Erste Szene

[32] Gartensaal des Obersten.

Im Vordergrunde rechts Ida und Adelheid, neben Adelheid der Oberst, alle sitzend. Vor ihnen ein Tisch mit Kaffeeservice.


OBERST im Gespräch mit Adelheid, herzlich lachend. Eine vortreffliche Geschichte und drollig erzählt. – Ich bin seelenfroh, daß Sie bei uns sind, liebe Adelheid, jetzt wird doch etwas anderes an unserem Tisch besprochen werden als die leidige Politik! – Hm! Der Professor kommt heut nicht. Er fehlte doch sonst nicht zur Kaffeestunde.


Pause, Adelheid und Ida sehen einander an. Ida seufzt.


ADELHEID. Vielleicht hat er zu arbeiten.

IDA. Oder er zürnt auf uns, weil ich heut abend zum Feste gehe.

OBERST ärgerlich. Dummes Zeug, du bist nicht seine Frau, nicht einmal seine erklärte Braut. Du bist im Hause deines Vaters und gehörst in meinen Kreis. – Hm, ich merke, er trägt mir nach, daß ich mich neulich ausgesprochen habe. Ich glaube, ich war etwas heftig.

ADELHEID mit dem Kopf nickend. Ja, wie ich höre, etwas.

IDA. Er ist besorgt um Ihre Stimmung, lieber Vater.

OBERST. Na, ich habe Grund genug, ärgerlich zu sein, erinnere mich nicht daran. Und daß er sich noch in diese Wahlen verwickeln ließ, das ist unverzeihlich. – Steht auf, geht auf und ab. Schicke doch einmal zu ihm, Ida.


Ida klingelt. Karl.
[32]

IDA. Eine Empfehlung an Herrn Professor, und wir warten mit dem Kaffee auf ihn.


Karl ab.


OBERST. Nun, das Warten war gerade nicht nötig, wir haben ja getrunken.

ADELHEID. Meine Ida noch nicht.

IDA. Still.

ADELHEID. Warum hat er sich nur als Kandidat aufstellen lassen? Er hat ohnedies Geschäfte genug.

OBERST. Alles Ehrgeiz, ihr Mädchen. In diesen jungen Herren steckt der Teufel des Ehrgeizes, er treibt sie wie der Dampf die Lokomotiven.

IDA. Nein, Vater, er hat dabei nicht an sich gedacht.

OBERST. Das stellt sich nicht so nackt dar: ich will Karriere machen, oder ich will ein gefeierter Mann werden. Das geht feiner zu. Da kommen die guten Freunde und sagen: Es ist Pflicht gegen die gute Sache, daß du – es ist ein Verbrechen gegen dein Vaterland, wenn du nicht – dir ist es ein Opfer, aber wir fordern es; – und so wird der Eitelkeit ein hübscher Mantel umgehangen, und der Wahlkandidat springt hervor, natürlich aus reinem Patriotismus. Lehrt einen alten Soldaten nicht die Welt kennen. Wir, liebe Adelheid, sitzen ruhig und lachen über diese Schwächen.

ADELHEID. Und ertragen sie mit Nachsicht, wenn wir ein so gütiges Herz haben wie Sie.

OBERST. Ja, Erfahrung macht klug.


Karl.


KARL. Herr v. Senden und zwei andere Herren.

OBERST. Was wollen die? Sehr angenehm! Karl ab. Erlaubt, Kinder, daß ich sie hier hereinführe. Senden verweilt nie lange, er ist ein unruhiger Geist.


Die Damen stehen auf.


IDA. Die Stunde ist uns wieder gestört.

ADELHEID. Gräme dich nicht, um so mehr Zeit haben wir zu unserer Toilette.


[33] Adelheid und Ida ab nach links.

Senden, Blumenberg, ein dritter Herr.


SENDEN. Herr Oberst, wir kommen im Auftrage des Ausschusses für die bevorstehende Wahl, um Ihnen anzuzeigen, daß vom Komitee einstimmig der Beschluß gefaßt worden ist, als Wahlkandidaten unserer Partei Sie, Herr Oberst, aufzustellen.

