verstund durch den Gott im Kasten / den Göttlichen Segen / welcher / durch ein gläubiges Vertrauen auff GOtt / durch fleissiges Gebet / Heiligung deß Sabbaths / und ordentliches Haushalten / als welches die Kammern voll machet / in den Kasten gezogen wird: Welches aber die Andre mißverständlich auffgenommen; wie wir ferner hören werden.

Das arme Weib wird darüber bestürtzt: und weil ihr die Antwort der Nachbarinn ein tieffes Nachsinnen erweckt; hebt sie das Gespräch[48] bald auff / geht heim; und durchsucht ihren Kasten. Wie sie aber den GOtt nicht darinn erblickt; macht sie ihr die Gedancken /ihr Reichthum werde eher nicht kommen / bevor sie deß Kasten-Gotts habhafft worden; tichtet derhalben /speculirt und spintisirt darauff / gleich dem Krebs im Sack / oder in der Butten / wie sie möge / in ihren Kasten / einen Gott bekommen.

Nun führet die Römische Kirche diesen bekandten Gebrauch / daß der Priester die Hostien / bey Administrirung deß Sacraments / elevirt (oder empor hebt) übers Haupt: worauff der Umstand niderfällt / und dieselbe anbetet: weil die / so dem Römischen Glauben anhängig sind / gläuben / wann die Hostie consecrirt und gesegnet wird / so bleibe es nicht Brod / sondern werde transsubstantiirt / das ist / wesendlich verwandelt / in den wahren Leib JEsu Christi: gestaltsam sie es alsdann nicht mehr für Brod / sondern für Christum Selbsten halten / und mit grosser Göttlicher Ehrerbietung in einer Monstrantzen / zeigen / auch dafür niderfallen / als vor Christo / GOttes und Marien Sohn; es werde gleich am Altar gezeigt / oder auff dem Felde / und durch einen Wald / herumgetragen.

Damit nun das Weib einen Gott in den Kasten bekommen möge; gehet sie / am Oster-Fest / gar fleissig in die Pfarr-Kirchen S. Martini gemeldter Stadt Blumberg; bevoraus und am allermeisten / wann der Kirchen-Diener (oder Priester) mit Administrirung der Hostien umgehet / wann er dieselbige consecrirt /wann er sie / unter der Meß / entweder selber gebraucht / oder Andren[49] austheilt / oder auch / zur Anschauung deß Volcks / in eine güldne oder silberne Monstrantz verfertigt. Auff daß sie aber könne desto genauere Achtung darauff geben; bereitet sie sich gleichfalls / äusserlicher Anstalt nach / zur Meß / und zum Gebrauch deß Nachtmals. Und / aufs Befindung /daß der Meß-Priester etliche Hostien erobert / giebt sie scharffe Achtung darauff / wo er dieselben hinlege / in Verwahrung / biß zum nechsten Gebrauch; und sihet Alles wol ab.

Indessen erweitern sich / in ihrem Hertzen / die Gedancken und Begierden / einen Gott im Kasten zu haben: und der Satan / welcher ihr Hertz schon eingenommen / reitzet und schirret tapffer zu / speyet ihr auch Mittel und Gelegenheit ein / daß es ins Werck gerichtet werde. Weil sie also nicht ruhen kann /schleicht sie gegen Abend / ehe denn der Mesner die Kirche verschließt / unvermerckt hinein / und verbirgt sich.

Als aber Jedermann der nächtlichen Ruhe geniesst /und am festesten schläfft / macht sie sich / aus dem Winckel / darinn sie sich hatte verschloffen / hervor /sperret mit gewissen Instrumenten / so ihr der Satan /als geheimer Rathgeber zu dergleichen Stücklein / an die Hand und in den Sinn gegeben / die Sacristey /und das Sacrament-Häuslein / auff / nimt die übergebliebene Hostien heraus / geht damit heim / und legt sie in ihren Kasten zur Verwahrung / voller Freuden und frohen Muts / daß nun die Reichthums-Götter in ihrem Kasten begriffen. Sie macht nun schon eine weitläufftige Rechnung / wie viel Guts und Gelds ihr so häuffig zuregnen werde / wo sie mit allem dem Gut[50] künfftig hin wolle / was für eine reichselige Frau sie /bey diesem vermeyntem Kasten-Gott / unn Geld-Magneten / der kein Eisen / sondern gutes Silber und Gold / nach sich ziehen werde / mit der Zeit seyn wolle; als die nunmehr einen gewissen Schatz / in ihrer Truhen / habe. Aber das falsche Nachtlicht und Irrwisch ihrer Hoffnung ist gar bald erloschen / nachdem die Sonne der Offenbarung auffgegangen.

