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[670] Noch immer regnete es. Bei Anbruch des Tages hatte der Himmel eine Pause gemacht, aber nur, um seine feuchte Arbeit mit doppelter Stärke fortzusetzen. Die Wiesenarbeiter waren am frühen Morgen auf das Feld gezogen und bald wieder zurückgekehrt. Jetzt saßen sie schweigsam in der Wachtstube des Schlosses und trockneten ihre durchnäßten Kleider am Ofen.

Der Freiherr lag im Ledersessel seiner Hinterstube; er ließ sich[670] von dem alten Johann aus den Zeitungen vorlesen, welche am Tage zuvor wieder einmal in das Schloß gedrungen waren. Die eintönige Stimme des Dieners meldete nur Unwillkommenes, die Regentropfen klapperten an der Dachrinne, und der Sturmwind schlug heulend an die Hausecke, sie begleiteten in Mißtönen die Worte des Lesenden.

Anton war an seinem Schreibtisch beschäftigt. Vor ihm lag ein Brief des Justizrats Horn, er meldete, daß der Termin zum gerichtlichen Verkauf des Familienguts auf die Mitte des nächsten Winters festgestellt sei; gleich nach Bekanntmachung des Termins seien mehrere Hypotheken des Guts aus einer Hand in die andere übergegangen, wie er fürchte, aufgekauft von einem Spekulanten, der sich hinter verschiedenen Namen zu verbergen wisse. So überdachte Anton in trüber Stimmung die gefährliche Lage des Freiherrn.

In dem Zimmer daneben leistete Fink den Damen Gesellschaft; die Baronin lag in die Kissen des Sofas gedrückt, zugedeckt mit einem Tuch Lenorens. Sie sah schweigend vor sich hin, und nur wenn die Tochter mit zärtlicher Frage zu ihr trat, nickte sie ihr lächelnd zu und sprach beruhigende Worte. Lenore war am Fenster mit einer leichten Arbeit beschäftigt und hörte mit Entzücken auf die Scherze, durch welche Fink das trübe Grau des Zimmers aufzuhellen wußte. Er war heut trotz dem Regen in der übermütigsten Laune. Zuweilen klang Lenorens Lachen durch die eichene Tür in Antons Ohr, dann vergaß Anton Güterkauf und Hypotheken, sah mit umwölktem Blick auf die Tür und empfand nicht ohne Bitterkeit, daß ein neuer Kampf für ihn und die Familie heranziehe.

Draußen aber strömte der Regen, stürmte die Luft. Laut rief der Wind vom Walde her seinen Klageruf nach dem Schloß. Im Kiefernwald knarrten die Äste, und von den Wipfeln der Föhren wogten die Nadelbüschel rastlos auf das Schloß zu. In den Birnbäumen auf dem Ackerland fuhren die Blätter und die weißen Blüten zitternd durcheinander. Zornig warf der Sturm die Blüten herab zur Erde, schlug sie mit seinen Regentropfen fest auf dem nassen Boden und heulte: Herunter mit eurem lachenden Glanz, graue Trauerfarbe soll heut tragen, was zum Schlosse gehört. – Von den Bäumen fuhr der Wilde an die Mauern des Schlosses,[671] er schüttelte die Fahnenstange auf dem Turm, er schleuderte das Wasser der Wolken in schrägen Linien an die Fensterscheiben, er fuhr stöhnend in den Schlot und donnerte an die Türen. Zu jeder Öffnung rief er herein: »Wahret euer Haus!« So trieb er es stundenlang, aber die drin verstanden nicht seine Sprache.

So achtete auch niemand auf den Reiter, der sein ermüdetes Pferd im eiligen Jagen durch das Dorf dem Schlosse zutrieb. Endlich schlug der Hammer an das Pfahlwerk des Hofes, ungeduldig tönten die Schläge, und Stimmen wurden laut im Hofe und auf der Treppe. Anton öffnete die Tür, ein bewaffneter Mann, triefend von Wasser, bespritzt mit dem Kot der Straße, trat in die Stube.

»Du bist es!« rief Anton erstaunt.

»Sie kommen«, meldete Karl, sich vorsichtig umsehend; »machen Sie sich gefaßt, diesmal gilt es uns.«

»Die Feinde?« frug Anton schnell; »wie stark ist der Haufe?«

»Es ist kein Haufe, den ich gesehn«, erwiderte Karl ernst, »es ist ein Heer; an die tausend Sensenmänner, wohl hundert Reiter. Sie sind auf dem Zuge zum Hauptkorps. Ich höre, sie haben Befehl, alle polnischen Männer mitzunehmen und die deutschen Gemeinden zu entwaffnen.«

Anton öffnete die Tür des Nebenzimmers und bat Fink, hereinzukommen.

»Ah«, rief Fink eintretend, mit einem Blick auf Karl, »wer so die halbe Landstraße mit sich in die Stube trägt, bringt nichts Gutes. Von welcher Seite kommt der Feind, Sergeant?«

»Vom Neudorfer Birkenwald her zieht sich's in hellen Haufen auf uns herunter. Die Leute hier im Dorf sind in der Schenke versammelt, trinken Branntwein und zanken.«

»Kein Fanal hat gebrannt, es ist noch kein Rapport von den nächsten Dörfern gekommen«, rief Anton am Fenster. »Haben die Deutschen in Neudorf und Kunau geschlafen?«

»Sie sind selbst überrascht worden«, fuhr der Unglücksbote fort; »ihre Wachen hatten schon gestern am Abend den Feind gesehen, er zog eine halbe Meile von Neudorf auf der großen Straße nach Rosmin zu. Als er passiert war bei der Stelle, wo der Weg nach Neudorf von der Straße abgeht, wurden die von Neudorf guten Mutes. Ihre Reiter folgten von fern den Sensenmännern,[672] bis ihnen der letzte Haufe aus dem Gesicht war. In der Nacht aber sind die Banden umgekehrt, heut morgen haben sie das Dorf überfallen, sie haben gewirtschaftet wie die Teufel. Der Schulz liegt auf dem Stroh voll Wunden, ein gelieferter Mann, das Alarmhaus ist in Brand geraten, dort über den Wald hin müßte man den Rauch sehen, wenn dieser dicke Regen nicht wäre. Jetzt haben sich die Feinde geteilt, sie durchsuchen die deutschen Dörfer, ein Trupp zieht nach Kunau, ein Haufe auf unser neues Vorwerk zu, ein großer Haufe kommt hierher.«

»Wieviel Zeit haben wir noch, die Herren zu empfangen?« frug Fink. »Bei dem Wetter braucht das Fußvolk eine Stunde bis hierher.«

»Ist der Förster gewarnt«, frug Anton, »und wissen sie's auf dem Vorwerk?«

»Es war keine Zeit, sie anzurufen, das Vorwerk liegt von Neudorf weiter ab, als das Gut, ich wäre zu spät hierher gekommen. Unser Fanal habe ich angezündet, aber bei diesem Wetter ist weder Feuer noch Rauch zu sehn, und jedes Signal ist vergeblich.«

»Wenn sie nicht für sich selbst ausgesehen haben«, sagte Fink beistimmend, »wir können nichts weiter für sie tun.«

»Der Förster ist ein Fuchs«, erwiderte Karl, »den fängt keiner, aber der Vogt auf dem Vorwerk und des Vogts junge Frau, der Himmel sei ihnen gnädig!«

»Retten Sie unsere Leute!« rief eine flehende Stimme neben Fink; Lenore stand in der Stube, bleich, mit gefalteten Händen.

Anton eilte an die Tür, durch welche Lenore geräuschlos eingetreten war. »Die gnädige Frau!« rief er besorgt.

»Noch hat sie nichts gehört«, erwiderte Lenore hastig; »senden Sie nach dem Vorwerk, helfen Sie unsern Leuten!«

Fink ergriff seine Mütze. »Führen Sie mein Pferd heraus«, sagte er zu Karl.

»Du darfst jetzt nicht fort«, rief Anton, ihm in den Weg tretend; »ich werde dein Pferd nehmen.«

»Um Vergebung, Herr Wohlfart«, warf Karl dazwischen, »wenn ich das Pferd des Herrn von Fink reiten darf, – ich bin noch imstande, den Weg zu machen.«

»Meinetwegen«, entschied Fink. »Den Förster und wen Sie von Männern auftreiben können, senden Sie hierher, die Weiber,[673] die Pferde und Schafe schicken Sie nach dem Wald. Der Vogt soll sich mit dem Vieh tief in das Holz hineinziehn und von den alten Kiefern an der Sandgrube das Schloß beobachten. Sie aber bleiben auf meinem Pferde, das ich leider Ihren Beinen für die nächsten Tage überlassen muß. Reiten Sie auf Rosmin zu und suchen Sie die nächste Abteilung unserer Truppen, wir lassen dringend um Hilfe bitten, womöglich Kavallerie dabei.«

»Unsere Rotmützen sollen eine Stunde hinter Rosmin stehn«, sagte Karl im Abgehn; »der Schmied von Kunau rief mir's zu, als ich bei ihm vorbeiritt.«

»Was Sie von Militär in Bewegung setzen, bringen Sie hierher. Während Sie das Pferd satteln, schreibe ich eine Zeile an den Kommandierenden.«

Karl machte militärisch grüßend kehrt und sprang hinunter, Anton mit ihm. Während Karl am Sattelgurt schnallte, sagte Anton eilig: »Im Vorbeireiten rufe die Leute auf dem Hofe an, ich gehe sogleich hinüber. – Armer Junge, du hast heut noch kaum gefrühstückt und hast wenig Aussicht, in den nächsten Stunden etwas zu bekommen.« Er sprang in das Haus zurück, holte aus der Küche eine Flasche Likör, ein Brot und Überreste eines Schinkens, steckte den Proviant in einen Sack und reichte diesen mit dem Briefe dem Reiter, der gerade im Begriff war, den Hofraum zu verlassen.

»Ich danke«, sagte Karl, Antons Hand ergreifend, »Sie sorgen für alles. Jetzt aber noch eine Bitte an Sie, denken Sie auch an sich selbst, Herr Wohlfart; diese ganze polnische Wirtschaft hier und da draußen ist nicht wert, daß Sie Ihr Leben dafür in die Schanze schlagen; es gibt bei uns daheim Leute, die es schwer ertragen würden, wenn Ihnen etwas zustieß.«

Anton schüttelte herzhaft die Hand des Treuen. »Lebe wohl, ich werde meine Pflicht tun; vergiß nicht, den Förster zu uns zu schicken, und rette vor allem die Frau. Das Militär führe auf dem Waldwege hierher.«

»Keine Sorge«, sagte Karl lustig, »der vornehme Braune soll heut merken, was ein Kommißschenkel durchsetzen kann.« Bei diesen Worten schwenkte er seine Mütze und verschwand in gestrecktem Galopp hinter den Gebäuden des Wirtschaftshofes.

Anton verriegelte das Tor, dann eilte er in die Wachtstube und[674] zog die Lärmglocke, er befahl dem Obmann, die Leute antreten zu lassen, das Hintertor zu besetzen und niemand ohne Anfrage einzulassen, auch die Flüchtlinge nicht. »Eßt reichlich und trinkt mit Maß, wir werden heut zu tun bekommen«, rief er ihnen zu. Oben in seinem Zimmer stand unterdes Fink am Tisch und lud die Gewehre, Lenore reichte ihm von der Wand, was er forderte, sie war bleich, aber die Augen glühten ihr in einer Aufregung, welche dem eintretenden Anton nicht entging. »Lassen Sie diese ernsten Spielereien uns allein besorgen«, bat er zu ihr tretend.

