Prosäische Ode

[45] An den Marquis von Montbarey. von Joh. Nikol. Götz, Feldpredigern unter dem königlich französischen Leibregimente zu Pferde Royal-Allemand.


1749.


Der junge Herr war Vorhabens die Thaten des Maréchal, Grafens von Sachs in einem Gedichte zu besingen. Der Dichter läst ihn die Schwierigkeiten, und Gröse dieses Unternehmens einsehen, und räth ihm ab; schlägt ihm anbey einige seinem zarten Alter anständigere Materien, zu besingen, vor, und schliest mit einem ehrfurchtsvollen Lobe Klopfstocks und Bodmers, der Verfaßer der zween Epopëen, die wir Deutschen, wenn sie gebührend ausgearbeitet worden, den Ausländern künftig entgegen setzen werden.


Wohin, mein zärtlicher, mein geliebtester Montbarey? auf welche Höhe wagestu dich mit einem leichten Kahne, du, der die untreue See noch niemahls geprüft hat. Kein sicherer[45] Stern blitzt dir am blauen Himmel; keine sanfte Weste blähen dir gelinde die purpurnen Seegel; und du kennest die Felsen dieser gefahrvollen Gegend nicht, die ein dicker Duft, gleich einem Vorhange, vor dir verbirgt, biß dein Kahn daran zerschellet ist.

Siehestu nicht mit kaltem Schauer, wie mancher Tod dir entgegen schwellet, welche Abgründe sich vor dir aufthun, die schon eine ganze Welt von Reisenden verschluckt haben. Keiner getrauet sie zum andern mahle an zu sehen, dem Zevs, nach langem Händeringen, doch mit Verlust aller seiner Reichthümer, das erstemahl landen laßen.

Die Thaten des Sohnes der nordischen Aurora1 sind hoch, wie die Lilien unter ihren Schwestern, den zarten Töchtern des Frühlings; aber sie sind auch rein, wie sie; ein unheiliger Finger berührt sie nicht, ohne den Glanz zu beflekken, in den sie gekleidet sind.

Die Bahn der Ehre, von seinen starken Schritten so oftmahls erschüttert, ist von vielem Blute, womit sie übergoßen worden, ganz schlüpfrig; an Höhe, wie an Gefahr gleicht sie der Bahn, darinne die Sonne unermüdet fortlaüft. Phaëton bereuete sterbend, aus Durst nach Unsterblichkeit den kühnen Lauf begonnen zu haben, der noch keinem gelungen ist. Was wär ich, o Freund, wenn du ihm ähnlich würdest; wenn du mir umkämest, wie er, mit dem kahlen Ruhme, daß dich die See verschlukt habe.

Siehestu den König der Lüfte, Jupiters mächtigen Vogel mit ausgespannten Flügeln zwischen der Erde und der Sonne hängen? So weit er die breiten Wälder des tannenreichen Ida unter sich siehet, so nahe sieht er die Palläste der Sonne über sich. Iris schöner Bogen ist schon unter seinen Füsen. Er sizt darauf. Er erschnauft sich, und sezt seine edle Wanderschaft dann wieder fort. Sein Gefieder, in die naßen Wolken getaucht, damit es in der Nachbarschaft der Feuers nicht in Brand gerathe, ist unermüdet, wie der Gott, dem es[46] sich entgegen schwinget. Seine noch nicht schwarzen Kinder sitzen in ihrem Neste, das zwischen hohen Felsen gebauet ist, und staunen zitternd die kühnen Reisen ihres Urhebers an. Schwach von Flügeln getrauen sie sich ihm nicht nach. Sie wagen nur einen kurzen Flug der sie nicht weit von ihren geliebten Penaten entfernet. Lerne von ihnen die Höhe verehren, aus welcher dein Held die Erde ansiehet, und behutsam davon bleiben.

Sähestu, wie ihn die lautrauschende Donau auf einem Roße, weiß, wie die Schwingen des Winthermonathes an das unglaübige Ufer trägt; die Türkenhorden kannten ihn, und sagten: Kühner Rittersmann, kommstu den Tod zu bringen! Sähestu ihn, schnell, wie der feurige Blitz, und stark, wie ein mitternächtliches Donnerwetter, jenes Felsenthurnes demantene Riegel, ein Werk des lemnischen Vulkans, zersprengen, und, wie ein getulischer Löwe, der der schweren Falle der Jäger entgangen, seine Tatzen in das Blut seiner Feinde tauchen, oder in blinkenden Stahl gekleidet, ruhig, wie die Vorsehung der Götter für sein Gezelt kämpfen, mitten in Flammen, die wie eine See um ihn herumfliesen, und über und über in Wirbel schlagen: der Ort, worauf du stehest, würde dich fest halten, und der versteinernde Schrecken dich in dein eignes Grabmahl verwandeln.

Das Geräusche der Waffen, unter welchen Moritz sein ruhmvolles Leben begonnen, fortgeführet, und geendiget, ist schon alleine vermögend eine junge und unerfahrene Kamöne mit tödtlichem Schrecken zu füllen. Siehe! auch die deine erblaßet, und bebt. Wie eine säugende Rehkuhe, die ganz alleine in der braunen Morgendämmrung zwischen alten Fichten weidet, wenn sie mit einmahl den Klang eines losschnellenden Bogens zu hören vermeynet, mit leichten Schenkeln, obwohl sie niemand, als ihr Schatten jaget, so lange fleucht, biß sie Athemlos zu Boden stürzet, also fliehet sie würklich nach den stillen Grotten des aonischen Thales, bloß von den Westen gefolget, die ihr die Locken nachtragen.