OBERST. Mich?

SENDEN. Das Komitee bittet Sie, diesem Beschluß Ihre Zustimmung zu geben, damit noch heut abend beim Fest den Wählern die nötige Mitteilung gemacht werden kann.

OBERST. Sprechen Sie im Ernst, lieber Senden? Wie kommt das Komitee auf den Gedanken?

SENDEN. Herr Oberst, der Präsident, welcher nach früherem Abkommen unsere Stadt vertreten sollte, hat es für nützlicher gehalten, sich in einem Bezirk der Provinz zu bewerben; außer ihm lebt in unserer Stadt niemand, der so allgemein gekannt und bei der Bürgerschaft beliebt ist als Sie. Wenn Sie unserer Bitte nachgeben, so ist unserer Partei der Sieg gewiß; wenn Sie ablehnen, so ist die größte Wahrscheinlichkeit, daß unsere Gegner ihren Willen durchsetzen. Sie werden mit uns einverstanden sein, daß ein solcher Ausgang unter allen Umständen vermieden werden muß.

OBERST. Ich sehe das alles ein, aber gerade für mich ist es aus persönlichen Gründen unmöglich, in dieser Sache unsern Freunden zu nützen.

SENDEN zu den übrigen. Erlauben Sie mir, dem Herrn Obersten einiges anzuführen, was ihn vielleicht unsern Wünschen geneigt macht.


Blumenberg und der andere Herr ab in den Garten, wo sie zuweilen sichtbar werden.


OBERST. Aber, Senden, wie konnten Sie mich in diese Verlegenheit setzen? Sie wissen, daß Oldendorf seit Jahren in meinem Hause verkehrt und daß es für mich sehr unangenehm sein muß, ihm öffentlich entgegenzutreten.[34]

SENDEN. Hat der Professor wirklich solche famose Anhänglichkeit an Sie und Ihr Haus, so hat er jetzt die beste Gelegenheit, sie zu zeigen. Es versteht sich von selbst, daß er sogleich zurücktreten wird.

OBERST. Ich bin davon doch nicht überzeugt; er ist in manchen Dingen sehr hartnäckig.

SENDEN. Tritt er nicht zurück, so ist ein solcher Egoismus kaum noch Hartnäckigkeit zu nennen. Und in diesem Falle haben Sie doch schwerlich eine Verpflichtung gegen ihn; eine Verpflichtung, Herr Oberst, welche dem ganzen Lande Schaden brächte. Außerdem hat er keine Aussicht, gewählt zu werden, wenn Sie annehmen, denn Sie werden ihn mit einer nicht großen, aber sichern Majorität besiegen.

OBERST. Ist uns denn diese Majorität sicher?

SENDEN. Ich glaube mich dafür verbürgen zu können. Blumenberg und die andern Herren haben sehr genaue Prüfungen angestellt.

OBERST. Dem Professor wäre es ganz recht, wenn er vor mir retirieren müßte. – Aber nein – nein, es geht doch nicht, mein Freund.

SENDEN. Wir wissen, Herr Oberst, welches Opfer wir Ihnen zumuten und daß Sie nichts dafür entschädigen kann als das Bewußtsein, dem Vaterlande einen großen Dienst geleistet zu haben.

OBERST. Allerdings.

SENDEN. So würde man das auch in der Residenz ansehen, und ich bin überzeugt, daß Ihr Eintritt in der Kammer noch in andern Kreisen als bei Ihren zahlreichen Freunden und Verehrern große Freude hervorrufen wird.

OBERST. Ich würde viele alte Freunde und Kameraden dort treffen. Für sich. Ich würde bei Hofe präsentiert werden.

SENDEN. Neulich erkundigte sich der Kriegsminister mit großer Wärme nach Ihnen, auch er muß ein Kriegskamerad von Ihnen sein.