»Es ist das Haus meiner Eltern, das Sie verteidigen«, rief Lenore, »mein Vater ist außerstande, Sie anzuführen, Sie sollen um unsertwillen Ihr Leben nicht auf das Spiel setzen, ohne daß ich dabei bin.«

»Verzeihen Sie«, erwiderte Anton, »Ihre erste Pflicht ist jetzt wohl, die Frau Baronin vorzubereiten und in den nächsten Stunden nicht zu verlassen.«

»Meine Mutter, meine arme Mutter!« rief Lenore die Hände zusammenschlagend, legte das Pulverhorn hin und eilte in das Nebenzimmer. »Ich lasse die Leute essen«, sagte Anton zu Fink. »Von jetzt ab übernimm du den Befehl.«

»Gut«, erwiderte Fink, »hier ist deine Ausrüstung, diese Doppelflinte ist leicht, ein Lauf Kugel, der andere Repost. Der Kugelsack liegt unter deinem Bett.«

»Du gedenkst eine Belagerung auszuhalten?« frug Anton.

»Wir dürfen uns entweder gar nicht zur Wehr setzen, und müssen uns der freundlichen Diskretion der heranziehenden Haufen übergeben, oder wir müssen uns zu halten suchen bis zur letzten Kugel. Auf diesen letztern Fall haben wir uns immer vorbereitet, vielleicht ist Ergebung das Klügere, ich gestehe, daß sie nicht nach meinem Geschmack ist. Da aber noch ein Hausherr vorhanden ist, so mag er sprechen, geh zum Freiherrn.«

Anton eilte durch den Korridor nach dem andern Flügel. Schon von weitem hörte er im Zimmer des Barons heftig mit den Stühlen rücken. Auf ein zorniges Herein! trat er in das Zimmer. Der Freiherr stand hoch aufgerichtet in der Mitte der Stube und fuhr ihm entgegen. »Ich höre, daß etwas vorgeht, ich muß es als einen unverzeihlichen Mangel an Aufmerksamkeit betrachten, daß man mich von nichts unterrichtet.«[675]

»Verzeihung, Herr Baron«, erwiderte Anton, »vor wenig Minuten ist die Nachricht angekommen, daß ein feindlicher Haufe von Sensenmännern und Reitern gegen Ihr Gut heranzieht, wir haben in größter Schnelligkeit einen Boten nach dem nächsten Militärkommando geschickt, dann haben wir das Tor verriegelt und erwarten jetzt Ihre Befehle.«

»Rufen Sie mir Herrn von Fink«, erwiderte der Baron herrisch.

»Er ist in diesem Augenblick in der Wachstube.«

»Ich lasse ihn bitten, sich sogleich zu mir zu bemühen«, rief der zornige Herr, »mit Ihnen kann ich über militärische Maßregeln nicht sprechen. Fink ist Kavalier und ein halber Soldat, ihm will ich die nötigen Instruktionen geben. Was warten Sie noch?« fuhr er rauh fort. »Glaubt Ihr jungen Leute mit mir spielen zu können, weil ich das Unglück habe, blind zu sein? Wer bei mir in Brot und Lohn steht, der wenigstens soll meine Befehle respektieren.«

»Vater!« rief Lenore die Hände zusammenschlagend auf der Schwelle und sah mit flehendem Blick auf Anton.

»Sie haben recht, Herr Baron«, antwortete Anton, »ich bitte Sie um Vergebung, daß ich in der Verwirrung meine erste Pflicht vergessen habe. Ich werde Herrn von Fink im Augenblick herschicken.« Er eilte aus dem Zimmer und benachrichtigte Fink in der Vorhalle von der gereizten Stimmung des Freiherrn.

»Er ist ein Narr«, sagte Fink.

»Geh nur sogleich hinauf«, bat Anton, »die Frauen müssen von seiner Laune leiden.« Darauf hing Anton die Jacke eines Arbeiters um und sprang durch die Hinterpforte hinaus in den Regen nach dem Wirtschaftshofe.

Auf dem Hofe sah er ein wüstes Durcheinander. Deutsche Familien aus den Nachbardörfern hatten sich in das Alarmhaus geflüchtet und saßen dort mit den Kindern und einigen Stücken ihrer Habe. Es waren wohl an zwanzig Personen auf der Tenne gelagert, Männer, Frauen und Kinder; die Weiber jammerten, die Kinder weinten, die Männer starrten finster vor sich hin, mehrere gehörten zum Landsturm der Dörfer, einer oder der andere war mit einer Flinte bewaffnet. Auf dem Hofraum standen die kleinen Wagen der Flüchtigen. Knechte, Pferde und Kühe rannten durcheinander. Anton rief den Techniker zu Hilfe bei der nötigen[676] Aufsicht. Dem zuverlässigsten Knechte und der deutschen Großmagd übergab er die Ackerpferde und die Rinderherde. Er nahm den Knecht, einen entschlossenen Mann, beiseite und besprach mit ihm einige Stellen im Dickicht unweit der Sandgrube, wo für Menschen und Tiere Verborgenheit und einiger Schutz vor dem Wetter zu hoffen war. Dorthin sollte der Knecht die Herde treiben, und fleißig nach dem Vogt vom Vorwerk aussehen, der im Walde die Aufsicht zu führen hatte. Dann befahl er der Magd, eine Kuh zurückzulassen, öffnete der Herde selbst das Hintertor und sah, wie die Leute, mit Lebensmitteln bepackt, auf den Wald zutrieben.

»Was aber tun wir mit den Pferden des Barons und der Fremden?« frug der Techniker in Eile.

»Sie müssen mit einigen Wagen ins Schloß, wie es auch gehen mag. Wer weiß, ob wir nicht fliehen, wenn's zum letzten kommt.«

So ließ Anton schnell in die neuangestrichenen Wagen Karls einige Säcke Kartoffeln laden, Mehl, Hafer und was von Heubündeln Raum hatte. Auch an die Feuertonne ließ er ein Gespann haken und die Tonne mit frischem Wasser füllen. Noch immer goß es vom Himmel wie mit Kannen und in dem strömenden Regen warfen die Knechte Säcke, Kasten und Bündel auf die Wagen; alles lief durcheinander, weinte und fluchte in deutscher und polnischer Sprache. Als Anton unter die Flüchtlinge trat, wurde das Geschrei der Frauen noch lauter, die Männer umdrängten ihn und fingen an ihr Unglück zu erzählen, die Kinder hingen sich um seine Füße, es war ein trauriger Anblick. Anton tröstete: »Vor allem haltet Ruh, wir werden euch schützen, so gut wir können. Ich hoffe, daß Militär zu unserer Hilfe kommt, unterdes sollt ihr aufs Schloß in Sicherheit. Ihr habt treu zu uns gehalten in dieser bösen Zeit, solange wir Brot haben, soll es auch euch nicht fehlen.«

Nach einer Viertelstunde angestrengter Arbeit trieb Anton nach dem Schlosse. Die Knechte fuhren mit dem Wagen an der Hintertür vor, der Trupp der Flüchtlinge folgte. Noch immer kamen Leute an, welche sich aus den deutschen Dörfern gerettet hatten, auch der Schmied von Kunau stand mit einem Haufen seiner Dorfnachbarn vor dem Schloßtor. Der ganze Zug wurde jetzt[677] geordnet und der Reihe nach hereingelassen, die Pferde abgeschirrt, die Wagen entladen. Die Frauen und Kinder führte Anton in zwei Stuben des Unterstocks, welche zwar finster, aber immer noch behaglicher waren, als die Alarmhäuser oder das regendurchweichte Feld. Die größte Mühe machte das Unterbringen der Pferde; eng aneinandergedrängt stand ein Dutzend Tiere unter einem offenen Schuppen, notdürftig geschützt vor dem Regen und vor anschlagenden Kugeln. In die Mitte des Hofraums wurde der Wasserbottich gestellt und die Kartoffelwagen an das Pfahlwerk geschoben, um den Schützen im Notfall einen Stand zu geben. Darauf wurden die wehrhaften Männer durch den Schmied gesammelt, außer dem Wiesenbauer und vier Knechten waren es noch fünfzehn deutsche Kolonisten, die meisten bewaffnet. Wuchtig tönte ihr Tritt in dem langen Gange des Schlosses; sie zogen in die Vorhalle und stellten sich an der Seite der Arbeiter auf. Dort war die streitbare Macht der Festung versammelt, Fink ging in seinem Jagdrock vor seiner Arbeiterkompagnie ruhig auf und ab. Anton trat an ihn heran und meldete, was bis jetzt geschehen war.

»Du bringst uns Männer«, erwiderte Fink, »das ist in der Ordnung, aber auch einen ganzen Klan Weiber und Kinder, das Schloß ist voll, wie ein Bienenkorb, über sechzig Mäuler und fast ein Dutzend Pferde, wir werden trotz deiner Kartoffelwagen noch vor vierundzwanzig Stunden die Steine anbeißen müssen.«

»Konnte ich sie draußen lassen?« frug Anton unwillig.

»Sie wären im Walde ebenso sicher gewesen als hier«, sagte Fink die Achseln zuckend. »Möglich«, erwiderte Anton, »aber die Leute im strömenden Regen nach dem Walde zu jagen, ohne Nahrung und in der furchtbaren Angst einer Flucht ohne Ziel, das wäre eine Grausamkeit gewesen, die ich nicht verantworten will. Und meinst du, daß wir die Männer bekommen hätten ohne die Weiber und Kinder?«

»Die Männer wenigstens können wir brauchen«, schloß Fink, sich zu den Angekommenen wendend; »sorge du für Verproviantierung der Masse.« Fink gab den Unbewaffneten Gewehre und teilte die Mannschaft in vier Sektionen, die eine für den Hof, zwei für den Unter- und Oberstock und eine als Reserve in die Wachstube. Dann ließ er sich durch den Schmied von Kunau und[678] einige andere genauen Bericht über den Feind abstatten. Unterdes war Anton in das Souterrain geeilt, dort übergab er dem Wiesenbauer die Aufsicht über die Vorräte und ließ durch den Diener des Freiherrn Holz und Wasser zusammentragen. Ein Sack Kartoffeln und einer mit Mehl wurde in der Nähe des Herdes aufgestellt und der große Kessel über das Feuer gesetzt. Im Herausgehen vertraute er der Köchin, daß eine Milchkuh in den Stall gezogen war, wo das Pferd des Herrn von Fink gestanden hatte, damit wenigstens die Herrschaft in diesen Tagen die Milch nicht entbehre. Der alten Babette flogen vor Angst die Hände. »Ach, Herr Wohlfart, was für ein schreckliches Unglück«, rief sie, »die Kugeln werden in meine Küche fliegen.«

»Behüte«, sagte Anton, »das Fenster liegt zu tief, es kann Sie keine treffen, kochen Sie ruhig fort. Die Leute sind ausgehungert, ich werde Ihnen zwei von den fremden Frauen zur Hilfe herunterschicken.«

»Wer wird essen bei solcher Gefahr!« rief die Köchin.

»Wir alle werden essen«, beruhigte Anton.

»Befehlen Sie eine Suppe oder Kartoffelbrei?« frug Babette in ihrer Verzweiflung und schwenkte mit dem Löffel fieberhaft hin und her.

