Als er in Compagnie bey Frauenzimmern war

[144] Mag es doch die Welt verdrießen,

Wenn mein ungebundner Geist

Sich mit unschuldsvollen Küßen

Bey galanten Mägdgen speist;

Denn dergleichen schöne Sünden,

Die der Pöbel hoch verflucht,

Werden da wohl Ablas finden,

Wo die Treu ein Urtheil sucht.


Freylich weis ich, daß viel Leuten

Solche Mode nicht gefällt,

Weil man doch auf allen Seiten

Auch der Unschuld Neze stellt;

Unterdeßen wird mein Herze

Doch die Thorheit nicht begehn,

Von dem unschuldsvollen Scherze

Treuer Seelen abzustehn.


Ist doch noch kein Mensch gebohren,

Der es allen recht gemacht;

Werd ich nur von Blind- und Thoren

Und der Misgunst ausgelacht,

O so schlag ich alle Grillen

Ihrer Lästrung in den Wind,

Wenn mein Geist nur stets im Stillen

Seine Selbstvergnügung findt.


Mag sich doch ein jeder wehlen,

Was ihm Aug und Herz entzückt!

Wird er trefen oder fehlen,

Werd ich dadurch nicht gedrückt.

Drum begehr ich auch mit Rechte,

Daß man mir die Lust vergönnt,

Die das zärtliche Geschlechte

Vor ihr höchstes Gut erkennt.
[145]

Also sez ich mein Vergnügen

Ohne Gram und Zweifel fort.

Will es nun der Himmel fügen,

Find ich auch den rechten Ort,

Wo die Klugheit wie die Liebe

Mir bereits zu schmeicheln scheint

Und auf hofnungsvolle Triebe

Mich wohl nicht zu teuschen meint.


Teuschen mich die holden Blicke

Und des Mundes Höfligkeit,

Halt ich dies schon vor ein Glücke,

Wenn mich auch dein Scherz erfreut.

Weis ich doch nicht, wen ich nenne.

Doch genug, es ist ein Bild,

Das, so lang ich leb und brenne,

Mir allein das Herze stillt.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Leipzig 1931, S. 144-146.
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