OBERST. Freilich, wir standen als junge Hähne bei derselben Kompanie und haben manchen tollen Streich miteinander[35] gemacht. Es wäre mir eine große Freude zu sehen, wie er in der Kammer sein ehrliches Gesicht in finstre Falten zieht; er war beim Regiment ein wilder Teufel, aber ein braver Junge.

SENDEN. Und er wird nicht der Einzige sein, welcher Sie mit offenen Armen empfängt.

OBERST. Jedenfalls müßte ich die Sache überlegen.

SENDEN. Zürnen Sie nicht, Herr Oberst, wenn ich Sie dränge, sich für uns zu entscheiden. Heut abend müssen wir der eingeladenen Bürgerschaft ihren Abgeordneten vorstellen, es ist die höchste Zeit, wenn nicht alles verloren sein soll.

OBERST unsicher. Senden, Sie setzen mir das Messer an die Kehle. Senden winkt die Herren von der Gartentür näher heran.

BLUMENBERG. Wir wagen, in Sie zu dringen, weil wir wissen, daß ein so guter Soldat wie Sie, Herr Oberst, seinen Entschluß schnell faßt.

OBERST nach innerem Kampfe. Nun so sei es, meine Herren, ich nehme an. Sagen Sie dem Comité, daß ich das Vertrauen zu schätzen weiß. Heute abend besprechen wir das Nähere.

BLUMENBERG. Wir danken Ihnen, Herr Oberst, die ganze Stadt wird Ihren Entschluß mit Freuden vernehmen.

OBERST. Auf Wiedersehen heut abend! Die Herren ab, Oberst allein, nachdenkend. Ich hätte doch nicht so schnell annehmen sollen. – Aber ich mußte dem Kriegsminister den Gefallen tun. – Was wer den die Mädchen dazu sagen; und Oldendorf? Oldendorf. Da ist er selbst! Räuspert sich. – Er wird sich wundern, ich kann ihm nicht helfen, er muß zurücktreten. Guten Tag, Professor, Sie kommen gerade recht.

OLDENDORF eilig. Herr Oberst, in der Stadt erzählt man sich, die Partei des Herrn v. Senden habe Sie als[36] Wahlkandidaten aufgestellt, ich bitte Sie selbst um die Versicherung, daß Sie eine solche Wahl nicht annehmen würden.

OBERST. Wenn mir der Antrag gemacht worden wäre, warum sollte ich ihn nicht annehmen so gut wie Sie? Ja eher als Sie; denn die Motive, welche mich bestimmen könnten, sind jedenfalls stichhaltiger als Ihre Gründe.

OLDENDORF. Also ist doch etwas an dem Gerücht?

OBERST. Geradeheraus, es ist die Wahrheit, ich habe angenommen, Sie sehen in mir Ihren Gegner.

OLDENDORF. Das ist das Schlimmste von allem, was unser Verhältnis bis jetzt getrübt hat. So soll mir nichts Bitteres erspart werden.

OBERST. Sie werden einsehen, lieber Oldendorf, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, wo Sie mit Ehren zurücktreten können.

OLDENDORF. Herr Oberst, konnte nicht die Erinnerung an eine Freundschaft, welche jahrelang herzlich und ungestört war, Sie bewegen, diesen widerwärtigen Kampf zu vermeiden?

OBERST. Ich konnte nicht anders, Oldendorf, glauben Sie mir; an Ihnen ist es jetzt, sich unserer alten Freundschaft zu erinnern. Sie sind der jüngere Mann, von andern Beziehungen zu schweigen, an Ihnen ist es jetzt zurückzutreten.

OLDENDORF eifriger. Herr Oberst, ich kenne Sie seit Jahren, ich weiß, wie lebhaft und warm Sie empfinden und wie wenig Ihr feuriges Gefühl geeignet ist, den kleinen Ärger der Tagespolitik, den aufreibenden Kampf der Debatte zu ertragen. O mein würdiger Freund, hören Sie auf meine Bitten und nehmen Sie Ihre Einwilligung zurück.