»Beides, Mütterchen.«

Die Köchin hielt ihn zurück. »Aber Herr Wohlfart, es fehlt an Eiern für die Herrschaft, auch nicht ein Ei ist im ganzen Hause. Gott erbarme, daß das Unglück gerade heute kommen mußte. Was wird der Herr Baron sagen, wenn er heut abend kein geschlagenes Ei bekommt.«

»Zum Teufel mit den Eiern«, rief Anton ungeduldig; »es wird heut nicht so genau genommen.«

Als er zurückkehrte, rief ihm Fink zu: »Die Posten sind aufgestellt, wir können jetzt ruhig den Anzug erwarten. Ich gehe auf den Turm und nehme einige Schützen mit. Wenn etwas vorfällt, bin ich dort zu treffen.«

So wurde es leer in der Halle und wieder still im Hause. Die Wachen standen schweigend und starrten auf den Saum des Waldes; in der Wachstube saß die Mannschaft in leisem Gespräch, nur unten in den Kinderstuben hörte der Lärm nicht auf; und ein emsiger Verkehr entstand zwischen der Küche und den besetzten[679] Räumen des Unterstocks. In unruhiger Erwartung schritt Anton auf und ab, von dem Hause in den Hof und wieder in sein Zimmer, wo er die Papiere des Freiherrn zusammenband, und durch die Gänge und Stuben, in denen die Bewaffneten standen. So verstrich eine Viertelstunde nach der anderen, endlich trat Lenore aus dem Zimmer der Mutter und rief: »Diese Ungewißheit ist unerträglich!«

»Auch von dem Vorwerk kommt keine Nachricht«, erwiderte Anton finster; »aber der Regen hört auf, und was heut noch geschehen soll, wird im Sonnenschein vor sich gehen. Dort zerreißen die Wolken, der blaue Himmel scheint durch. Wie geht es der Frau Baronin?«

»Sie ist gefaßt«, sagte Lenore, »gefaßt auf alles.«

Beide gingen schweigend im Vorsaal auf und ab. Endlich trat Lenore vor Anton und rief mit leidenschaftlichem Ausdruck: »Wohlfart, es ist mir fürchterlich, daß Sie um unsertwillen in diese Lage gekommen sind.« – »Ist diese Lage so schrecklich?« frug Anton mit trübem Lächeln.

»Für Ihr Gefühl vielleicht nicht«, sagte Lenore, »aber Sie opfern uns mehr, als wir verdienen. Wir sind undankbar gegen Sie, Sie würden in andern Verhältnissen glücklicher sein.« Sie stellte sich an das Fenster und weinte bitterlich. Erschrocken trat Anton heran, sie zu beruhigen. »Wenn Sie die lebhaften Äußerungen Ihres Herrn Vaters von vorhin meinen«, sagte er, »so ist kein Grund, mich zu bedauern, Sie wissen, was wir über diesen Punkt bereits früher gesprochen haben.«

»Es ist nicht das allein«, rief Lenore weinend.

Anton wußte, wie sie, daß es nicht das allein war, er fühlte, daß ein Geständnis in den Worten lag. »Was es immer sein mag«, sprach er heiter, »wollen Sie nicht auch mir die Freude gönnen, ein Abenteuer zu erleben? Freilich bin ich ein ungeschickter Soldat, aber wie es scheint, wollen die Feinde mir auch nur wenig Gelegenheit geben, ihnen Schaden zu tun.«

»Niemand dankt Ihnen, was Sie für uns ertragen, niemand!« rief Lenore wieder.

»Niemand?« fragte Anton. »Habe ich nicht eine Freundin hier, welche nur zu sehr geneigt ist, das zu überschätzen, was ich etwa tun kann? Lenore, Sie haben mir erlaubt, Ihnen näherzutreten,[680] als in gewöhnlichen Verhältnissen möglich wird. Rechnen Sie für nichts, daß ich einige von den Rechten eines Bruders an Sie gewonnen habe?«

Lenore ergriff heftig seine Hand und drückte sie. »Auch ich bin in der letzten Zeit anders gegen Sie gewesen, als ich hätte sein sollen. Ich bin sehr unglücklich«, rief sie leidenschaftlich aus. »Keinem Menschen kann ich gestehen, was in mir vorgeht, der Mutter nicht, auch Ihnen nicht. Alles Vertrauen habe ich verloren und alle Fassung.« Sie preßte ihr Tuch an die Augen.

»Lenore!« rief ungeduldig der Vater aus seinem Zimmer.

»Es ist jetzt keine Zeit zu Erklärungen«, sagte sie ruhiger, »wenn wir diesen Tag überstanden haben, will ich mir Mühe geben, stärker zu sein, als jetzt. Helfen Sie mir dabei, Wohlfart.«

Lenore eilte nach dem Zimmer des Freiherrn, Anton blieb in trüben Gedanken zurück. Unterdes fiel das helle Sonnenlicht auf den Hofraum des Schlosses, die Männer gingen aus der Wachstube und stellten sich auf der Schwelle auf, auch die Weiber drängten aus den finstern Räumen und mußten mit Ernst zurückgewiesen werden. Nachdem der erste Schreck überstanden war, hatten die Leute wieder Mut und allerlei Gedanken. »Wer weiß, ob sie das Schloß nicht vergessen haben«, sagten die einen, »oder ob sie den Mut haben, uns anzugreifen«, die andern, und ein kluger Schneider bewies durch geschicktes Zusammenflicken der verschiedenen Nachrichten, alle polnischen Röcke seien längst bis hinter Rosmin gezogen. Aber so eifrig auch jeder die Überzeugung aussprach, daß die Gefahr vorüber sei, so hörten doch alle ängstlich auf den Tritt der Wachen im Hause und sahen immer wieder nach dem Turm hinauf, ob nicht von dort ein Signal komme. Auch Anton fand das Warten unleidlich, er stieg endlich auf den Turm. Dort war auf der Plattform die befehlende Macht des Schlosses versammelt, der blinde Freiherr saß auf seinem Sessel, hinter ihm lehnte die hohe Gestalt Lenorens, welche ihren Sonnenschirm über die Augen des Vaters hielt; in den breiten Schießscharten saßen vier Büchsenschützen, oben auf dem Mauerwerk ließ Fink die Beine in die freie Luft hinaushängen und blies die blauen Wolken einer Zigarre in den Wind.

»Nichts zu sehen?« frug Anton.

»Nichts«, erwiderte Fink, »als ein betrunkener Haufe unserer[681] Dorfleute, welcher dort auf dem Wege nach Tarow abzieht.« Er wies auf eine dunkle Masse, welche gerade im Walde verschwand. »Es ist gut, daß wir das Gesindel los sind. Sie haben Furcht vor den grauen Jupen und ziehen vor, woanders zu plündern. Noch ist jede Stunde Verzögerung ein Gewinn, wir haben eben berechnet, daß Hilfe im besten Fall vor morgen mittag nicht zu erwarten ist. Für einen Besuch von vollen vierundzwanzig Stunden sind die Herren hinterm Walde nicht interessant genug. Ein vortrefflicher Punkt, Herr von Rothsattel, dieses Dach hier. Zu sehen ist nicht viel, etwas Kiefernwald, Ihre Felder und Sand. Aber eine gloriose Höhe zur Verteidigung. Daß es um das Schloß herum so kahl ist und kein Baum und kein Strauch steht, ist von gefühlvollen Herzen als unangenehm beklagt worden. Ich finde gerade das prachtvoll; mit Ausnahme der ersten Scheuer des Hofes, die immerhin in gerader Linie gegen dreihundert Schritt von diesem Punkt entfernt ist, gibt es für einen feindlichen Tirailleur keinen Versteck, der größer wäre als ein Maulwurfshügel. So weit eine Büchsenkugel reicht, beherrscht man hier die Ebene souverän. Nur das Gebüsch dort ist im Wege, ich glaube, es ist eine Anpflanzung von Fräulein Lenore.«

»Ich bekenne mich schuldig«, sagte Lenore.

»Wohlan«, entgegnete Fink nachlässig, »dann sollen Sie die Kurkosten bezahlen, wenn wir getroffen werden. Ein halbes Dutzend Schützen findet Versteck darin.«

»Es ist Lenorens Lieblingsplatz«, sagte der Freiherr entschuldigend, »sie hat dort eine Rasenbank, es ist die einzige Stelle, wo sie im Freien sitzen kann.«

»Ah«, sagte Fink, »das ist etwas anderes«; er sah sich nach Lenore um, sie war von der Seite ihres Vaters verschwunden. Gleich darauf wurde das Hoftor geöffnet, Lenore eilte, gefolgt von einigen Arbeitern, auf den Busch zu. Fink rief verwundert herunter: »Was wollen Sie, Fräulein?« Lenore machte mit der Hand die entschlossene Gebärde des Niederschlagens, sie selbst faßte ein Fichtenstämmchen und hob es mit Anspannung aller Kräfte aus der Erde. Die Männer folgten ihrem Beispiel. Nach wenig Augenblicken war die junge Pflanzung ausgerissen. Dann nahm Lenore im Eifer selbst die Hacke und schlug auf die Rasenbank, diese zu zerstören.[682]

Anton hatte die Bäume mit dem Fräulein gepflanzt, beide hatten sich lebhaft über die gute Wirkung gefreut, die das Gebüsch hervorbrachte, täglich war seitdem Lenore dort gewesen, jeder von den kleinen Stämmen war ihr ein persönlicher Freund. Jetzt sah Anton schweigend der Vernichtung zu, zuletzt konnte er sich nicht enthalten, mit einiger Kälte zu sagen: »Die schwache Pflanzung hätte uns wenig geschadet, du hast sicher eine unnütze Zerstörung veranlaßt.«

»Ei«, erwiderte Fink, »Fräulein Lenore handelt wie ein vorsichtiger Festungskommandant. Die erste Bravour solcher Talente ist immer, die Anlagen um ihre Festung zu rasieren, und dieses Gebüsch kann an jedem Frühlingstage wieder gesetzt werden. – Tragt das Holz weiter ab nach dem Wirtschaftshof«, rief er den Männern zu, »werft auch die hölzerne Einfassung des Brunnens auseinander, schafft die Bohlen nach dem Hof und verdeckt die Öffnung.«

Als Lenore wieder hinter den Stuhl des Freiherrn trat, nickte er ihr zu wie ein älterer Genosse dem jüngern, nahm sein Fernrohr und untersuchte wieder den Rand des Waldes.

So blieb die Gesellschaft wohl eine Stunde lang, niemand hatte Lust zu sprechen, was Fink gelegentlich scherzte, fiel auf unfruchtbaren Boden. Anton stieg hinunter, die Leute in Ordnung zu halten, aber es trieb ihn wieder auf die Zinne, und wie die andern sah er unverwandt nach dem Waldwege. Endlich sagte Fink nach längerm Stillschweigen, seine Zigarre wegwerfend: »Es wird Abend, wir erweisen unsern Gästen zuviel Ehre, wenn wir dabei beharren, sie in solcher stillen Andacht zu erwarten. Als die Nachricht von dem Anmarsch zu uns kam, waren Wohlfart und ich hier im Hause nötig, und da Karl in der Ferne meinem armen Pferde die Beine bricht, so hatten wir niemand, den wir als Patrouille zum Rekognoszieren ausschicken konnten. Jetzt rächt sich diese Unterlassungssünde, wir sitzen hier im Bau gefangen und die Leute ermüden, bevor der Feind kommt. Es wird unvermeidlich, daß sich einer von uns mit ein paar Leuten auf die Gäule wirft und weitere Nachricht über den Feind einholt. Diese Stille ist unnatürlich, man sieht auf dem ganzen freien Felde keinen Menschen, keinen auf all den Feldwegen; es scheint mir seltsam, daß seit zwei Stunden keine Flüchtlinge mehr vom Walde herkommen,[683] auch die Rauchwolke auf Neudorf zu ist verschwunden.«

Anton schickte sich schweigend an, den Turm zu verlassen. »Geh, mein Sohn«, sagte Fink, »nimm dir die sichersten Leute mit, sieh nach, wie es im Dorfe steht, und hüte dich vor dem Kiefernwald. Halt, noch einen Augenblick; ich will den Wald noch einmal mit dem Fernrohr durchsuchen.« Er sah lange hin, betrachtete jeden Baum und setzte das Rohr endlich ab. »Es ist nichts zu sehen«, sagte er nachdenkend. »Trügen die Herren, die wir erwarten, etwas anderes in der Hand als Bauernsensen, so müßte man annehmen, daß eine Teufelei im Werk wäre. So aber ist alles Ungewißheit. Hüte dich vor dem Walde.«

Anton verließ den Turm, rief den Techniker und zwei Knechte, ließ das Pferd des Barons und drei der schnellsten Ackerpferde losbinden und vom Schmied das Tor öffnen. Die Reiter ritten zuerst auf den Wirtschaftshof. Alles war still und im tiefsten Frieden. Die Hühner, welche Karl vor einigen Wochen gekauft hatte, scharrten auf dem Mist, seine Tauben gurgelten auf dem Strohdach, ein kleiner Hund, der mit dem Schmied aus Kunau gelaufen war, hatte sich unterdes selbst zum Wächter des verlassenen Hofes gemacht und bellte die Reiter argwöhnisch an. Geschlossen trabten sie durch das Dorf vor die Schenke, die Schenkstube war leer, Anton rief nach dem Wirt. Nach einer Weile kam der Mann bleich an die Tür gestürzt und schlug die Hände zusammen, als er Anton sah. »Gerechter Gott, Herr Wohlfart, daß Sie noch hier sind; ich habe geglaubt, Sie wären längst mit der Herrschaft geflüchtet nach Rosmin oder unter unsere Soldaten. Gott, ist das ein Unglück! Der Bratzky ist hier in der Stube gewesen und hat die Leute aufgeredet gegen die Herrschaft im Schlosse und gegen die Deutschen. Er konnte sie aber nicht dazu bringen, daß sie vor das Schloß rückten. So ist der größte Teil der Dorfleute auf Tarow zu den Polen gezogen; die zurückgeblieben sind, haben sich versteckt; ich bin dabei, zu vergraben, was ich in der Eile wegschaffen kann.«

»Wo stehen die Feinde jetzt?« fragte Anton.