Wie der Priester die übergebliebene Hostie gebrauchen will / und nicht mehr findet; wird er sehr bestürtzt / und setzt den Küster (oder Mesner) darum zu Rede: der ihm aber gar keine Nachricht zu geben weiß. Worüber der Priester so viel Klagens macht /daß endlich der Handel vor die hohe und nidrige Obrigkeit gebracht wird.

Zu der Zeit regierte Graf Bernhard / ein / in seinem Gottesdienste / eyfriger und tugendhaffter Herr. Dieser ließ ihm die That sehr übel gefallen; gab derhalben Befehl / man sollte scharff und genau / nach dem Thäter solches Kirchenraubs / dafür er es aufsnahm /forschen.

Nun hatte die Nachbarschafft deß Seligen Winckels / darinn die Thäterinn wohnte / auff diß Weib kein gutes Auge: angesehn / sie mercklich gespührt / daß es mit demselben nicht recht zuginge. Denn es richtete das Gespenst / bey Tage und Nacht / in und ausser dem Hause / ein gräuliches Geplerr / Gepolter und Geklopff an; bevorab / an dem Ort / wo die Truhe stund / darinn die Hostie lag: woselbst sich auch Liechter und brennende Fackeln sehn liessen. So empfand auch das Weib selbst / in ihrem Hertzen und Gewissen /[51] solchen Schrecken und Zagen / daß sie ihr selbst weder zu rathen / noch zu helffen wuste. Als sie derwegen vernommen / es wäre Befehl ergangen / daß man von Haus zu Hause nachsuchen sollte; und sie also / in der Angst / nicht wusste / wo sie / mit der gestohlenen Hostien / sollte bleiben; warff sie dieselbe in ihren Brunnen: welche aber durchaus nicht zu Grunde sincken wollte / sondern stets oben auff dem Wasser floß, wie sehr sie auch das Wasser rührte und erregte.

Also wird das Weib auff der That ergriffen / und gefänglich an- und in schweren Verhafft genommen. Man säumte auch nicht lange; sondern eilte mit ihr /an die scharffe Frage. Welche von ihr / durch immer härteren Angriff / die Bekenntniß endlich erpresste. Doch war sie so boshafft und verteufelt / daß sie an der That nicht allein Schuld haben / sondern / auf Eingeben deß Satans / ein junges unschuldiges Mägdlein mit einflechten wollte. Massen sie es dann / durch ihr vielfältiges Plaudern und Lügen / so weit gebracht /daß man selbiges auch eingelegt. Aber GOtt / der ein Schild der Unschuld ist / halff dem Mägdlein / daß es / nach gnugsamer Verantwortung / der gefänglichen Hafft wieder erlassen wurde.

Graf Bernhard / der zu einer solchen Zeit lebte / da Wissenschafft / Verstand / und Erfahrenheit / ziemlich dünn annoch gesäet waren / hielt diese Sache für so bös (wie sie dann auch eben nicht die beste war) und so wigtig / daß er allein nicht darüber ein Urtheil würde fellen können: ließ derwegen die Fürnehmsten deß Landes / ja das gantze Land / nach Blumberg /allwo er damals sein[52] Hoflager hielt / verschreiben /und zoch dieselbe zu Rath / wie der Handel anzugreiffen / und dieser Kirchen-Raub / an dem Weibe / gebührender Massen abzustraffen wäre. Nachdem derhalben die That erwogen / fiel das Urtheil nach solcher Schwerigkeit / als wie man das Verbrechen achtete; nemlich daß das Weib lebendig mit Feuer / Andren zum Exempel / sollte veräschert werden.

Die Vollziehung solches Spruchs wäre auch /gleich deß Tages / noch vor sich gegangen / daferrn nicht eine Verhinderung dazwischen gefallen: also /daß sie / nach ergangenem Urtheil wiederum in die Gefängniß geführt / und die Nacht noch in Verwahrung gehalten werden sollte.

Aber es erregte der Teufel / aus Verhengniß GOttes / ein so starckes Ungewitter / von Donner / Blitz /Regen / Sturm / und Erdbeben / daß alle / die zu Blumberg gegenwärtig / ja der Graf selber / der sonst ein mutiger und kühner Herr war / sehr erschracken /und gar kleinmütig wurden. Deß Pastorn Haus gieng zur Stunde an / und brannte zu Grunde: weil / bey solchem verworrenem und bestürtztem Zustande / Niemand retten und leschen kunnte. Man sagt / es sey vom Himmel / mit Donner und Blitz / angezündet /und so eilends vom Feuer gefressen worden / daß Keiner dazu kommen können / um einige Rettung zuthun.