OBERST. Lassen Sie das meine Sorge sein; ich bin ein alter Stamm aus hartem Holz. – Denken Sie an sich selbst, lieber Oldendorf. Sie sind jung, Sie haben als Gelehrter einen Ruf, Ihre Wissenschaft sichert Ihnen jede Art von Erfolg. Wozu wollen Sie in einer andern Tätigkeit sich statt Ehre[37] und Anerkennung nichts als Haß, Spott und Zurücksetzung holen? Denn bei Ihren Ansichten werden die nicht ausbleiben. Denken Sie daran. Sein Sie verständig und treten Sie zurück.

OLDENDORF. Herr Oberst, wenn ich meinen Wünschen folgen dürfte, ich täte es auf der Stelle. Ich bin aber in diesem Kampfe an meine Freunde gebunden, ich darf jetzt nicht zurücktreten.

OBERST eifrig. Und ich darf auch nicht zurücktreten, um der guten Sache nicht zu schaden. Da sind wir so weit wie im Anfange. Für sich. Der Trotzkopf! – Beide gehen an verschiedenen Seiten der Bühne auf und ab. Sie haben aber gar keine Aussicht, gewählt zu werden, Oldendorf; es ist sicher, daß die Majorität der Stimmen meinen Freunden angehört; Sie setzen sich einer öffentlichen Niederlage aus. Gutmütig. Ich möchte nicht, daß Sie vor allen Leuten durch mich geschlagen werden, das gibt Geschwätz und Skandal. Denken Sie doch daran! Es ist ganz unnütz, daß Sie erst zum Zweikampf herausfordern.

OLDENDORF. Selbst wenn das alles so sicher wäre, als Sie annehmen, Herr Oberst, würde ich doch bis zur Entscheidung aushalten müssen. Aber soweit ich die Stimmung beurteilen kann, ist das Resultat gar nicht so sicher. Und bedenken Sie, Herr Oberst, wenn der Fall eintritt, daß Sie unterliegen –

OBERST ärgerlich. Ich sage Ihnen, er tritt nicht ein.

OLDENDORF. Wenn es aber doch so käme? Wie widerwärtig wäre das für uns beide! Mit welchen Empfindungen würden Sie mich dann ansehen! Eine Niederlage wäre meinem Herzen vielleicht willkommen, Ihnen würde sie tiefe Kränkung sein. Und, Herr Oberst, ich fürchte diese Möglichkeit.

OBERST. Ebendeshalb sollen Sie zurücktreten.

OLDENDORF. Ich darf nicht mehr, Sie aber können es noch.[38]

OBERST heftig. Donnerwetter, Herr. Ich habe ja gesagt, ich bin nicht der Mann, ein Nein darauf zu setzen. – Beide gehen auf und ab. So wären wir am Ende, Herr Professor. Meine Wünsche gelten Ihnen nichts, ich hätte das wissen können. Ein jeder von uns gehe seinen Weg. – Wir sind öffentliche Gegner geworden, wir wollen einander ehrliche Feinde sein.

OLDENDORF die Hand des Obersten ergreifend. Herr Oberst, ich halte diesen Tag für einen sehr unglücklichen, denn ich sehe Trauriges auf ihn folgen. Bewahren Sie sich unter allen Umständen die Überzeugung, daß meine Liebe und Anhänglichkeit an Sie durch nichts zu erschüttern ist.

OBERST. Zuletzt ist unsere Position wie vor einer Schlacht. Sie wollen sich von einem alten Militär schlagen lassen, Sie sollen Ihren Willen haben.

OLDENDORF. Ich bitte um die Erlaubnis, unser Gespräch Fräulein Ida mitzuteilen.

OBERST etwas unruhig. Es ist besser, Sie tun das jetzt nicht, Herr Professor; es wird sich schon eine Gelegenheit finden. Vorläufig sind die Damen bei der Toilette, ich selbst werde ihnen das Nötige sagen.