»Ich weiß es nicht«, rief der Schenkwirt, »aber ich weiß, daß es ist ein großes Heer, auch Ulanen dabei in Uniform.«

»Wißt Ihr, ob der Wald sicher ist nach Neudorf zu?«[684]

»Wie kann er sicher sein, es ist in den letzten Stunden niemand von Neudorf hergekommen. Wäre der Weg frei, so müßte jetzt das halbe Dorf hiersein, in meiner Schenke oder bei Ihnen auf dem Schloß.«

»Ihr habt recht. Wollt Ihr die Banden hier erwarten?« frug Anton, zum Abritt bereit; »Ihr seid im Schlosse sicherer.«

»Wer weiß!« rief der Wirt. »Ich kann nicht fort, wenn ich gehe, wird mir verwüstet der ganze Kretscham.«

»Aber Eure Weiber?« fragte Anton, das Pferd anhaltend.

»Ich muß Leute haben zur Hilfe«, klagte der verzweifelte Wirt. »Wenn sie auch jung sind, sie müssen es durchmachen. Da ist die Rebekka, meiner Schwester Kind, sie ist aus einer Familie, die gewöhnt ist an den Handel. Sie versteht das Wesen mit den Bauern, sie weiß Geld zu kriegen, auch wenn einer ganz betrunken ist. Rebekka«, rief er zurück, »der Herr Wohlfart lassen dich fragen, ob du willst aufs Schloß, daß du sicher bist vor den wilden Männern.« Das volle Gesicht Rebekkas, von rötlichem Haar eingefaßt, tauchte aus dem Kellerloch des Hauses hervor.

»Was tu ich mit dem Schloß, Onkel?« rief sie entschlossen. »Was heißt wilde Männer? Unsre Bauern sind die wildesten Männer in der ganzen Gegend, wenn ich mit den fertig werde, werde ich auch fertig mit den andern. Die Muhme hat verloren ihren Kopf, es muß doch ein Mensch dasein, der mit den Gästen hantiert. Ich bedanke mich, gnädiger Herr, ich fürchte mich nicht; die Herren, welche sind bei den Haufen, werden nicht leiden, daß mir einer etwas antut.«

»Vorwärts, ihr Männer!« rief Anton. Sie trabten weiter durch das Dorf, alle Türen waren geschlossen, aus den kleinen Fenstern sah hier und da ein Frauenkopf verstört den Reitern nach. So kamen sie auf dem breiten Feldweg bis in die Nähe des Waldes. »Wo der Weg in den Wald hineinläuft«, sagte der eine Knecht zu Anton, »ist zur linken Hand junges Holz. Dort können viele hundert Mann im Versteck liegen, und wir sehen sie nicht, sie werden uns wegputzen oder den Weg nach dem Schlosse abschneiden.«

»Du hast recht«, sagte Anton, »wir reiten über das Feld bis an die hintere Seite des jungen Schlages, dort stehn die Stämme einzeln, wir können hinein und wieder zurück. Von dort suchen wir[685] zu Fuß das junge Holz ab.« So lenkten sie von der Straße, ritten über das Brachfeld, und ihre Pferde betraten in Schußweite von der Schonung den Wald. »Jetzt herunter von den Pferden«, sagte Anton zu den Knechten. Anton und die Knechte gaben die Zügel dem Techniker, nahmen die Gewehre in die Hand und schritten vorsichtig an das Buschwerk. »Schießt hinein«, befahl Anton, »und dann zurück zu den Pferden, so schnell Ihr laufen könnt.« Die Schüsse rasselten in das junge Holz, einige Sekunden darauf antwortete ein unregelmäßiges Feuer aus mehrern Gewehren, ein lautes Geschrei folgte. Die Kugeln pfiffen über den Kopf Antons, aber die Entfernung war nicht gering, und im schnellen Lauf kamen die Männer unbeschädigt zu ihren Pferden. »Galopp, wir wissen genug. Sie waren nicht so schlau, ruhig zu bleiben.« Flüchtig rasselte die kleine Schar auf der Landstraße dem Schlosse zu, hinter ihnen klang der laute Ruf ihrer Verfolger. Atemlos kamen die Reiter vor dem Schlosse an, im Hofe fand Anton alle alarmiert, Fink erwartete ihn am Eingange.

»Du hattest recht«, rief ihm Anton entgegen, »sie lagen im Hinterhalt, gewiß schon mehrere Stunden, vielleicht war ihnen zumeist daran gelegen, dich oder uns beide auf dem Wege nach Neudorf zu fassen. Sie hätten dann das Schloß ohne Kampf in die Hände bekommen.«

»Wieviel mögen ihrer sein?« frug Fink.

»Du sahst, wir hatten keine Zeit zum Zählen«, entgegnete Anton. »Sicher ist ein Haufe vorgeschoben und die größere Masse liegt weiter hinten im Walde.«

»Wir haben sie aufgestört«, entgegnete Fink, »jetzt können wir ihren Besuch erwarten. Es ist unserer Leute wegen besser jetzt vor Sonnenuntergang, als bei Nacht.«

»Sie kommen«, rief Lenorens Stimme vom Turme herunter.

Die Freunde eilten auf die Plattform. Als Anton über die Zinne des Turmes sah, neigte die Sonne zum Untergang. Der Himmel strahlte in blendender Goldfarbe und verwandelte das Grün der Wälder in bräunliche Bronze. Aus dem Waldwege trabte ein Trupp Reiter, etwa eine halbe Eskadron, in geordnetem Zuge auf das Dorf zu, mehr als hundert Mann zu Fuß folgten, der erste Zug mit Gewehren, der andere mit Sensen bewaffnet. Das schöne Abendlicht umstrahlte die Gestalten auf dem Turm. Ein Käfer[686] summte lustig um Antons Ohr, und oben in der Luft klang das Abendlied der Lerche. Unterdes zog unten die Gefahr heran. Immer näher wand sie sich auf dem gekrümmten Wege, eine dunkele langgestreckte Masse, unhörbar, nur dem Auge erkenntlich. Vor dem Ohre summte unterdes der Käfer fort, und die Lerche sang weiter in ihrem Freudenlied. Endlich verschwand der Zug hinter den ersten Hütten des Dorfes. Es waren Augenblicke lautloser Stille, alle sahen unverwandt auf die Stelle, wo der Feind wieder sichtbar werden mußte; neben Anton stand Lenore, sie umklammerte mit der Linken ein Gewehr und hielt die Rechte in einer Jagdtasche, in der ihre Hand, ohne daß sie es wußte, die Kugeln klappernd in Bewegung setzte. Als die Reiter in der Mitte des Dorfes sichtbar wurden, griff Fink an seine Mütze und sagte feierlich: »Jetzt auf unsere Posten, ihr Herren. Du, Anton, habe die Güte, den Freiherrn herunterzuführen.« Als Anton, den Blinden stützend, die Stufen hinabstieg, wies er zurück auf Lenore, welche unbeweglich auf den heranziehenden Feind hinstarrte. »Auch Sie, gnädiges Fräulein, bitte ich, an Ihre Sicherheit zu denken«, fuhr Fink fort.

»Ich bin am sichersten hier«, erwiderte Lenore trotzig und stieß mit dem Kolben ihres Gewehrs auf den Stein. »Sie werden nicht verlangen, daß ich jetzt den Kopf in das Sofa drücke, wo Sie im Begriffe sind, um das Leben zu spielen.«

Fink sah voll Bewunderung in das schöne Antlitz und sagte: »Ich habe nichts dagegen. Wenn Sie sich entschließen können, auf diesem Sessel Platz zu nehmen, so sind Sie hier so sicher, wie irgendwo im Schloß.«

»Ich werde vorsichtig sein«, erwiderte Lenore mit einer abwehrenden Bewegung der Hand.

»Und ihr verbergt euch hinter der Mauer, meine Knaben«, sagte Fink, »hütet euch, eine Schulter oder den Zipfel eurer Mütze zu zeigen; und feuert nicht eher, als bis ich euch mit diesem Schreihals ein Zeichen gebe, ihr werdet den Ton auch hier oben hören.« Er holte eine breite Pfeife von fremdartigem Aussehen hervor. »Auf Wiedersehen«, sagte er, Lenoren mit strahlendem Blick betrachtend. »Auf Wiedersehen«, antwortete Lenore ihren Arm aufhebend und sah dem Herabsteigenden nach, bis die Tür hinter ihm zufiel.[687]

In der Vorderhalle fand Fink den Freiherrn. Der arme Herr war durch die Spannung des langen Tages und durch das Gefühl seiner Unbrauchbarkeit, da wo er tätig zu sein für ein Vorrecht seines Standes hielt, in einen Wirbelwind von schmerzlichen Empfindungen versetzt. In frühern Jahren hätte er jede persönliche Gefahr mit der besten Haltung durchgemacht. Wie sehr seine Kraft gebrochen war, zeigte sich jetzt, wo es ihm nicht gelang, seine Fassung zu bewahren. Seine Hände griffen unruhig umher, als suchten sie eine Waffe, und ein schmerzliches Stöhnen drang aus tiefer Brust herauf. »Mein gütiger Gastfreund«, redete Fink ihn an, »da Ihre Unpäßlichkeit Ihnen noch unbequem machen muß, mit den Fremden zu verhandeln, so bitte ich Sie um Erlaubnis, dies in Ihrem Namen zu tun.«

»Sie haben Vollmacht, lieber Fink«, erwiderte der Freiherr mit heiserer Stimme; »in der Tat ist das Befinden meiner Augen nicht so, daß ich hoffen kann, etwas zu nützen. Ein jämmerlicher Krüppel!« rief er laut und bedeckte das Gesicht mit seinen Händen. Fink wandte sich achselzuckend ab, öffnete einen Schieber in der eichenen Bohlentür, welche bestimmt war, auf die noch nicht aufgeschüttete Rampe zu führen, und sah hinaus.

»Erlauben Sie mir«, bat Anton den Freiherrn, »Sie an einen Platz zu führen, wo Sie den Kugeln nicht unnötig ausgesetzt sind.«

»Bekümmern Sie sich nicht um mich, junger Mann«, sagte der Freiherr; »es ist heut an mir weniger gelegen, als an dem ärmsten Tagelöhner, der um meinetwillen ein Gewehr in die Hand nimmt.«

»Hast du mir noch etwas aufzutragen?« sagte Anton zu Fink, sein Gewehr ergreifend.

