2.

[8] Den Liljenleib des Purpurs dunkler Schleier

Dem irren Blick der Göttin halb entzieht;

Der Trauer Bild, die Anemone, blüht

So weiß als roth zur stillen Todtenfeyer.


Erloschen ist in Ihm des Lebens Feuer,

Sein todtes Aug' die Blume nimmer sieht. –

Doch plötzlich schmilzt der Göttin Leid im Lied,

Die Klage tönt, die Seele fühlt sich freier.
[8]

Ein Kranker, der des Liedes Sinn empfunden,

Durch Ihrer Töne Zauber soll gefunden. –

Der Andacht gerne Liebe sich vertraut.


Und glaubig einen Tempel er sich baut,

Auf daß er pflege in dem Heiligthume

Der Sehnsucht Kind die süße Wunderblume.

Quelle:
Karoline von Günderrode: Gesammelte Werke. Band 1–3, Band 2, Berlin-Wilmersdorf 1920–1922, S. 8-9.
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