[Wir, Phoebus und die Musenschaar]

[162] [162] Zettrizischer Lossagungsbrief.


Wir, Phoebus und die Musenschaar,

Bekennen hiermit ofenbahr,

Wo noth, vor all- und jeden Ständen,

Daß unser junger Zettriz frey

Und weiter nicht gehalten sey,

Mit Paucken längre Zeit als Lehrling zu verschwenden.


Wir zeugen mehr aus Recht als Gunst,

Daß er in dieser Heldenkunst

Den grösten Vortheil weggetragen

Und würdig wäre, dem Eugen,

Vor welchem Hahn und Hund nicht stehn,

Den stärcksten Siegesmarch bey Belgrad vorzuschlagen.


Calliopens Trompetenschall

Liebt seiner Schlägel Wechselfall

Und spielt mit Lust zu ihrem Springen,

Die Nymphen um den Boberstrand

Bewundern die geschwinde Hand

Und hören ihre Kraft durch Wald und Ufer dringen.


Nun, weil es oft gebräuchlich ist,

Daß, wo man einen Lehrbrief list,

Die ehrliche Geburth sich zeige,

So schwören wir hier mit Bedacht,

Daß ihn ein Haus hervorgebracht,

An dem die Tugend sieht, wie hoch ihr Adel steige.


Des Vaters Amt, Verstand und Ruhm

Schmückt seines Schildes Alterthum

Mit neuem Werth und frischen Kränzen,

Der Mutter Schönheit, Blut und Wiz

Baut ihrer Tugend da den Siz,

Wo Damen seltner Art am Ehrenhimmel glänzen.
[163]

Wie nun kein Löw ein Schaaf gebiehrt,

Kein Pilz Orangenbäume ziert

Und Adler blos von Adlern kommen,

So zeigt auch dieser unser Sohn

An Mienen, Neigung und Person,

Von wem sein muntrer Geist das Feuer angenommen.


So wie die helle Morgenzeit

Den schönsten Mittag prophezeit,

So will auch schon sein Fleiß und Spielen,

Das mehr galant als kindisch ist

Und Maas und Wohlstand nicht vergißt,

Auf Thaten voller Ruhm des reifen Alters zielen.


Daher bedencken wir uns nicht,

Ihm, wo und wenn ihm was gebricht,

Carls Schuz und Gnade wahrzusagen;

Wir bürgen selbst vor seine Treu,

Sie werde, gehn zehn Jahr vorbey,

Sich vor das Vaterland mit Stahl und Feder wagen.


Doch überhaupt empfehlen wir

Ihn und sein Alter, Pallas, dir:

Entdeck ihm alle Weißheitsschäze

Und führ ihn auf der Ehrenbahn

Nach seines Vaters Beyspiel an,

Damit des Landes Heil ihm einst ein Denckmahl seze.


Nach diesem stähl ihm Mars den Muth

Und führ ihn zwar nicht ohne Blut,

Doch ohne Fall durch Dampf und Blizen.

Ich seh bereits sein siegreich Pferd

Mit Beute, Staub und Lob beschwert

Ost- oder westwärts her auf seiner Rückkunft schwizen.


Du aber, Venus, solst zulezt

Ihm alles, was nach Müh ergözt,

In deiner Wollustmuschel reichen.[164]

Du liebst so gut Musick als Wein,

Drum flöß ihm einst den Handgrif ein,

Im Tempel deiner Lust die Saythen wohl zu streichen.


Ja, wirf ihm dann bey Scherz und Ruh

Die beste Violine zu,

Da wirstu Wunder sehn und hören;

Da wird er als ein danckbar Gast

Die schönste Nymphe, so du hast,

Den Würbel künstlich drehn und Paucken tragen lehren.


Von jedem bitten wir dabey,

Von was vor Stand und Würd er sey,

Er woll ihm Lieb und Ehr erweisen

Und seine wohlerlernte Kunst

Nach Mögligkeit mit Rath und Gunst

Geheim und öfentlich zu seinem Glücke preisen.


Sind Köpfe von der Thorenzunft,

Die uns aus Neid und Unvernunft

In dieser Bitte wiederstreben,

Die sollen plözlich am Parnaß

Wie mein Verächter Marsyas

Das Fell vom Leibe ziehn und auf die Paucken geben.


Den andern Monath nach dem May

Sechs- und eilfhundert zwanzig zwey,

Der Neumond hies gleich Margarethe,

Der Phoebus und die Musenschaar,

Von der vor diesmahl Canzler war

Ein Mediciner und Poete.


Mit eigner Hand auf meiner Stuben

Schrieb ich als Zeuge

Görge Dluben,

Bestallter Musicus der Stadt,

Die Land und Hut im Nahmen hat.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 6, Leipzig 1937, S. 162-165.
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