»Nichts«, erwiderte dieser lächelnd, »als daß du deine Vorsicht nicht vergißt, wenn du selbst ins Handgemenge kommst. Gute Geschäfte.« Er streckte ihm die Hand hin, Anton ergriff sie und eilte in den Hof.

»Jetzt begutachten die Feinde Ihre Wirtschaft«, sagte Fink zu dem Freiherrn; »in wenig Augenblicken werden wir die Herren hier haben. Da kommen sie, Reiter und Fußvolk. Sie machen halt an der Scheuer, ein Reitertrupp avanciert, es ist der Stab, hübsche Jungen darunter, ein paar elegante Pferde, sie reiten außer Schußweite[688] um das Schloß. Sie sind vorsichtiger, als ich erwartete. Sie suchen einen Eingang, wir werden sogleich den Hammer am Hintertor hören.«

Alles blieb still. »Merkwürdig«, sagte Fink. »Es scheint mir Kriegsgebrauch, die Besatzung vor dem Angriff zur Übergabe aufzufordern, dort aber kommen die Offiziere um das Schloß herum in Karriere zu ihrem Fußvolk zurück. Hat ihnen Wohlfart solchen Schrecken eingejagt, daß sie ventre à terre geflohen sind?«

Das Dröhnen der Pferdehufe und der dumpfe Tritt des Fußvolks wurde gehört.

»Wetter«, sagte Fink, »das ganze Korps marschiert wie zur Parade auf unserer Seite des Schlosses auf; wenn sie von dieser Seite Ihre Festung erstürmen wollen, so müssen sie merkwürdige Begriffe von Berennung eines festen Platzes haben. Sie machen Front gegen uns, fünfhundert Schritt Distanz. Das Fußvolk zwei Mann hoch in der Mitte, die Reiter an den Flügeln. Ganz römische Schlachtordnung, der reine Julius Cäsar. Seht, sie haben einen Tambour, der Kerl tritt vor, das Geklapper, welches Sie hören, ist ein Trommelwirbel. – Ah! der Anführer reitet vor die Front. Er kommt heran und hält gerade vor dieser Tür. Die Artigkeit erfordert, daß wir nach dem Begehr dieses Herrn fragen.« Fink faßte den schweren Riegel der Tür und schob ihn zurück, die Türe flog auf, Fink trat auf die Schwelle, den Eingang deckend, die Doppelflinte nachlässig in der Hand. Als der Reiter die schlanke Gestalt im waidgerechten Kostüm so ruhig vor sich stehen sah, parierte er sein Pferd und griff an den Hut, Fink dankte durch eine leichte Neigung des Kopfes.

»Ich wünsche den Besitzer dieses Gutes zu sprechen«, rief der Reiter hinauf.

»Nehmen Sie unterdes mit mir vorlieb«, antwortete Fink, »ich stehe an seiner Stelle hier.«

»So sagen Sie dem Gutsherrn, daß wir einen Befehl der Regierung in seinem Hause zu erfüllen haben«, rief der Reiter.

»Möge Ihre Ritterlichkeit mir die Frage erlauben, welche Regierung so leichtsinnig war, Ihnen einen Befehl für den Freiherrn von Rothsattel zu übergeben. Wie ich höre, sind hierzulande die Ansichten über Regierung in Unordnung gekommen.«[689]

»Das polnische Zentral-Komitee ist Ihre wie meine vorgesetzte Behörde«, rief der Reiter.

»Es ist sehr artig von Ihnen, daß Sie einem Zentral-Komitee die Disposition über Ihren Hals einräumen; Sie werden uns erlauben, in diesem Punkte der entgegengesetzten Ansicht zu sein.«

»Sie sehen, daß wir die Mittel haben, Gehorsam für die Befehle des Gouvernements zu erzwingen, und ich rate Ihnen, uns nicht durch Widersetzlichkeit zur Anwendung von Gewalt zu zwingen.«

»Ich danke Ihnen für diesen Rat, und würde Ihnen noch mehr verbunden sein, wenn Sie in Ihrem Diensteifer nicht vergessen wollen, daß der Grund, auf dem Sie stehen, kein öffentlicher Marstall, sondern Privateigentum ist, und daß fremde Pferdehufe ihre Sprünge darauf nur mit Bewilligung des Gutsherrn machen dürfen. Soviel ich weiß, haben Sie diese nicht eingeholt.«

»Genug der Worte, mein Herr«, rief der Reiter ungeduldig; »wenn Sie in der Tat das Recht haben, den Besitzer dieses Gutes zu vertreten, so fordere ich Sie auf, den Zugang zu diesem Schloß ohne Verzug zu öffnen und Ihre Waffen auszuliefern.«

»Ach, mein geehrter Herr«, erwiderte Fink, »eine solche Forderung, selbst wenn sie von einem Zentral-Komitee ausgeht, muß von ruhigen Leuten für sehr unverschämt gehalten werden.«

»Sie verweigern also den Gehorsam?«

»Leider«, erwiderte Fink, »bin ich in der unbequemen Lage, Ihren Wunsch nicht zu gewähren. Ich füge noch die Bitte hinzu, daß Sie, nebst den Herren in zerrissenen Stiefeln, welche dort hinten stehen, so schnell als möglich diesen Ort verlassen. Meine jungen Leute sind gerade im Begriff, zu untersuchen, ob sie die Maulwürfe unter ihren Füßen treffen können. Es würde uns leid tun, wenn wir dabei die nackten Zehen Ihrer Begleiter beschädigen sollten. – Gehen Sie, mein Herr!« rief er, plötzlich seinen nachlässigen Ton verändernd, mit einem so kräftigen Ausdruck von Zorn und Verachtung, daß das Pferd des Reiters bäumte und der Mann nach der Pistole im Halfter griff.

Während dieser Unterredung hatten sich die Reiter und einzelne Haufen des Fußvolkes näher herangezogen, um die Worte[690] des Gesprächs aufzufangen. Mehr als einmal senkte sich ein Flintenlauf, er wurde aber jedesmal durch einzelne Reiter, welche ihr Pferd vor die Reihe der Bewaffneten drängten, zurückgeschlagen. Bei den letzten Worten Finks legte eine wüste Gestalt in einer alten Friesjacke die Waffe an, ein Schuß knallte, die Kugel fuhr neben Finks Wange in die Bohlen der Tür. In demselben Augenblick erscholl in der Höhe ein unterdrückter Schrei, an der Zinne des Turmes flammte es hell auf, der vorschnelle Gesell stürzte getroffen auf den Boden. Der Parlamentär warf sein Pferd herum, die Angreifer fuhren zurück, und Fink verschloß die Tür. Als er sich umwandte, stand Lenore auf dem ersten Absatz der Treppe, das abgeschossene Gewehr in der Hand, die großen Augen verstört auf Fink geheftet. »Sind Sie verwundet?« rief sie außer sich.

»Durchaus nicht, mein treuer Kamerad«, rief Fink. Lenore warf das Gewehr weg und sank zu den Füßen ihres Vaters nieder, ihr Gesicht auf seinem Knie verbergend. Der Vater beugte sich über sie, faßte ihr Haupt mit den Händen, und die nervöse Erschütterung der letzten Stunden verursachte, daß ein konvulsivisches Schluchzen über ihn kam. Die Tochter umschloß leidenschaftlich die bebende Gestalt des Vaters und hielt ihn lautlos in ihren Armen. So hielten sie einander umschlungen, ein gebrochenes Leben und ein anderes, in welchem die Glut des Lebens zu hellen Flammen aufschlug. Fink sah zum Fenster hinaus, die Feinde hatten sich zurückgezogen, die Führer ritten außer Schußweite zusammen, wie es schien, zur Beratung. Schnell trat er zu Lenore, und die Hand auf ihren Arm legend, sagte er: »Ich danke Ihnen, gnädiges Fräulein, daß Sie so entschlossen die Strafe an dem Elenden vollzogen. Jetzt bitte ich Sie, mit Ihrem Herrn Vater diese Stelle zu verlassen. Wir werden uns besser halten, wenn nicht die Sorge um Sie unser Auge vom Feinde abzieht.« Lenore schreckte bei seiner Berührung zusammen, und eine heiße Röte stieg ihr auf Wangen und Stirn.

»Wir werden gehen«, antwortete sie mit niedergeschlagenen Augen, »komm, mein Vater.« Sie führte den Freiherrn, der ihr widerstandslos folgte, die Treppe hinauf in das Zimmer der Mutter. Dort rang sie mit Heldenkraft nach Fassung, sie setzte sich an das Lager der Kranken und erschien den Abend nicht wieder in Finks Nähe.[691]

»Jetzt sind wir unter uns«, rief Fink den Wachen zu, »jetzt kurze Distanz und ruhiges Zielen. Wenn sie an diesen Steinhaufen stürmen, so sollen sie sich nichts als blutige Köpfe holen.«

So stand er mit seinen Genossen und sah mit scharfem Auge auf die Reihen der Gegner. Dort war große Rührigkeit, einzelne Abteilungen zogen nach dem Dorf, die Reiter ritten auf der Straße hin und her, es war etwas im Werke. Endlich schleppte ein Trupp dicke Bretter und eine Reihe leerer Wagen herbei. Die obern Teile derselben wurden heruntergehoben und die Untergestelle in einer Reihe aufgefahren, die Deichseln vom Schloß ab, die Hinterräder dem Schloß zugekehrt; dann wurden Bretter auf dem Boden übereinander genagelt und Schirmdächer gemacht, welche, durch Stangen schräge an dem Hinterteil der Wagen befestigt, einige Fuß über das Wagengestell vorragten und fünf bis sechs Männern erträglichen Schutz gaben.

»Bittet Herrn Wohlfart, sich hierher zu bemühen«, rief Fink einem der Schützen zu.

»Hier wurde geschossen«, frug Anton in die Halle tretend, »ist jemand verwundet?«

»Diese dicke Tür, und einer von dem Gesindel dort«, entgegnete Fink. »Sie gaben vom Turme ohne Befehl Antwort auf den ersten Schuß der Feinde.«

»Im Hofe ist kein Feind zu sehen. Vorhin kam ein Trupp Reiter an das Tor, einer wagte sich bis dicht an die Planken und versuchte durchzusehen. Als ich mich aber über den Zaun erhob, stob er wie entsetzt davon.«

»Sieh dorthin«, sagte Fink, »sie machen sich ein Familienvergnügen, kleine Barrikaden. Solange dies Abendlicht uns zu sehen verstattet, ist die Gefahr nicht groß. Aber in der Nacht können sie mit diesen Räderdächern nahe genug heran.«

»Der Himmel bleibt klar«, sagte Anton, »es wird eine helle Sternnacht.«

»Wenn ich nur wüßte«, sagte Fink, »weshalb sie die Tollheit haben, gerade die stärkste Seite unserer Festung anzugreifen. Es ist nicht anders, dein friedliches Gesicht hat auf sie gewirkt, wie das Haupt der Gorgo. Du wirst von jetzt ab als Scheuche verschrieben werden in allen Slawenkriegen.«

Es war dunkel geworden, als das Hämmern an den Wagen aufhörte.[692] Ein Kommando wurde gehört, die Befehlshaber riefen einzelne Leute bei Namen an die Deichseln, sechs bewegliche Dächer fuhren mit großer Schnelligkeit etwa dreißig Schritt von der Vorderseite des Schlosses auf.