OLDENDORF. Leben Sie wohl, Herr Oberst, und denken Sie meiner ohne Groll.

OBERST. Ich werde das Mögliche darin tun, Herr Professor. – Oldendorf ab. Er hat nicht nachgegeben. Was für ein Ehrgeiz in diesem Gelehrten sitzt!


Ida, Adelheid.


IDA. War das nicht Oldendorfs Stimme?

OBERST. Ja, mein Kind!

ADELHEID. Und er ist wieder fort? Ist etwas vorgefallen?

OBERST. Allerdings, ihr Mädchen. Kurz heraus, nicht Oldendorf wird Abgeordneter der Stadt, sondern ich.[39]

ADELHEID. Sie, Herr Oberst?

IDA. Sie, Vater?

IDA. Ist Oldendorf zurückgetreten?

ADELHEID. Ist die Wahl vorüber?

OBERST. Keins von beiden. Oldendorf hat seine vielgepriesene Anhänglichkeit an uns dadurch bewiesen, daß er nicht zurückgetreten ist, und der Tag der Wahl ist noch nicht vorüber. Doch ist nach allem, was ich höre, kein Zweifel, daß Oldendorf unterliegt.

IDA. Und Sie, mein Vater, sind vor aller Welt sein Gegner geworden?

ADELHEID. Und was hat Oldendorf dazu gesagt, Herr Oberst?

OBERST. Macht mir den Kopf nicht warm, ihr Mädchen! – Oldendorf war hartnäckig, sonst hat er eine gute Haltung gezeigt, und von der Seite ist alles in Ordnung. Die Gründe, welche mich bestimmt haben, das Opfer zu bringen, sind sehr wichtig, ich werde sie euch ein andermal auseinandersetzen! Die Sache ist entschieden, ich habe angenommen, das laßt euch jetzt genügen.

IDA. Aber lieber Vater –

OBERST. Laß mich in Ruhe, Ida, ich habe an anderes zu denken. Heut abend soll ich öffentlich sprechen, das ist einmal der Brauch bei solchen Wahlen. – Sorge nicht, mein Kind, wir wollen schon mit dem Professor und seinem Anhange fertig werden.


Oberst ab nach dem Garten.

Ida und Adelheid stehen einander gegenüber und ringen die Hände.


IDA. Was sagst du dazu?

ADELHEID. Du bist die Tochter, was sagst du?

IDA. Nein! der Vater! Kaum hat er uns gründlich auseinandergesetzt, was für kleine Mäntel der Ehrgeiz bei solchen Wahlen umnimmt –

ADELHEID. Ja, er hat sie recht anschaulich beschrieben, alle Hüllen, Mäntel und Burnusse der Eitelkeit.

IDA. Und in der nächsten Stunde darauf läßt er sich selbst den Mantel umhängen. Das ist ja schrecklich! – Und wenn[40] der Vater nicht gewählt wird? Es war Unrecht von Oldendorf, daß er der Schwäche des Vaters nicht nachgegeben hat. Ist das Ihre Liebe zu mir, Herr Professor? Auch er hat nicht an mich gedacht!

ADELHEID. Weißt du was? Wir wollen wünschen, daß sie beide durchfallen. Diese Politiker! – Es war schlimm genug für dich, als nur einer Politik trieb; jetzt, da sie beide von dem sinnbetörenden Trank trinken, bist du auf alle Fälle geliefert. Wenn ich jemals in die Lage käme, einen Mann zu meinem Herrn zu machen, ich würde ihm nur eine Bedingung stellen, die weise Lebensregel meiner alten Tante: Rauchen Sie Tabak, mein Gemahl, soviel Sie wollen, der verdirbt höchstens die Tapeten, aber unterstehen Sie sich nicht, jemals eine Zeitung anzusehen, das verdirbt Ihren Charakter. Korb an der Tür. Was bringen Sie, Korb?

KORB eilig, geheimnisvoll. Es ist nicht wahr!

ADELHEID ebenso. Was ist nicht wahr?