Der Wind tobte gleichfalls hefftig / so wol im Walde / als im Felde / richtete eine grosse Verwüstung an / und riß unglaublich-viel Bäume danieder. An der Stadt / vor dem Heu-Thor / stund eine grosse Linde / an welcher Stäte auch das Weib[53] endlich ist verbrannt worden: selbige Linde fasste der Wind /hub sie / mit Wurtzel und Stamm / aus der Erden /kehrte sie dergestallt um / daß die Wurtzel oben / der Gipffel aber / samt den Zweigen / unten zu stehn kam / und in die Erde gesteckt ward. Andrer Abentheuren /so dabey geschehen / zu geschweigen.

Diß Ungewitter / Donner / Blitz / Platzregen / und Sturmwinde / erschreckten Männiglichen so hart / daß Niemand / die gantze Nacht durch / vor Furcht und Angst / ein Auge schliessen kunnte. Jedermann wünschte / mit höchstem Verlangen / daß es Tag werden mögte. Weßwegen Graf Bernhard GOtt gelobte: wann Er dieses entsetzliche Ungewitter würde lassen auffhören / so wollte er deß lieben Tags nicht völlig erwarten; daß das Weib ausgeführt / und verbrannt würde. Welches auch / folgenden Morgens / in aller Frühe / geschehen. Worauf sich allererst das Ungewitter gelegt / und gäntzlich gestillet.

Den Brunnen aber / darein die Hostia geworffen worden / hat man verwahrt. Bey welchem der Teufel hernach viel Gespenster hat sehen lassen. Man erblickte Liechter / und brennende Fackeln. Wann auff die geschriebene Urkunden deß Klosters Blumberg /zu sussen / so hat man auch nachmals / an dem Wasser solches Schöpff-Brunnens / grosse Krafft / verspührt / wovon die Krancken und Bresthaffte / so es gebraucht / genesen / die Blinden sehend / die Lahmen gehend worden: Und ist schier kein Mangel /oder Gebrechen / zu nennen gewest / so diß Wasser nicht hette heilen können. Das ward nun für eine grosse Gnade und[54] Wolthat GOttes / geachtet / und der Gerüchts-Schall davon dergestalt ausgebreitet / daß /aus fernen Landen / gebrechliche Leute angelangt /um aus diesem Brunnen / die Gesundheit zu schöpffen.

Im nachgehendem Jahr / ließ Graf Bernhard / zur Dancksagung für solche Göttliche Wolthat / einen Altar auff den Brunnen bauen: an welchem man Messe gelesen / und gebeten / daß GOtt / aus Gnaden / dem Wasser die grosse Krafft lassen wollte. Darauff ist nicht allein ein häuffiger Zulauff gebrechlicher Leute / aus allerley Nationen / erfolgt / welche so wol für sich deß Wassers gebraucht / als für Andre etwas davon mit sich heim genommen: sondern man hat auch mit Verwundrung gesehn / wie viel milder Gaben die ungesunden Leute / auff den Altar geopffert. Welches den München / als die solches / auff ein neues Kloster-Gebäu / bestimmten / nicht übel gefiel. Denn deß Zulauffens und Opfferns war kein Ende: das Zutragen übertraff alle Vermutung / also /daß man sich nicht gnug drüber verwundern kunnte. Aber alle Gaben und Gifften wurden zusammen- und zurück gelegt / biß ins folgende 1462ste Jahr: da eine schöne Kapell draus erwuchs / und aus solchem Kapell-Gebäu / ein noch viel grösserer Zulauff und Betfahrt.

Dieses lieff dem Prior und Convent deß Klosters zu Möllenbeck zu Ohren. Welcher / samt Andren / hieraus die feste Einbildung fasste / GOtt wollte hiemit zuverstehn geben / daß daselbst eine Kirche / oder ein Kloster / erbaut werden sollte; darauff hielt man /beym Grafen[55] Bernhard zur Lipp / alsofort an / um Erlaubniß / daß sie ein Kloster ihres Ordens / an selbiger Stäte / stifften / und bauen mögten / und Er / der Graf / zur Ehre deß Heil. Leichnams Christi / so wol durch Befehl / als würckliche Hülffe / dazu Beforderung thun wollte: Welches GOtt / mit leib- und geistlichen Wolthaten / gegen Ihm / und seinem Stamm-Hause / Segen-reichlich ersetzen würde; Sie auch selbst / mit Wachen / Beten / Fasten / Messen / Vigilien / und allen klösterlichen Diensten / um die Wolfahrt seines Hauses danckbarlich zuverschulden / niemals hinlässig seyn / sondern so viel Segens erbitten wollten / daß Ihm keine Reu / aus seiner Willfährigkeit / entstehn sollte.