»Jetzt gilt's«, rief Fink. »Bleibe hier und wahre den Unterstock.« Fink sprang die Treppe hinauf, die lange Reihe der Vorderzimmer war geöffnet, man konnte von einem Ende des Hauses zum anderen sehn. »Hütet Eure Köpfe«, rief er den Wachen zu. Gleich darauf fuhr eine unregelmäßige Salve nach den Fenstern des Oberstocks, der bleierne Hagel rasselte durch die Glasscheiben, klirrend flogen die Splitter auf die Dielen. Fink ergriff seine Pfeife, ein gellender Ton drang mit langen Schwingungen durch das ganze Haus, oben vom Turm und aus beiden Stockwerken antworteten die Salven der Belagerten. Und jetzt folgten von beiden Seiten unregelmäßig die knatternden Schüsse. Die Belagerten waren im Vorteil, ihr Schutz war besser und die Dunkelheit in den Zimmern größer, als im Freien. In den kurzen Pausen hörte man Finks laute Stimme: »Ruhig, Ihr Männer, deckt Euch!« Er war überall, sein leichter Tritt, der helle Klang seines Zurufs, zuweilen ein wildes Scherzwort, ermutigten jeden Schützen des Hauses. Sie erfüllten mit Entzücken und Schauer auch die Seele Lenorens, welche das Fürchterliche ihrer Lage kaum empfand und bei den krampfhaften Bewegungen des Vaters und dem leisen Stöhnen der Mutter nicht verzweifelte, denn wie ein Gruß des Heils tönten die Worte des geliebten Mannes in ihr Ohr.

Wohl eine Stunde dauerte der Kampf um die Mauern des Hauses. Finster lag der riesige Bau in dem matten Licht der Sterne, kein Licht, keine Gestalt war von außen zu erblicken, nur der Feuerstrahl, welcher zuweilen aus einer Ecke der Fensteröffnungen herunterfuhr, verkündigte den draußen, daß tödliches Leben im Schlosse war. Wer durch die Zimmerreihe schritt, der konnte hier und da eine dunkle Gestalt hinter dem Schatten eines Pfeilers erkennen, er sah vielleicht das Auge in Spannung glänzen und das Haupt sich vorbeugen, um eine Blöße des Feindes zu erspähen. Wohl keiner der Männer, welche jetzt Kriegsdienste taten, war an blutige Arbeit gewöhnt, vom Pfluge, von der Werkstatt, aus jeder Art von friedlicher Tätigkeit waren sie hier zusammengekommen, und ängstliche Spannung, fieberhafte Erwartung war[693] den ganzen Tag über auch im Gesicht der Stärksten sichtbar gewesen.

Jetzt sah Anton mit einem düstern Behagen, wie ruhig er selbst und wie mutig die Leute waren. Sie waren in Tätigkeit, sie arbeiteten; noch bei dem tödlichen Werke der Zerstörung war die Kraft zu erkennen, die jedes emsige Tun dem Menschen gibt. Nach den ersten Schüssen luden die auf der Vorderseite so besonnen, als übten sie ihr gewöhnliches Tagewerk. Das Gesicht des Knechtes sah nicht sorgenvoller aus, als wenn er zwischen seinen Ochsen hindurch auf die Ackerfurche hinsah, und der gewandte Schneider faßte Rohr und Kolben seiner Waffe mit derselben Gleichgültigkeit, wie das Holz seines Bügeleisens. Nur die Wachen im Hof waren unruhig, aber nicht aus Furcht, sondern weil sie mißvergnügt waren über die eigene Untätigkeit. Zuweilen versuchte ein kecker Gesell sich hinter Antons Rücken in das Haus zu stehlen, um auf der Vorderseite seinen Schuß abzufeuern, und Anton mußte den Techniker an die Hoftür postieren, um das mutige Entweichen zu hindern.

»Nur einmal, Herr Wohlfart, lassen Sie mich auf das Volk schießen«, bat ein junger Bursch aus Neudorf flehentlich.

»Warte«, erwiderte Anton im Laden, »auch Ihr werdet darankommen, in einer Stunde löst Ihr die auf der Vorderseite ab.«

Unterdes stiegen die Sterne herauf, immer höher, auf beiden Seiten wurden die Schüsse spärlich, wie eine Ermüdung kam es über beide Teile.

»Unsre Leute haben die bessere Kraft«, sagte Anton zu dem Freunde, »die im Hofe sind nicht mehr zu halten.«

»Das Ganze ist nicht viel mehr, als blindes Schießen«, erwiderte Fink, »sie versuchen zwar ehrlich zu zielen, aber es ist doch zumeist Zufall, wenn eine Kugel Unglück anrichtet. Außer einigen leichten Verwundungen ist uns kein Schade geschehn, und ich glaube, die dort unten haben das Vergnügen auch nicht viel teurer bezahlt.« Man vernahm das Rollen der Räder. »Horch, sie fahren ihre Streitwagen zurück.« Das Feuern hörte auf, auf der ganzen Linie verschwanden die dunklen Massen in der Nacht. »Laß ablösen«, fuhr Fink fort, »und wenn du hast, gib ihnen etwas zu trinken, denn sie haben sich als brave Männer gezeigt. Dann erwarten wir ruhig die Fortsetzung des Werks.«[694]

Anton ließ eilig einige Stärkungen unter die Mannschaft verteilen und durchschritt das ganze Haus, die Mannschaft ablösend und die Räume vom Boden bis zum Keller untersuchend. Als er an die Frauenstuben im Unterstock kam, hörte er schon von weitem ein klägliches Chaos von Stimmen. Als er eintrat, fand er die kahlen Wände durch eine kleine Küchenlampe notdürftig erhellt, der Boden war mit Stroh bedeckt, und auf der Streu kauerten und lagen in kleinen Häufchen die Frauen und Kinder neben ihren Sachen. Die Frauen drückten ihre Angst durch jede Art von leidenschaftlichen Bewegungen aus, manche hoben unaufhörlich die Hände in die Höhe und riefen die Hilfe des Himmels an, ohne etwas anderes zu empfinden, als unendliche Angst, andere starrten verzweifelt vor sich hin, ganz betäubt durch die Schrecken der Nacht; den behaglichsten Eindruck machten noch die Kinder, welche mit ganzer Seele heulten und sich um nichts weiter kümmerten. In diesem Jammer lagen drei kleine Kinder, mit den Köpfen auf ein Bündel Betten gelehnt und schliefen, die Händchen geballt, so ruhig, wie in ihrer Bettstelle zu Haus, und eine junge Frau saß in der Ecke, wiegte ihr schlummerndes Kind in den Armen und schien alles übrige zu vergessen. Endlich trat sie, immer auf ihr Kind sehend, leise zu Anton heran und frug, wie es ihrem Mann gehe.

Unterdes zündeten die Feinde draußen große Feuer an, ein Teil der Bewaffneten saß an den Flammen, man sah, daß sie Töpfe an das Feuer trugen und ihre Abendkost kochten. Auch in dem Dorfe ging es laut her, man hörte dort schreien und kommandieren, und von der Höhe sah man überall Lichter und ein starkes Hin- und Herlaufen auf der Dorfstraße. »Das sieht nicht aus, wie Ruhe«, sagte Anton.

In dem Augenblick pochte laut der Hammer am Hintertor; die Freunde sahen einander an und sprangen schnell in den Hof. »Rothsattel und Rebhühner«, murmelte eine Stimme, die Losung improvisierend. »Der Förster!« rief Anton. Er schob die Verrammelung zurück und ließ den Alten ein. »Schließen Sie zu«, sagte der Förster, »sie sind mir auf der Spur. Guten Abend allerseits, ich komme fragen, ob Sie mich brauchen können?« – »Schnell ins Haus«, rief Anton, »dort erzählen Sie.«

»Im Wald ist alles still, wie in einer Kirche«, sagte der Förster.[695]

»Auf der Waldwiese am Erlenbruch liegt das Vieh, auch der Schäfer ist mit seinen Kreaturen dort. Der Vogt hält die Wache. Ich habe mich in der Finsternis als Schleichpatrouille in das Dorf gedrückt und komme Sie warnen. Da es mit dem Schießen nicht geglückt ist, wollen's die Schufte mit Feuer versuchen. Sie haben den Teer und die Wagenschmiere aus dem ganzen Dorf zusammengesucht, die Kienspäne der Bauerweiber aus den Höfen geholt, und wo sie eine Öllampe fanden, haben sie diese über Reisigbündel ausgegossen.«

»Sie wollen das Hoftor in Brand stecken?« frug Fink.

Der Förster verzog sein Gesicht. »Das Hoftor ist es nicht, vor dem haben sie eine Höllenfurcht. Weil Sie doch Artilleriewagen und eine Haubitze im Hofraum haben.« – »Artillerie?« riefen die Freunde erstaunt. »Ja«, nickte der Förster; »sie haben durch die Schießlöcher des Zauns blaue Wagen gesehn und eine Lafette.«

»Karls neue Kartoffelwagen und die Bespannung«, rief Anton, »und die Feuertonne.«

»Diese wird wohl die Haubitze sein«, erwiderte der Förster. »Auf meinem Wege hierher guckte ich von hinten in den Hof der Schenke und lauerte, ob ich einen Bekannten erwischen könnte. Da kam die Rebekka mit Wassereimern in den Hof gelaufen, ich pfiff leise und rief sie hinter den Stall. ›Seid Ihr auch da, alter Schwede?‹ sagte das tolle Ding, ›nehmt Euch nur in acht, daß sie Euch nicht eins an den Kopf brennen; ich habe keine Zeit, mich mit Euch abzugeben, ich muß die Herren bedienen, sie wollen Kaffee trinken.‹ ›Warum nicht gar Champagner‹, sagte ich. ›Sie sind wohl recht artig, die Herren, du hübsches Schicksel‹, sagte ich, denn mit Floretten gewinnt man die Weiber. ›Ihr seid selber ein häßlicher Schekez‹, sagte das Mädchen und lachte mich an, ›macht, daß Ihr fortkommt.‹ ›Sie werden dir doch nichts tun, kleine Rebekka‹, sagte ich wieder und kniff sie ein wenig in die Backen. ›Das geht Euch nichts an, Ihr Hexenmeister‹, sagte wieder der kleine Molch, ›wenn ich schreie, kommt mir die ganze Stube zu Hilfe. Ich will nichts mit Euch zu tun haben.‹ ›Sei nicht so widerspenstig, mein Kind‹, sagte ich, ›sei ein gutes Mädel, fülle mir die Flasche hier und bringe sie mir heraus. Man muß in schlechten Zeiten etwas für seine Freunde tun.‹ Darauf riß mir das Ding die Flasche aus der Hand und sagte: ›Wartet, aber haltet[696] Euch still‹, und rannte mit ihren Eimern zurück. Nach einer Weile kam sie wieder und brachte mir die Buddel ganz gefüllt, Kümmel und Korn, es ist ein gutmütiges Geschöpf. Und als sie mir die Flasche gab, rief sie mir noch zu: ›Wenn Ihr zu den jungen Herren im Schloß kommt, so sagt ihnen, daß die dadrin große Angst vor ihrer Artillerie haben, sie haben uns ausgefragt, ob es wahr wäre, daß sie eine Kanone hätten. Ich habe ihnen gesagt, ich wüßte wohl, daß so ein großes Ding auf dem Gut sein müßte.‹ – So schlich ich mich wieder fort und kroch im Graben bei Kerlen mit Sensen vorbei, die hinter unserm Hof auf Wache stehn. Als ich ihnen an die hundert Schritt vor war, riß ich aus, sie sakermenterten hinter mir her. So steht's.«

»Das mit dem Feuer ist ein unbequemer Einfall«, sagte Fink, »wenn sie das Handwerk verstehn, können sie uns ausräuchern, wie Dachse.«

»Diese Schwelle ist von Stein und die dicke Tür ist hoch über dem Boden«, sagte der Förster.