KORB. Daß er eine Braut hat, er denkt nicht daran, sein Freund sagt, er hat nur eine Geliebte.

ADELHEID eifrig. Wer ist die?

KORB. Seine Zeitung!

ADELHEID erleichtert. Ah so! Laut. Da kann man sehen, wieviel Unwahres die Menschen sprechen. Es ist gut, lieber Korb!


Korb ab.


IDA. Was ist unwahr?

ADELHEID seufzend. Ach, daß wir Frauen klüger sind als die Männer, wir reden ebenso weise, und ich fürchte, wir haben ebenso große Lust, bei der ersten Gelegenheit unsere Weisheit zu vergessen. Wir sind alle zusammen arme Sünder!

IDA. Du kannst scherzen, du hast nie empfunden, daß der Vater und der geliebte Freund einander feindlich gegenüberstehen.[41]

ADELHEID. Meinst du? – Ich habe aber eine gute Freundin gehabt, die hatte ihr Herz törichterweise an einen hübschen übermütigen Burschen gehängt, sie war damals noch ein Kind, und es war ein sehr rührendes Verhältnis. Ritterliche Huldigung von seiner Seite und zarte Seufzer von der ihren. Da hatte die junge Heldin das Unglück, eifersüchtig zu werden, und sie vergaß Poesie und Anstand so weit, dem erwählten Ritter ihres Herzens einen Backenstreich zu geben. Es war nur ein ganz kleiner Backenstreich, aber er wurde verhängnisvoll. Der Vater der jungen Dame hatte ihn gesehen und forderte Erklärung. Da tat der junge Ritter, was ein echter Held tun muß, er nahm die ganze Schuld auf sich und sagte dem erschrockenen Vater, er habe von der Dame einen Kuß gefordert – der arme Junge! so anmaßend war er nie! – ein Schlag sei die Antwort gewesen. Der Vater war ein strenger Mann, er mißhandelte den Jüngling. Der Held wurde aus seiner Familie, aus seiner Heimat entfernt, und die Heldin saß einsam in ihrem Burgsöller und weinte um den Verlorenen.

IDA. Sie hätte ihrem Vater die Wahrheit sagen sollen.

ADELHEID. Oh, das tat sie, aber ihr Geständnis machte das Übel ärger. Seit der Zeit sind viele Jahre vergangen, und der Ritter und seine Dame sind jetzt alte Leute und sehr verständig.

IDA lächelnd. Und haben sie einander nicht mehr lieb, weil sie verständig sind?

ADELHEID. Liebes Kind, wie der Herr denkt, kann ich dir so genau nicht sagen; er hat dem Fräulein nach dem Tode ihres Vaters einen sehr schönen Brief geschrieben, weiter weiß ich nichts; aber die Dame hat mehr Courage als du, sie hofft noch immer. Ernst. Ja, sie hofft, und ihr Vater hat ihr das vor seinem Tode selbst erlaubt – du siehst, sie hofft noch.

IDA sie umarmend. Und wer ist der Verstoßene, auf den sie hofft?

ADELHEID. Still, mein Liebchen, das ist ein finsteres Geheimnis.[42] Nur wenig lebende Menschen wissen darum; und wenn die Vögel auf den Bäumen von Rosenau einander davon erzählen, so behandeln sie die Geschichte als eine dunkle Sage ihrer Vorfahren, sie singen dann leise und klagend, und ihre Federn sträuben sich vor Ehrfurcht. – Zu seiner Zeit sollst du alles erfahren, jetzt denke an das Fest und wie hübsch du aussehen wirst.

IDA. Hier der Vater, dort der Geliebte, wie soll das enden?

ADELHEID. Sei ohne Sorgen. Der eine ist ein alter Soldat, der andere ein junger Staatsmann, dergleichen öffentliche Charaktere sind zu allen Zeiten von uns Frauen um den kleinen Finger gewickelt worden.


Beide ab.


Quelle:
Gustav Freytag: Die Journalisten. Stuttgart 1977, S. 32-43.
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