Fleuch mit ihr, mein Montbarey, und verstecke dich in der Nacht eines heiligen Waldes, irgendwo an einer sprudelnden[47] Quelle, die zwischen zwo Reihen wohlriechender Linden hinrieselt, wo der Friede, mit Oliven bekrönet, auf weichem Rasen thronet, wo die neidische Tulpe sich hinabbückt an der stolzen Lilie zu riechen, und der Epheu sich so nahe an die Rose macht, als wenn er sie küßen, oder ihr was geheimes sagen wollte. Daselbst singe den gelben Vogel, den dir die fernen östlichen Inseln gesandt haben, deinen beglükten Nebenbuhler, der, wenn du ferne von deiner spröden Gebieterin stehest, auf ihrem Busen sitzet, und sich umsieht; oder nein, besinge lieber sie selber, die so witzig ist, wie du; der die Gratien nachgehen, ob sie gleich nicht gerufen werden. Belohnen dich jene Lorbeern nicht, die das erhabene Haupt Pindars umkrochen haben; darfstu nicht unter den Palmen spazieren, die das Alterthum auf dem Gestade des Simöis dem Mäonides gepflanzt hat: so vermißestu doch die Sträuse Anakreons nicht, die in den teischen Weingärten gepflückt worden; versäume keine Zeit sie mit den Kränzen zu sammlen, die Flakkus gelehrte Schläfe beschattet haben. Was wird deinen Liedern fehlen, wenn der Geist dieser alten Sänger des Parnaßes in sie übergehet; wenn sie die Empfindungen fortpflanzen, die mit dem Frühlinge in deine Seele gekommen. Werden deine Gesänge an Feuer deinen Augen, und an freyer Lieblichkeit deinen gelben Haaren gleichen, in deren Knoten sich die Nymphen der Saar so oftmahls verwikkelt haben: so werden sie ewig leben, wie die Seele, die sie gezeuget, und alles anziehen, was ihrem Creiße zu nahe kommt. Schon dünkt mich, stehet jenes schneefarbes, sonst so scheuches Kaninchen, mit seinen Augen von Karniol, stille, und horcht; schon ruhen Favonius Kinder über dem Ährenfelde, das keine See mehr ist; schon sinken die Wolken des Schlafes auf die Augenlieder jenes Adlers, der auf der Spitze der Ceder sitzet, und lauscht. Er, der den Glanz des hellen Tempels der Sonne erträgt, wiederstehet deiner Leyer nicht. Die Wohllust feßelt ihn, die seine Nerven durchfließet, und übergießt ihn mit Schlummer. Er nickt. Der Raub in seiner Klaue ist vergeßen. Er öffnet sie. Der bunte Specht entflieht, und entfliehend segnet er deinen alles bezaubernden Gesang. Er fürchtete, daß er für[48] ihn ein – Sterbelied seyn würde, und siehe, er ward eine Quelle seiner Freyheit.

Aber während dem ich auf deine Lieder acht habe, und gerüstet stehe, deinen Genius zu erheben, das Ebenbild des edlen Champagners, flüchtig, emporzusteigen, und unbändig, wenn man ihn einschrenken will: so zertheilen sich silberne Nebel vor meinen Augen, und jene heilige Laube erscheint mir, die unsterbliche Zier der Gärten in Eden. Weibliche Lorbeern lehnen sich vertraulich an männliche, und bilden, indem sie ihre eheliche Zweige mit einander vereinigen, einen wohlriechenden Tempel, worinne Klopstock auf seinem Throne sitzend, indem ihm die Ewigkeit ihren Ring ansteckt, jene Leyer rühret, die ihm ein Seraph mit feinem Golde bezogen. Der Sänger Noäh liegt auf zartem Grase neben ihm. Indem er den Nektar mit Purpurlippen aus Rubin trinkt, bücken sich viele grose Dichter vor ihm, die die Ehre auch krönt, aber minder, als ihn.

Gegrüset seyd mir, o kühnen Schwäne, an den Ufern erzogen, wo die Erde zunächst an den Himmel grenzt. Das Rad der Sonne stund verwundernd stille über dem Glücke eures Fluges. Alle andere sehen euch begierig nach, aber folgen können sie euch nicht. Seyd gegrüst, ersten Söhne dieses Weltalters, welche die Gottheit ihre Sprache2 völlig gelehrt hat. Eure Kronen hängen zu hoch für mich, und der Glanz, der euch umgibt, ist zu blendend für meinen irdischen Augapfel. Möchte ich, ein Schüler, euch nur von ferne nachfolgen können; möchte ich nur einen Bündel jener Lichtstralen auffangen können, die eure Seelen erleuchten; möchte nur ein Kränzgen von jenen Rosen gewunden, die ihr nicht würdiget, aufzulesen, meine Schläfe umwinden,

O wie glücklich sties mir das Haupt an den Wagen Orions!

Fußnoten

1 Der Maréchal von Sachs war ein Sohn der schwedischen Gräfin, Aurora von Königsmark.


2 Die Sprache der Tugend, der Warheit, und der Religion, die sie führen, ist die Sprache der Gottheit.


Quelle:
Johann Nikolaus Götz: Gedichte. Stuttgart 1893, S. 45-49.
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