»Ich fürchte nicht die Flammen, sondern den Rauch und die Helle«, entgegnete Fink; »wenn sie unsre Fenster erleuchten, so werden die Leute noch schlechter treffen. Unser Glück ist, daß die Herren auf englischen Sätteln, welche den Feind anführen, bis jetzt schwerlich andre Festungen eingenommen haben, als solche, die durch einen Unterrock verschanzt waren. Wir wollen alle Leute ins Vorderhaus werfen und hinten nur die notwendigsten Wachen halten, und wollen Rebekkas Lüge vertrauen.«

Neue Patronen wurden ausgeteilt und eine neue Einteilung der Mannschaft vorgenommen, in die Turmhallen des Unter- und Oberstocks und oben auf die Plattform wurde mehr Mannschaft gestellt, unten kommandierte der Schmied, im Oberstock Anton, der Förster blieb mit einem kleinen Trupp in Reserve. Und es war Zeit, denn wieder hörte man in der Ferne ein lautes Gesumm, Kommandowörter, den Tritt der Heranziehenden und das Rollen von Wagen.

»Haltet die Kugel im Lauf«, rief Fink, »und schießt nur auf das Volk, das sich an die Tür herandrängt.«

Die Wagen mit dem Bretterdach fuhren auf, wie vorher, ein polnisches Kommando erklang und ein heftiges Feuer der Feinde begann, diesmal ausschließlich auf die verhängnisvolle Tür und[697] die Fenster in der Nähe gerichtet. Wie mächtige Schläge donnerten die Kugeln an die Tür und das Mauerwerk, mehr als eine fand ihren Weg durch die Fensteröffnungen und schlug über den Häuptern der Verteidiger an die Decke. Fink rief den Förster: »Sie sollen etwas wagen, Alter, stellen Sie Ihre Leute am Hintertor auf, öffnen Sie die Pforte, schleichen Sie dicht am Haus herum und fassen Sie die Gesellen hinter den drei Wagen links, die sich zu nahe an das Haus gewagt haben, von der Seite. Rücken Sie ihnen nah auf den Leib, Sie können die Mannschaft rasieren, wenn Sie gut zielen. Die Wagen haben keine Deckung, ehe das Gesindel von hinten herzuläuft, sind Sie wieder zurück. Seien Sie schnell und vorsichtig, ich gebe Ihnen mit der Pfeife ein Zeichen, wenn Sie aus dem Schatten der Mauer hervorbrechen sollen.«

Der Förster nahm seine Leute zusammen und eilte in den Hof, Fink sprang in den Oberstock zu Anton. Immer heftiger wurde das Feuer der Feinde. »Diesmal wird es grimmiger Ernst«, sagte Anton. »Auch unsre Leute geraten in Hitze.« »Dort kommt die Gefahr«, rief Fink und wies durch die Mauerluke auf eine hohe unförmige Masse, welche sich langsam näher schob. Es war ein Erntewagen, breit und zu mächtiger Höhe beladen, der von unsichtbarer Hand regiert gerade auf die Mitte des Schlosses zufuhr. »Ein Brander! Oben glänzen die gelben Strohschütten. Ihre Absicht ist klar, sie haben sich an die Deichsel gestemmt und stoßen den Wagen gegen die Tür. Jetzt gilt es zu zielen, keiner der Wichte, welche ihn heranstoßen, darf zurück.« Er flog die Treppe zum Turm hinauf und rief den Leuten, die auf der Plattform postiert waren, zu: »Alles hängt jetzt von Euch ab, sobald Ihr die Leute seht, welche den Wagen dort vorwärts schieben, gebt Feuer; wo Ihr einen Schädel oder ein Bein erkennt, gebt Feuer. Wer an diesen Wagen stößt, muß getötet werden.« Langsam kam der Wagen näher, Fink erhob den Doppellauf seiner Büchse und preßte den Kolben an die Wange. Zweimal zielte er und zweimal setzte er unzufrieden wieder ab. Der Wagen war so hoch beladen, daß es unmöglich wurde, die Gestalten, welche ihn fortschoben, zu erkennen. Es waren Augenblicke ängstlicher Spannung von beiden Seiten, auch das Feuer der Feinde hörte auf, alle Blicke hingen an dem friedlichen Wagen, der jetzt den erbitterten Streit zum tödlichen Ende bringen sollte. Endlich wurde der Rücken[698] der Hintersten, welche an der Spitze der Deichsel drückten, sichtbar. Ein Doppelblitz fuhr aus Finks Büchse, zwei gellende Schreie wurden gehört, der Wagen blieb stehn, die Stoßenden drängten sich dicht aneinander, man erkannte zwei dunkle Schatten am Boden. Fink lud, um seine Lippen schwebte ein wildes Lächeln. Ein wütendes Schießen nach dem Turm war die Antwort der Feinde. Einer der Leute auf dem Turm wurde in die Brust geschossen, sein Gewehr fiel über die Mauer hinab und rasselte auf den Boden, der Mann stürzte zu Finks Füßen nieder. Fink warf einen halben Blick auf den Gefallenen und schlug die zweite Kugel in den Lauf. Da flogen einige Gestalten mit Windeseile aus der Dämmerung an den Wagen heran, ein kräftiger Zuruf wurde gehört, und wieder setzte sich die Maschine in Bewegung. »Brave Jungen«, murmelte Fink, »sie sind dem Tode verfallen.« Es wurde mehr von den Körpern an der Deichsel sichtbar. Wieder legte Fink an und dicht hintereinander flogen vom Turm die tödlichen Kugeln an die Deichsel des Wagens. Wieder ein Wehruf, aber der Wagen bewegte sich vorwärts. Nicht mehr dreißig Schritt war er von der Tür, es war die höchste Zeit. Da klang der gellende Ton der Knochenpfeife langgezogen durch die Nacht, aus den Fenstern des Oberstocks flog die feurige Salve, und von der linken Seite des Hauses erhob sich ein lautes Geschrei. Der Förster brach vor, ein Haufe dunkler Schatten stürzte gegen das Bretterdach, das der Hausecke zunächst stand, ein Augenblick Handgemenge, einige Schüsse; erschreckt liefen die überfallenen Feinde von den Dächern zurück in das freie Feld. Zum drittenmal traf der tödliche Doppelblitz vom Turme die Deichsel des Erntewagens, von panischem Schreck ergriffen stürzten auch aus seinem Schatten die Leute rückwärts nach der rettenden Finsternis. Nicht zu ihrem Heil. Vom Turme und aus den Fenstern des Oberstocks trafen verfolgende Kugeln die Schutzlosen. Die im Schlosse erkannten, daß mehr als einer zusammenbrach. Hinten erhob sich zorniges Geschrei, im Schnellschritt rückte eine dunkle Linie vor, ihre Flüchtlinge aufzunehmen. Ein allgemeines Feuer der Massen gegen das Haus begann. Dann zog sich der Feind mit derselben Schnelligkeit zurück, mit der er vorgedrungen war, er zog die Gefallenen und die Bretterwagen mit sich aus der Schußlinie. Nur der Brander, eine dunkle[699] Masse, stand noch einige Schritt von der Tür. Das Feuer hörte auf, auf den tödlichen Kampf folgte eine unheimliche Stille.

In der Halle des Oberstocks traf Anton mit Fink zusammen, gleich darauf kam der Förster. Schweigend suchte jeder der Freunde in dem matten Dämmerlicht zu erkennen, ob der andere unverletzt vor ihm stand. »Vortrefflich gemacht, Förster«, rief Fink, »erbitten Sie Einlaß beim Freiherrn und statten Sie Bericht ab.«

»Und bitten Sie Fräulein Lenore, Ihnen die Mittel zu einem Verband zu geben, wir haben Verluste gehabt«, sagte Anton traurig und wies auf den Boden der Halle, wo an die Wand gelehnt zwei Männer saßen und stöhnten.

»Hier kommt noch ein dritter«, antwortete Fink, auf einen dunklen Körper weisend, welcher langsam durch zwei Männer die Turmtreppe herabgetragen wurde. »Ich fürchte, der Mann ist tot, er lag wie ein Stück Holz zu meinen Füßen.«

»Wer ist es?« frug Anton schaudernd.

»Borowski, der Schneider«, erwiderte halblaut einer der Träger.

»Welch eine furchtbare Nacht!« rief Anton sich abwendend.

»Daran dürfen wir jetzt nicht denken«, sagte Fink, »das Menschenleben ist nur etwas wert, wenn man den Gleichmut hat, dasselbe bei passender Gelegenheit zu quittieren. Die Hauptsache ist, daß wir uns diese Brandfackel vom Halse gehalten haben; es ist nicht unmöglich, daß es den Schelmen noch gelingt, sie anzustecken, sie wird da, wo sie steht, wenig Schaden tun.«

In diesem Moment glänzte ein heller Schein durch die Schießlöcher des Turmes. Alles stürzte an die Fenster. Von dem abgewandten Teil des Wagens flammte ein blendendes Licht auf, und mit einem plötzlichen Ruck krachte die schwere Masse an die Mauer des Hauses. Ein einzelner Mann sprang von dem Wagen zurück, ein Dutzend Gewehre flog im Nu gegen ihn in Anschlag.

»Halt!« rief Fink mit durchdringender Stimme, »es ist zu spät, schont ihn, er ist ein Braver, das Unglück ist geschehn.«

»Merci, Monsieur, au revoir«, rief eine Stimme von unten, und der Mann sprang unverletzt vom Hause weg in die Finsternis.

Im Nu stand der Wagen in Brand, aus dem Stroh und Reisig,[700] womit er auf der Höhe beladen war, stiegen züngelnd die gelben Flammen, und durch die lodernde Glut fuhren prasselnd weiße Feuergarben nach allen Richtungen auf. Das Haus war von plötzlichem Lichte erhellt, der Qualm drang massenhaft durch die zertrümmerten Fenster.

»Das ist Pulver«, rief Fink. »Ruhig, ruhig, Ihr Männer. Wir halten die Feinde ab, wenn sie wieder eindringen; du, Anton, sieh, ob du das Feuer bewältigst.«

»Wasser!« riefen die Leute, »dort brennt das Fensterkreuz.«

Und draußen erklang neuer Kommandoruf, die Trommel wirbelte, und mit wildem Siegesgeschrei rückte der Feind in einer Tirailleurkette an das Haus. Von neuem begann das Feuer der Belagerer, um das Löschen des Brandes zu verhindern. Aus dem Wasserbottich im Hofe wurde Wasser heraufgebracht und an die züngelnde Flamme des Fensters gegossen; es war eine gefährliche Arbeit, denn die Front des Hauses war erleuchtet, und auf jede Gestalt, welche sichtbar wurde, richteten sich die Schüsse der Tirailleure, welche immer kecker andrängten. Ängstlich sahen die Verteidiger nach der Flamme und erwiderten nur unsicher das Feuer der Gegner. Auch die Wachen im Hof sahen mehr hinter sich als nach vorn, die Unordnung wurde allgemein, der Augenblick der höchsten Gefahr war gekommen, alles schien verloren.

Vom Turme lief ein Mann herab: »Sie bringen kurze Leitern aus dem Dorf, man sieht die Äxte in ihrer Hand.«

»Sie wollen über den Bretterzaun, sie schlagen die Fenster im Unterstock ein«, riefen die Männer erschrocken durcheinander. Der Förster stürzte nach dem Hof, Fink riß einige Männer in seiner Nähe fort nach der Seite des Hauses, auf welche ein Haufe mit Leitern heranzog. Alles schrie durcheinander, selbst Finks drohender Zuruf drang nicht mehr in das Ohr der Leute.

Da eilten einige Männer mit Stangen aus dem Hofe an die Tür der Vorhalle. »Macht Platz!« rief eine stämmige Figur, »hier ist Schmiedearbeit.« Der Mann riß die Riegel der Tür zurück, die Türöffnung war vollständig geschlossen durch den brennenden Wagen. Mit der schweren Stange stieß der Schmied trotz Rauch und Flammen aus Leibeskräften in das brennende Holz des Wagens. »Helft mir, ihr Hasen«, schrie er im zornigen Eifer.

