Tröstliche Vorstellung, dasz Hofnung und Creuz oft unverhoft zum gewüntschten Ende und Ziel kommen

[142] Gott zürnt und bleibt doch Gott, das ist voll Lieb und Treu,

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Drum spreche doch kein Mensch: Nun bin ich hingebracht,

So nah und groß ihm auch die gröste Trübsahl scheinet.

Der Trost kommt oft daher, wohin man nie gedacht,

Und eher, als noch wohl der Wüntsche Furcht vermeinet.

Ich saß von allem leer, was jeder Mensch gebraucht,

Im Winckel, kranck, verhast und unter fremden Leuten,

Bey Ärgernüß und Gift, den grobe Boßheit haucht,

In allgemeinem Weh und jammervollen Zeiten.

Sonst fast ich mir noch Muth, jezt aber hätt ich bald

Buch, Leben und Gedult auf einmahl hingeschmißen,

Da über alle Noth kein treues Weinen galt

Und jeder Lästrer sprach: Schon recht, so muß er büßen.

Ich gieng gleichwohl in mich und war mir nichts bewust,

Als daß ich so gefehlt, wie alle Menschen fallen.

Da fiel nun vollends gar die Langmuth aus der Brust,

Und dies mein redlich Blut fing eifrig an zu wallen.

Ich war schon im Begriff und wollte – – Was geschieht?

Es muß zu meiner Ruh ein andrer Mensch erblaßen

Und, da der schnelle Fall viel Volck zu Grabe zieht,

Ein längst vergeßner Freund mich in dem Volck umfaßen.

Da lag der schwere Stein auf einmahl weggerückt,

Ich kam dadurch nunmehr zu Nothdurft und Vergnügen;

Es schien, als würde mir ein Engel zugeschickt:

So schnell und wunderlich verfährt das weise Fügen.

Man meint, es hätten längst die Wunder aufgehört;

Ihr Thoren böser Art, wie seichte steht der Glauben!

Er murrt schon, wenn ihn nicht ein hohes Zeichen stört,[143]

Und will der Warheit selbst gar oft die Warheit rauben.

Was soll der tolle Wuntsch, des rothen Meeres Grund,

Den Fels, den Moses schlug, Eliä Brodt und Raben,

Die Sonne, so der Hand des Helden stille stund,

Und bey des Heilands Gruft den Stein gesehn zu haben?

Was steigt ihr weit und hoch? Ihr habt es in der Näh.

Durchgeht den Lebenslauf bald von den ersten Jahren:

Je mehr ihr Stunden zehlt, je mehr ich Wunder seh,

Die ihr so gut als ich von Gottes Huld erfahren.

Wie schön und ordentlich beuth immer Lust und Pein,

Verdienst und Straf und Lohn einander nicht die Hände!

Wie öfters schien es nicht schon völlig aus zu seyn?

Ich wende kaum die Hand, so folgt ein beßer Ende.

Ach, groß- und weiser Gott, was vor ein Lösegeld

Soll vor so viele Treu mein schuldig Herz entbinden?

Du bist es, der mich liebt und unter Ruthen hält,

Damit nicht Fleisch und Blut den Weg zur Hölle finden;

Du hilfst mir allzeit aus, erweckst und stillst Gefahr,

Erhebst mich durch die Last, damit ich höher blicke.

Nun schmeck ich in der That, nun werd ich recht gewahr:

Ein Herz, dem Creuz gebricht, entbehrt die Lust vom Glücke.

Ja, wo ein Gegentheil dem andern Nachdruck giebt,

So muß ich dermahleins der Freude mehr genießen

Als die, so in der Zeit sich gar um nichts betrübt;

So weis die Noth sogar den Himmel zu versüßen.

Ach, las mir stets ein Theil von solcher Traurigkeit,

Nur las mich nicht die Noth an Kunst und Weißheit hindern;

Kurz, mach es, wie du wilst, du kennest Maas und Zeit

Und wirst mir wohl keinmahl ein wahres Heil vermindern.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Leipzig 1931, S. 142-144.
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