Weil nun dem Grafen / als einem Herrn / der Ihms für eine Ehr achtete / die Ehre der Andacht und Gottseligkeit zu vermehren / ohnedem ihr Fürsatz gar wol gefiel: gab er desto lieber sein Vollwort dazu / nebst gnädiger Verheissung / solches ihr christliches Werck mit so günstiger Bezeigung zu fordern / daß die künfftige Herren Conventualen ein Begnügen dran tragen sollten.

Zu selbigen Zeiten / ging der Gebrauch im Schwange / daß / wenn ein Kloster / oder Kirche erbaut werden sollte / man Leute abfertigte / an andre Oerter /um Geld / und andre Nothdurfft / dazu einzusammlen: wie noch heutiges Tages / bey allen christlichen Religionen / geschicht. Diesen Brauch machten sich damals die Herren von Möllenbeck gleichfalls zu Nutze; damit sie ihr vorgenommenes Kloster-Gebäu so viel mehr / ohne grosse Schulden / mögten verfertigen: schickten demnach zween und zween aus / fast durch die gantze[56] Christenheit; nemlich zween in Ober- und zween in Nieder-Teutschland / zween in Dennemarck / Schweden / und Lieffland / zween in Polen / zween in Engeland / Spanien / Italien / und andre Oerter. Selbige Abgeordnete / denen man versiegelte Bitt-Briefe mitgegeben / kamen jährlich zweymal wieder an den Ort / von dannen sie abgefertigt waren; lieferten eine unglaubliche Summa Geldes / und andren Guts von allerley Sorten. Daraus dann leicht abzunehmen / daß diese Conventualen deß Heil. Grabs nicht umsonst zu hüten / sondern / über die Nothdurfft deß Gebäues / auch noch einen ziemlichen Vorraht beyzulegen / gewünschet. Dieses Betteln trieben sie fast sieben Jahre lang / nemlich biß ins 1469ste Jahr. Da sie deß Baues einen Anfang machten / nachdem sie sich dazu gnugsam gerüstet und versorgt hatten. Und / in folgenden Jahren / führten sie es völlig aus. Wozu Graf Bernhard / und dessen Bruder / der Bischoff zu Paderborn / mit beyden Ländern / dennoch auch / ohn die so häuffige Steuer-Sammlung / einen ehrlichen Beytrag gethan.1

Simon zur Lipp / weiland Bischoff zu Paderborn /hat / in einem geschriebenem Edict / Anno 1481 / bey Beschreibung dieses Kirchenraubs / gemeldet / das Weib / so die Hostien heimlich aus der Kirchen geraubt / sey eine Zauberinn gewest / habe die Hostien /zu ihrer Zauberey / brauchen / und andren Leuten damit Schaden zufügen wollen.[57] Dieses kann / neben dem vorigen Bericht / gar wol bestehen / und der Satan / nachdem sie vorher die Hostien geraubt / sich zu ihr gesellet / und ihr gerathen haben / der Hostien sich / zu Zaubrischen Künsten / zu bedienen / mit Versprechen / wann sie solches thun / und den Leuten damit Schaden thun würde; so wollte er sie reich machen. Daher er nachmals auch ein solches Getöß / und Gepolter / um den Brunnen / und ein so grausames Ungewitter in der Lufft gemacht. Um welches Willen / ich diese Geschicht dem gespenstischem Tumult beygerechnet / und diesem Werck einverleibt habe.

Erwehnter Bischoff hat / bemeldtem Edict / sonst noch viel seltsame Sachen hievon eingefügt / welche Pideritius ungereimte nennt; aber dabey nicht namhafft macht: weßwegen wir dieselbe / alldieweil sie nicht ausgedruckt worden / an ihrem Ort gestellt seyn lassen; und uns allein deß Paulinischen Spruchs hiebey erinnern: Wenn wir Nahrung und Kleider haben / so lasset uns benügen: Denn die da reich werden wollen / fallen in Versuchung und Stricke.2

Fußnoten

1 S. Pideritii andren Theil der Chronic von der Graffschafft Lipp / am 592sten und etliche folgenden Blätern.


2 1. Timoth. 6. v. 8. 9.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 46-58.
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