»Er hat recht«, rief Anton, »heran, Ihr Männer!« Bretter und[701] Deichselstangen wurden herzugeschleppt, und in dem Qualm drangen die Männer unermüdlich vorwärts und drückten und stachen in die glühende Masse. Mehr als einmal mußten sie zurückweichen, aber immer wieder trieb der Schmied in das Feuer hinein. Endlich gelang es dem Kunauer, als er nach oben stach, einzelne Garben von der Höhe herunterzuwerfen. Man sah durch die lodernde Flamme am Oberteil der Tür den dunklen Nachthimmel, ein Luftzug entstand, der Rauch wurde weniger erstickend. »Jetzt haben wir die ganze Bescherung«, schrie er triumphierend, ein brennendes Bund nach dem andern flog auf den Boden; dort brannten die einzelnen Flammenhäufchen unschädlich nieder. Immer schneller wurde der Wagen entladen, brennende Federbetten und Holzscheite fielen herab. Anton ließ die Tür zur Hälfte schließen, weil jetzt die feindlichen Kugeln durch die Flammen des Wagens schlugen, die Arbeiter mußten ihre Hebel von der Seite regieren. Die Wagenleitern fielen verkohlt herunter, und mit einem frohen Ruf setzten die Arbeiter ihre Stangen nebeneinander an das Wagengerüst und schoben die Trümmer des Wagens einige Schritt vom Tore ab. Die Tür wurde schnell wieder geschlossen und die Leute, schwarz wie Teufel, mit verbrannten Kleidern, wünschten einander laut Glück.

»Solche Nacht macht gute Freundschaft«, rief der Schmied vergnügt und ergriff in der Freude seines Herzens Antons Hand, die nicht weniger geschwärzt war, als die seine. – Unterdes schmetterten die Äxte der Belagerer an den Verschlag mehrerer Fenster des Unterstocks, die abgelösten Bretter krachten und Finks Stimme erscholl: »Schlagt sie mit dem Kolben herunter!« Anton und der Schmied warfen sich an die Fenster, durch welche die Belagerer einzudringen suchten. Auch dort war die gefährlichste Arbeit getan, als sie herzurannten. Fink kam ihnen entgegen, die blutige Axt eines Insurgenten in der Hand, er schleuderte die Axt von sich und rief dem Haufen Antons entgegen: »Schlagt neue Bretter an die Fenster, ich hoffe, die Schlächterei ist zu Ende.«

Noch einige Salven von draußen und einzelne Schüsse vom Turm, dann wurde es wieder still im Schloß und auf der Ebene; noch schimmerten die Wände des Hauses von rötlichem Licht, aber der Schein wurde matter und grauer. Draußen erhob sich der Wind und trieb den Rauch, der aus den Fenstern wirbelte und aus[702] den verbrannten Trümmern vor der Tür aufstieg, die Mauern entlang in die Finsternis. Die reine Nachtluft füllte wieder den Korridor und die Halle, und ruhig glänzte das Sternlicht herunter auf die Gesichter der Verteidiger, auf tiefliegende Augen und bleiche Wangen. Die Kräfte der Kämpfenden waren erschöpft, im Hause, wie draußen auf dem Felde.

»Welche Stunde der Nacht ist?« frug Fink und trat zu Anton, der durch die Schießlöcher der Halle die Bewegungen des Feindes beobachtete. »Mitternacht vorüber«, erwiderte Anton. Sie stiegen zum Turme hinauf und sahen in der Runde umher. Der Anger um das Schloß war leer. »Sie haben sich schlafen gelegt, die Guten«, sagte Fink, »auch die Feuer dort unten verglühn, aus dem Dorf klingen noch einzelne Stimmen herüber. Nur die Schatten dort zeigen an, daß wir umstellt sind. Sie haben eine Postenkette in weitem Bogen rings um das Haus geführt, das sind unsere Nachtwächter. Wir haben einige Stunden Friede vor uns. Und da wir morgen bei Tageslicht schwerlich ausschlafen werden, müssen unsere Leute diese Stunden benutzen. Laß nur die nötigsten Wachen stehn und die Posten in zwei Stunden ablösen. Wenn du nichts dawider hast, geh auch ich zu Bett. Laß mich wecken, sobald sich draußen etwas regt. Die Nachtposten wirst du sehr gut besorgen, das weiß ich.« So wandte sich Fink ab und ging in sein Zimmer, wo er sich auf das Bett warf und nach einigen Augenblicken ruhig einschlief. Anton eilte in die Wachstube, verteilte mit dem Förster die Posten und bestimmte die Reihenfolge der Ablösung. »Ich schlafe doch nicht«, sagte der Alte, »erstens in meinen Jahren und dann als Jäger; ich will, wenn's Ihnen recht ist, die Nachtwache anführen und überall zum Rechten sehen.«

Noch einmal sah Anton in den Hof und die Ställe, auch hier war die Ruhe eingekehrt, nur die Pferde schlugen unruhig mit den Hufen auf den harten Boden. Leise öffnete Anton die Tür der Frauenstuben, dort in dem zweiten Zimmer hatte man die Verwundeten niedergelegt. Als Anton eintrat, saß Lenore auf einem Schemel neben dem Strohlager, zu ihren Füßen zwei der fremden Frauen. Er beugte sich über das Lager der Verwundeten, die farblosen Gesichter und das verworrene Haar der Armen stachen grell ab gegen die weißen Kissen, welche Lenore von ihrem[703] Bett gerafft hatte. »Wie steht's mit ihnen?« frug Anton leise. »Wir haben versucht, die Wunden zu verbinden«, erwiderte Lenore, »der Förster sagt, daß beide Hoffnung geben.«

»Dann«, fuhr Anton fort, »überlassen Sie den Frauen die Pflege und benutzen auch Sie die Stunden der Ruhe.«

»Sprechen Sie mir nicht von Ruhe«, sprach Lenore aufstehend, »Sie sind in dem Zimmer des Todes.« Sie faßte ihn bei der Hand und führte ihn in die andere Ecke, dort zog sie an einem dunkeln Mantel und wies auf eine menschliche Gestalt, die darunter lag.

»Er ist tot!« sagte sie mit klangloser Stimme, »als ich ihn mit diesen Händen aufrichtete, ist er gestorben. An meinem Kleide hängt sein Blut, und es ist nicht das einzige, das heut vergossen worden. Ich bin es gewesen«, rief sie mit wildem Ausdruck und drückte krampfhaft Antons Hand, »ich habe den Anfang gemacht mit diesem Blutvergießen. Wie ich den Fluch ertragen soll, weiß ich nicht. Wie ich nach dem heutigen Tage leben werde, weiß ich nicht. Wenn ich noch wohin gehöre in der Welt, so ist es in dieses Zimmer. Lassen Sie mich hier, Wohlfart, und sorgen Sie nicht mehr um mich.«

Sie wandte sich ab und setzte sich wieder auf den Schemel an das Strohlager. Anton deckte den Mantel über den toten Mann und verließ schweigend das Zimmer.

Er ging nach der Wachstube und ergriff sein Gewehr. »Ich gehe auf den Turm, Förster«, sagte er.

»Jeder hat seine eigene Art«, brummte der Alte. »Der andere ist klüger, er schläft aus. Aber es wird frisch dort oben, ohne Mantel soll er nicht bleiben.« Er schickte einen Mann mit einem Bauernmantel hinauf und befahl ihm, bei dem Herrn oben zu bleiben. Anton ließ den Mann zum Schlaf niedersetzen, und wickelte sich in die warme Hülle. So saß er schweigend und stützte sein Haupt an die Mauer, über welche sich Lenore gebeugt hatte, als sie hinunterschoß. Und seine Gedanken flogen über die Ebene fort, aus der finstern Gegenwart in die unsichere Zukunft. Er sah über den Kreis der feindlichen Wachen und über den dunkleren Ring der Kiefernwälder, welche ihn hier gefangenhielten und ihn festbannten an Verhältnisse, die ihm jetzt so fremd und abenteuerlich vorkamen, als läse er sie ab aus einem Buch. Seine eigenen Schicksale betrachtete sein müder Blick gleichmütig, wie ein[704] fremdes; und ruhig konnte er hineinblicken in die Tiefen seiner Seele, die ihm sonst das wogende Gefühl des Tages verbarg. Er sah sein vergangenes Leben vor sich vorüberziehn, die Gestalt der Edeldame auf dem Balkon ihres Schlosses, das schöne Mädchen auf dem Kahn unter ihren Schwänen, den Kerzenglanz im Tanzsalon, die traurige Stunde, wo die Edelfrau ihren Schmuck in seine Hände legte, alle Augenblicke, wo Lenorens Auge so liebevoll das seine gesucht hatte, alle diese Zeiten sah er vor sich und deutlich erkannte er den Zauber, den sie um ihn gelegt hatten, alles, was seine Phantasie gefesselt hatte, sein Urteil bestochen, seinem Selbstgefühl geschmeichelt, das erschien ihm jetzt als eine Täuschung.

Ein Irrtum war's seiner kindischen Seele, den die Eitelkeit großgezogen hatte. Ach schon längst war der glänzende Schein zerronnen, der dem armen Sohn des Kalkulators das Leben der Ritterfamilie stark, edel, begehrungswert gezeigt hatte. Ein anderes Gefühl war an die Stelle getreten, ein reineres, eine zärtliche Freundschaft zu der einzigen, die in dem Kreise sich stark erhalten hatte, als die andern zerbrachen. Und jetzt löste auch sie sich von ihm. Er fühlte, daß es so war und immer mehr geschehen mußte. Er fühlte das jetzt ohne Schmerz als etwas Natürliches, was nicht anders kommen konnte. Und er fühlte, daß er selbst dadurch frei wurde von den Banden, welche ihn hier festhielten. Er erhob sein Haupt und sah über die Wälder hinüber in die Ferne. Er schalt sich selbst, daß ihm dieser Verlust nicht mehr Schmerzen bereitete, und gleich darauf, daß er einen Verlust fühlte. War im Grunde seiner Seele doch ein stilles Begehren gewesen, hatte er das schöne Mädchen für seine Zukunft zu erwerben gedacht, hatte er davon geträumt, in der Familie, für die er jetzt arbeitete, heimisch zu werden für immer? Wenn er in einzelnen Stunden der Schwäche dies Gefühl gehabt hatte, jetzt verurteilte er es. Er war nicht immer gut gewesen, er hatte im stillen eigennützig auch an sich gedacht, wenn er Lenore ansah. Das war unrecht gewesen, und ihm geschah sein Recht, daß er jetzt allein stand unter Fremden, in Verhältnissen, die ihn wund drückten, weil sie nicht klar waren, in einer Lage, aus der auch sein Entschluß ihn nicht lösen konnte, nicht jetzt, und schwerlich in der nächsten Zukunft.[705]

Und doch fühlte er sich frei. »Ich werde meine Pflicht tun und nur für ihr Glück sorgen«, sagte er laut. – Aber ihr Glück? Er dachte an Fink und an das Wesen des Freundes, das ihm selbst immer wieder imponierte und ihn so oft ärgerte. Würde er sie wieder lieben, und würde er sich fesseln lassen in diesen Verhältnissen? »Arme Lenore!« seufzte er.

So stand Anton, bis der helle Schein vom Nordrand des Horizontes herüber zog auf Osten zu, und von dort ein fahles Grau am Himmel aufstieg, der schauerbringende Vorbote der Morgensonne. Da sah Anton noch einmal auf die Landschaft um sich herum, schon konnte er die Wachen der Landleute zählen, die zu zweien das Schloß umstanden; hier und da blinkte ein Sensenspieß in hellem Licht. Anton beugte sich nieder und weckte den Mann, der neben der Blutlache des getöteten Kameraden eingeschlafen war, dann stieg er herunter in die Wachstube, warf sich auf das Stroh, das ihm der Förster sorgsam auseinanderschüttelte, und schlief ein, gerade, als die Lerche aus dem feuchten Boden aufflog, um durch ihren fröhlichen Ruf die Sonne herbeizuholen.

Quelle:
Gustav Freytag: Soll und Haben. München 1977 bzw. 1978, S. 670-706.
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